Predigt vom 11. März 2012

St. Severin Garching

 
Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf

St. Severin Garching
Predigttext

Tempelreinigung – Ich selbst bin der Tempel, den der Herr reinigen möchte
(3. Fastensonntag Lj. B 2012)   11. März 2012

Was steht im Hintergrund der heutigen Evangelien-Perikope? Der Tempel war neben seiner religiösen Bedeutung, die er hatte, ein Wirtschaftsfaktor erster Güte. Er stellte ein Großunternehmen dar, das Tausenden Menschen mit ihren Familien Arbeit und das tägliche Auskommen gab. Für Jerusalem und insbesondere die Verwalter des Tempels, die sadduzäische Priesteraristokratie, war er eine einzige Goldgrube. Das Vermögen des Tempels, der Tempelschatz, war legendär. Die Verkäufer der Opfertiere und die Geldwechsler waren ein absolut notwendiger und daher gar nicht wegzudenkender Teil des Opferkultes im Tempel. Hier gab es die notwendigen fehlerfreien Tiere für die persönlichen Opfer der Pilger sowie für die offiziellen Opfer, die für die tägliche, d.h. morgendliche und abendliche Tempelliturgie und für die der Festtage gebraucht wurden. Die Pilger, die aus den verschiedensten Ländern oder Landesteilen mit ihrer heimischen Währung ankamen, waren zudem auf die Geldwechsler angewiesen, weil als Zahlungsmittel für die Tiere, für Spenden und die Tempelsteuer, die jeder volljährige Jude einmal jährlich zu entrichten hatte, nur der sog. „Schekel des Heiligtums“ anerkannt war. Die jeweilige Landeswährung musste gegen diese Tempelwährung getauscht werden, einer in Tyros geprägten silbernen Tetradrachme. Andere Währungen galten als unrein und wurden nicht akzeptiert. Die Geldwechsler und Opfertierverkäufer gehörten also zum Personal des Tempels. Wenn man das im Hinterkopf hat, kann man zum einen leicht Jesus verstehen, der den Tempel, der eigentlich ein Haus des Gebetes sein sollte, zu einem einzigen Wirtschaftsbetrieb verkommen sah. Auf der anderen Seite wird leicht nachvollziehbar, welche Gegnerschaft der Sadduzäer das provozieren musste, die durch ihn den Tempel als einträgliche Geldquelle in Frage gestellt sahen.

Was mag Jesus bei seiner Zornesattacke gegen diesen geschäftigen Betrieb bewegt haben? Wenn man möchte, könnte man die Geschichte von der Tempelaustreibung als eine „Goldene-Kalb-Geschichte“ lesen. So notwendig Geld für den Lebensunterhalt ist – immer hat es die Tendenz, sich so in den Vordergrund zu spielen und zum Wichtigsten im Leben von Menschen zu machen, dass es zum Goldenen Kalb zu werden droht; zu einem Götzen,  der das eigentlich Wichtige, hier den lauteren und selbstlosen Dienst an Gott, in den Hintergrund drängt oder gar ganz verdrängt. An keiner anderen Stelle des Evangeliums sehen wir Jesus so zornig wie hier, ja er wird sogar gewalttätig. Dies kann uns zeigen, dass Jesus die Sanftmut zwar seligpreist – „Selig die sanftmütigen, denn sie werden das Land erben“ (Mt 5,5) – aber es gibt auch Situationen, in denen sanftmütige Beschwichtigung nicht mehr angemessen ist, sondern ein „heiliger Zorn“ sein Recht hat.

Von hier aus wäre es gut, immer wieder auch einen sehr kritischen Blick auf den Tanz ums Goldene Kalb in unserer Zeit zu richten. Die Kommerzialisierung von immer mehr Lebensbereichen setzt in vielen Bereichen ethisch verantwortliches Handeln außer Kraft. Um nur ein sehr aktuelles Beispiel zu nennen: das Bemühen der Politik um Erhöhung der Bereitschaft zur Organspende. Die in letzter Zeit Gott sei Dank wieder aufgekommene Diskussion um die Frage, ob ein Hirntoter, der noch atmet, dessen Kreislauf noch voll funktionsfähig ist, der auf vegetativer Ebene noch Reaktionen zeigt wie ein Lebender, schon wirklich tot oder nicht doch viel eher ein Sterbender ist, wird von interessierter Seite gänzlich beiseite gedrängt. Denn es geht um Geld, um viel Geld der entsprechenden medizinischen und pharmazeutischen Industrie.

Von hier aus möchte ich aber noch einen inneren und jeden von uns persönlich angehenden Aspekt des heutigen Evangelien-Abschnitts benennen. Jesus, gefragt nach der Vollmacht, mit der er dies tun dürfe, spricht hier vom Tempel seines Leibes. An anderer Stelle wird er die Zerstörung des Jerusalemer Tempels prophezeien. An die Stelle des Tempels aus Steinen als Ort der Gegenwart Gottes tritt er selbst, der als lebendige Person Ort der Gegenwart Gottes in der Welt ist. Ja, noch mehr: der Jesusjünger, der ihm Nachfolgende, der Christ wird zum lebendigen Tempel Gottes: „Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? Wer den Tempel Gottes verdirbt, den wird Gott verderben. Denn Gottes Tempel ist heilig, und der seid ihr“ (1 Kor 3,16f), schreibt Paulus im Brief an die Korinther.

Am Ende der Perikope heißt es über Jesus, dass er sich keinem anvertraute, „denn er wusste, was im Menschen ist“. Niemand kennt mich so wie Er. Niemand weiß wie Er, was in mir der Reinigung, gleichsam der Austreibung bedarf.

Was sind die Mittel, damit wir ein Tempel werden, in dem Gott gerne wohnt? Antwort geben die beiden Lesungen dieses Sonntags. Die Zehn Gebote wollen uns Wegweiser sein, nicht zu einem Leben unter der Knute der Gebote, die unsere Freiheit einschränken, sondern im Gegenteil als ein Wegweiser zur wahren Freiheit der Kinder Gottes. Denn sie beginnen nicht mit einem Gebot und einem Du sollst; vielmehr lautet ihr erster Satz: „Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus.“ Es gibt nicht nur die Sklaverei durch die Unterdrückung von Menschen, sondern auch die Sklaverei der Sünde, der Selbstsucht, des Bösen, des Egoismus, der Süchte, des Geldes, usf.

Freilich wissen wir: so sehr wir uns auch bemühen mögen, diesen Weg der Gebote zur wahren Freiheit gehen wir einfach nicht ganz konsequent. „Reißt diesen Tempel nieder“, sagt Jesus und meint seinen Leib, der am Kreuz getötet wird. Und Paulus schreibt: „Wir verkündigen Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit, für die Berufenen aber, Juden wie Griechen, Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit.“ Nicht mehr seine Geißel, sondern sein Kreuz reinigt uns von aller Schuld und von allem, was uns zu einer unreinen Wohnung Gottes macht. Einzige Bedingung ist, dass wir bereit sind, uns unter sein Kreuz zu stellen, Ihm unsere Schuld zuzugeben und hinzuhalten.

Sicher ist dies der eigentliche und tiefere Grund, warum wir die Szene von der Tempelreinigung in der Fastenzeit hören. Sie soll uns einladen, dass wir uns leer räumen lassen von allem, was in uns Gott und Mitmensch entgegensteht, damit Gott wieder mehr Raum bekommt und wir ihm die ihm zustehende Ehre geben.

Pfr. Bodo Windolf

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