Predigt vom 18. Dezember 2011 (4. Advent)

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf

St. Severin Garching 
Predigttext

Die jungfräuliche Empfängnis Jesu – Mythos oder Historie?
(4. Adventssonntag 2011)

„Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?“ „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten.“ So umschreibt Lukas das Geheimnis der Empfängnis Jesu im Schoß Mariens. Mit den Worten des Credo bekennen wir Sonntag für Sonntag: „Empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria.“

Kann man das eigentlich allen Ernstes heute noch glauben? Sind das nicht Legenden und Mythen für Menschen, die noch einem vormodernen Weltbild verhaftet sind, wundergläubig und nicht auf der Höhe aufgeklärt-kritischer Zeitgenossen?

Stellvertretend für viele andere seien zwei Personen aus der theologischen Zunft zitiert, zuerst der evangelische Kirchentagspräsident des Jahres 2001, Martin Dolde, der im Vorfeld dieses Ereignisses in der Zeitung „Die Welt“ folgendes sagte: „Wie komme ich dazu, ausgerechnet im Gottesdienst beim Sprechen des Glaubensbekenntnisses vor allen Leuten regelmäßig zu lügen? Ich kann doch nicht glauben, dass Jesus vom Heiligen Geist gezeugt wurde. Ich kann nicht glauben, dass Maria Jesus als Jungfrau zur Welt gebracht hat.“ (zit. aus dem Internet) Und so forderte er um der Redlichkeit willen, das Glaubensbekenntnis neu zu formulieren und in eine unserer Zeit angepasste und damit glaubbare Form zu bringen.

Auf katholischer Seite Hans Küng: „Die Erzählung von der Jungfrauengeburt ist kein Bericht von einem biologischen Faktum, sondern ist Deutung von Wirklichkeit mit Hilfe eines Ursymbols.“ (Credo, 65f) Und er fährt fort, dass Lukas mit Hilfe dieses Ursymbols und Mythos, der in der ganze Antike verbreitet war, einfach nur die Besonderheit Jesu als Gottessohn auszudrücken suchte.

Beide, Küng und Dolde, stehen für eine weit verbreitete Haltung: Wer nicht ganz selbstverständlich davon ausgeht, dass Josef der biologische Vater Jesu ist, wird mit einem mitleidigen Lächeln bedacht und gilt als nicht auf Höhe der Zeit. Andere lassen die Sache einfach auf sich beruhen und sagen: Ob es sich so oder so verhält, ist doch nicht entscheidend. Das Zentrum unseres Glaubens, das, worauf es wirklich ankommt, ist doch etwas ganz anderes!

Nun, diesbezüglich bin ich anderer Meinung, und das will ich versuchen, im Folgenden  zu begründen:

Der Gott des sog. modernen Weltbildes, auf den sich die Doldes und Küngs unserer Tage und viele andere berufen, ist in letzter Konsequenz weltlos geworden. Man hat ihm die Materie und den Leib weggenommen. Er wird noch toleriert als Trostspender für unser Gemüt, als Aufheller unserer Gefühle, als zügelnde Kraft unserer Triebe, als Motivator unserer Affekte. Wobei für viele offen bleibt, ob es sich dabei nur um Placeboeffekte handelt oder doch noch mehr dahinter steht. Jedenfalls bleibt Gott eingesperrt in unsere subjektive Innerlichkeit.

Aber in der objektiven Welt der Materie kommt er nicht mehr vor. In ihr gelten ausschließlich die Naturgesetze und innerweltliche Ursachen, Gott hat auf die materielle Schöpfung keinerlei Zugriff, ihm fehlt gleichsam das Passwort, um auf diese Einfluss nehmen zu können.

Das Seltsame dieser Denkfigur ist: sie kommt so scheinbar vernünftig und wissenschaftlich daher, und ist doch zutiefst unwissenschaftlich und irrational. Denn ob Gott in unsere Welt hineinwirken kann oder nicht, oder ob er es zwar kann, aber aus irgendwelchen Gründen (die dann wohl nur besonders klugen Leuten wie Küng bekannt sind) nicht tut, oder ob er es sowohl kann als auch tut – darüber kann man eine naturwissenschaftlich begründete Aussage schlechterdings nicht machen. Ganz gleich, wie wir antworten – wir befinden uns hier nicht auf dem Gebiet des empirisch Beweis- oder Widerlegbaren, sondern auf dem Gebiet des Glaubens, der Weltanschauung oder gar der Ideologie.

Daher gibt es vernünftigerweise letztlich nur drei Möglichkeiten:

Die erste: Jemand glaubt, dass es Gott nicht gibt. Dann ist nicht nur die jungfräuliche Empfängnis Jesu hinfällig, sondern das ganze christliche Bekenntnis, und wir sollten unsere Versammlung hier in der Kirche auflösen und uns schleunigst realeren Dingen zuwenden.

Die zweite: Jemand glaubt an den sog. deistischen Gott der Aufklärung, der wie ein Uhrmacher die Welt gemacht, aber dann abgedankt und sich zur Ruhe gesetzt hat, um die Welt ganz sich selbst zu überlassen. Natürlich kann man an einen solchen Gott glauben, aber er ist definitiv nicht der christliche. Denn der Gott unseres Glaubens interessiert sich für die Welt, für das Große und Kleine in ihr; er ist leidenschaftlich engagiert für die Welt und für die Menschen. Und er lässt es sich nicht einmal von einem Herrn Küng oder gar Kirchentagspräsidenten verbieten, auch auf bisweilen außergewöhnliche und wunderbare Weise hineinzuwirken in unsere Welt, in unser Leben, sogar bis hinein in die Materie und unseren Leib.

Daher die dritte Möglichkeit: Jemand glaubt an einen Gott, der der Herr auch über die Naturgesetze ist; der in der Regel sie sich auswirken lässt, ihnen gegenüber aber nicht ohnmächtig ist; der daher in der Lage ist, z.B. in diesem Fall, da er selbst eintreten möchte in unser irdisches Dasein, sich in einem souveränen göttlichen Akt einzusenken in den Schoß einer Frau, ohne männliches Zutun, weil kein Mann potent genug ist, Gottes menschgewordenen ewigen Sohn zu zeugen.

Und hier wird in einer zweiten Hinsicht deutlich, dass es sich gerade nicht um ein Randthema unseres Glaubens handelt. Dass Gott nicht jemand anderen schickt – etwa einen Propheten wie schon so oft zuvor, oder einen charismatischen, aber rein menschlichen Religionsstifter – sondern dass wahrhaft Er Selbst kommt, mit Haut und Haar, mit Geist, Seele und Leib Mensch wird, das ist die eigentliche Pointe christlichen Glaubens. Wer diese Pointe leugnet – und das tun so gut wie alle, die die jungfräuliche Empfängnis Jesu bestreiten – kann nicht mehr mit Fug und Recht behaupten, dass er christlich glaubt. Denn unser Glaube steht und fällt mit dem Bekenntnis zu Jesus Christus als Gottes ewiger Sohn, menschgeworden für uns, gekreuzigt zu unserem Heil, auferstanden als Sieger über den Tod.

Des weiteren: die Behauptung, die lukanische Erzählung sei nur eine Variante  all der anderen ägyptischen und griechischen Mythen von Jungfrauengeburten, um das Besondere Jesu hervorzuheben, ist auch aus anderen Gründen schlichter Unsinn und wird auch durch ständige Wiederholung nicht richtiger. All diese Mythen kommen nicht ohne einen expliziten sexuellen Akt zwischen der Gottheit und der menschlichen Frau aus, ob es sich nun um Zeus handelt, der in Gestalt eines Stieres Europa schwängert; oder Re-Amun, der sich in Gestalt des amtierenden Pharao der im übrigen gerade nicht jungfräulichen Königin nähert und den neuen Pharao zeugt.

Nur nebenbei sei vermerkt, dass es bei diesen und all den anderen Mythen gerade nicht um ein einmaliges Geschehen und vor allem auch nicht um ein göttliches Sich-selbst-Verschenkung für und zum Heil der Menschen geht, sondern – wie etwa im ägyptischen Mythos – ausschließlich um die stets neu wiederholte göttliche Legitimierung der weltlichen (oftmals Unterdrückungs-)Herrschaft des Pharao. Von all dem ist bei Lukas auch nicht andeutungsweise die Rede.

Zuletzt sei noch erwähnt, dass all diese wohlfeilen Theorien die Erklärung dafür schuldig bleiben, wie Lukas, dem so wie allen Juden diese Mythen gotteslästerliche Gräuel waren, auf sie je hätte zurückgreifen sollen. Um es ein wenig plastisch auszudrücken: Eher hätte er sich die Hand abhacken lassen, als so etwas zu Papier und damit den Gott Israels und die Christengemeinde mit solch blasphemischen Erzählungen der Heidenvölker in Verbindung zu bringen. Daher erzählt er uns keinen Mythos, sondern das, was er wohl von Maria selbst erfahren hat.

Fazit: die jungfräuliche Empfängnis Jesu ist nicht selbst Zentrum unseres Glaubens, wohl aber das Fundament für dieses Zentrum: dass nämlich Gott Gott ist und daher hineinwirken kann und tatsächlich auch hineinwirkt in unsere Welt, bis dahin, dass Er Selbst in seinem Sohn kommt, Mensch wird im Schoß Marias, die Ja gesagt hat zu diesem Wunder Gottes an ihr und für uns.

Pfr. Bodo Windolf

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