Predigt vom 27. Mai 2012  Pfingsten

St. Severin Garching

 
Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf

St. Severin Garching
Predigttext

Zweifel – zwischen Segen und Versuchung (Pfingsten 2012)
„Keiner kann sagen: Jesus ist der Herr!, außer im Heiligen Geist.“ So haben wir es vorhin in der 2. Lesung gehört. Mit anderen Worten: Der Glaube an Jesus Christus ist Werk des Heiligen Geistes in uns. Das vielleicht schönste geistgewirkte Glaubensbekenntnis zu Jesus im Neuen Testament haben wir vorhin aus dem Mund des Apostels Thomas vernommen: „Mein Herr und mein Gott!“, ruft er inbrünstig aus, als er, der Zweifler, dem Auferstandenen mit seinen Wundmalen leibhaftig begegnen durfte. Wer das mit Thomas bekennen kann, darf gewiss sein, dass der Heilige Geist auch in ihm lebt und wohnt und wirkt.

Doch wie stand es zuvor? Wie stand es um den noch ungläubigen, zweifelnden, so entschieden das Zeugnis seiner Mitapostel zurückweisenden Thomas? Stand er außerhalb des Wirkens des Heiligen Geistes? Viele von den Älteren unter uns haben noch gelernt, dass Glaubenszweifel etwas zu Beichtendes und daher Sünde sind.

Mir scheint, man muss hier gut unterscheiden: Es gibt den bewusst und mit Fleiß genährten Zweifel am Glauben. Und hier kann es auch Schuld geben, die wohl um so größer ist, je mehr jemand destruktiven, zerstörerischen Zweifel nicht nur in sich selbst pflegt, sondern mit geradezu missionarischem Eifer in die Herzen anderer streut. Bisweilen geschieht dies mit einer Häme und Aggressivität, mit einer Selbstgerechtigkeit und gelegentlich sogar Blasphemie, dass diese Menschen sich durch ihr eigenes Verhalten das Urteil sprechen.

Von diesen möchte ich jene unterscheiden, die von sich selbst sagen: Wie gern würde ich glauben und beten, aber ich kann es  nicht. Der Zweifel in mir ist stärker als der Glaube. Vor diesen Menschen habe ich großen Respekt. Ich bin sehr sicher: der Wunsch nach Gott, vielleicht sogar nach einem lebendigen Bezug zu Jesus Christus bringt diese Art von Zweifelnden und Suchenden schon ganz in die Nähe zu ihm. Gerade auch in unserem Sehnen und Wünschen, wenn es lauter und rein ist, wirkt der Heilige Geist.

Und dann gibt es noch jene, die einen lebendigen Glauben haben, und dennoch immer wieder heimgesucht werden von kleineren oder größeren Zweifeln, sich aber so sehr nach einem unangefochtenen Glauben sehnen. Laden sie Schuld auf sich? Gott bewahre. Genauso wenig, wie Thomas mit seinen Zweifeln Schuld auf sich geladen hatte. Es gibt einen Zweifel, von dem ich glaube, dass der Heilige Geist sich seiner bedient.

Dazu möchte ich Sie an einigen sehr schönen und tiefen Gedanken teilhaben lassen, die ich in dem Buch Der Klang. Vom unerhörten Sinn des Lebens gefunden habe. Der Autor ist Martin Schleske, ein inzwischen weltweit renommierter Geigenbauer, der in Gauting vor den Toren Münchens lebt. Darin schreibt er vom Zweifel als einem „Boten Gottes“, der Fehlentwicklungen im Glauben zu korrigieren vermag und sich so dem stolzen Herzen widersetzt, also dem, der sich schon für einen vollendeten Meister im Glauben hält:

„Worin der Zweifel uns im Namen Gottes segnen darf, ist einzig, uns das Herz eines Anfängers zu geben – damit wir als Lernende an die Anfangsorte zurückkehren, an denen der Glaube seinen Segen hat. Darum erschüttert der Zweifel die Härte, die einmal Festigkeit war; er erschüttert Besitz, der einmal Gewissheit war; er erschüttert Starrheit, die einmal Klarheit war; er erschüttert Macht, die einmal Charisma war; er erschüttert Stolz, der einmal Segen war; er erschüttert Fanatismus, der einmal Leidenschaft war; er erschüttert Opfer, die einmal Hingabe waren; er erschüttert Lehren, die einmal Wahrheit waren; er erschüttert Erfahrungen, die einmal Gnade waren, er erschüttert Worte, die einmal Gebete waren – in alldem geschieht immer das eine: Er erschüttert, was einmal Liebe war. So wird allein das bleiben, was nicht erschüttert werden kann. Das Unerschütterliche geht durch die Tränen der Erschütterung hindurch.“ (238f)

Der Zweifel als geistgewirkter „Bote Gottes“ lehrt uns also zu erkennen, dass der Glaube und die Frömmigkeit zu verkrusten und zu erstarren drohen, wo ich meine, schon angekommen zu sein und die unaufhörliche Suche des Herzens nach Gott verloren habe. Es gibt daher – ich zitiere wieder Schleske – eine „kreative Verunsicherung“ durch den Zweifel, die mir zuruft: „Bekenne nicht nur das, was du verstehst. Glaube nicht nur an das, was dir angenehm erscheint. Erkenne nicht nur das, was deinen Lieblingsgedanken entspricht.“ (241) In der Tat: Gott ist immer größer als all unser Glauben und Verstehen. Der Zweifel stellt alles Festgefahrene in Frage und hält uns auf unserem Weg zu Gott in Bewegung.

Nun gibt es aber den Zweifel nicht nur als „kreative Verunsicherung“, sondern als einen solchen, der richtig bedrängend werden kann, der all unsere den Glauben betreffenden Überzeugungen zunichte zu machen droht. Was wird die Kraft haben, uns am Ende vielleicht doch im Glauben zu bewahren? Am überzeugendsten, so der über den Zweifel nachsinnende Geigenbauer, ist letztendlich wohl noch mehr als das, was wir glauben das, was wir lieben: „In den wirklichen Krisen werden wir vielleicht erfahren müssen, dass das Seil der Wahrheit, an die wir glauben, sich aufreiben kann – und es am Ende reißt! Das einzige Seil, das uns trägt, ist die Wahrheit, die wir lieben. In der Krise wird das Tragende allein die Liebe sein. Auch Petrus, dieser für alles kämpfende Mensch, wurde nach der Krise des Kreuzes nicht gefragt: „Glaubst du an mich?“, sondern: „Liebst du mich?“

Es gibt Glaubende, die wohl akzeptieren lernen müssen, dass Zweifel ein Teil ihres Glaubens sind. Schleske schreibt wohl auch aus persönlicher Erfahrung, wenn er sagt: „Man kann an Gott zweifeln und ihn dennoch lieben.“ An dieser Stelle zitiert er den großen Physiker und Philosophen Carl Friedrich von Weizäcker: „Glauben heißt, so leben, wie man lebt, wenn das wahr ist, was man glaubt.“ 

Ich möchte schließen mit zwei sehr persönlichen Bekenntnissen, die Martin Schleske in seine Betrachtung über den Zweifel einfügt. Er berichtet von einer Monate andauernden inneren Finsternis, die er überwand, als er eines Nachts den Satz hörte: „‚Martin, gib acht, dass du mich liebst; ich kümmere mich um deinen Glauben!’“ Er fährt fort:  „Als ich das hörte, drehte ich mich um, doch mir war sofort klar, dass es nicht akustisch hörbar, sondern ein Satz des Herzens war und dass ich die Stimme Jesu gehört hatte. Die Erkenntnis darin war schlicht und einfach: … Wie sehr der Glaube auch von Zweifeln bedrängt sein mag und wie schwer es dann fallen mag, zu beten ‚Jesus, ich glaube an dich’ – eher werde ich fähig sein, zu beten: ‚Jesus, ich sehe, wie du gelebt und was du getan hast. Ich habe deine Barmherzigkeit und deine Wahrhaftigkeit gesehen, deine Zu­wendung und deinen Mut, deine Liebe und deine Verletzlichkeit habe ich vor Au­gen. Dafür will ich dich lieben. Darum will ich hören, was du mir zeigst, und tun, was du mir sagst!’“

Fazit: Der Zweifel muss nicht der Feind unseres Glaubens sein, er kann sogar sein Verbündeter werden; dann nämlich, wenn er verhindert, dass unser Glaube zu einem routinierten und erstarrten Besitzstand wird und er uns durch manche Erschütterungen hindurch in eine immer lebendigere und tiefere Beziehung zu Gott führt. Zuletzt ist es die Liebe, die am Ende auch den Zweifel überwindet. Und wo Menschen wahrhaft lieben, ist immer der Heilige Geist am Werk.

Pfr. Bodo Windolf

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