Predigt vom 16. Oktober 2011 

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf

St. Severin Garching 
Predigttext

Nachlese zum Papstbesuch
(Kirchweih 2011)

Das heutige Kirchweihfest möchte ich zum Anlass nehmen, eine kleine Nachlese zum kürzlichen Papstbesuch in Deutschland zu halten. Beginnen will ich mit einer Vorbemerkung zur die Stellung des Papstes im Gefüge der Kirche. 1983 veröffentlichte der österreichische Psychotherapeut Paul Watzlawick den zugleich humorvollen wie tiefgründigen Bestseller „Anleitung zum Unglücklichsein“. Als eine der Strategien, die nach Watzlawick unfehlbar zum Unglücklichsein führen und die man in nicht wenigen Ehen, im Beruf und andernorts beobachten kann, führt er das „Utopiesyndrom“ an. Man muss einfach nur die Erwartungen hoch genug, unrealistisch hoch schrauben, und schon stellen sich Enttäuschung und Frustration geradezu unfehlbar ein.

Etwas dieser Art war beim Papstbesuch zu beobachten. Im Vorfeld war von ökumenischen und anderen Gastgeschenken die Rede wie z.B. die Zulassung evangelischer Christen zur Eucharistie zumindest bei Mischehen; oder die Änderung der Kommunion-Praxis bei Wiederverheiratet-Geschiedenen, und noch manches andere.

Nun kann, nein muss jeder Kundige wissen, dass der Papst gar nicht die Vollmacht hat, Gastgeschenke dieser Art zu verteilen. Seltsamerweise sind es oft gerade jene, die das Papsttum und den derzeitigen Inhaber des Amtes am meisten kritisieren, ja ablehnen, die eine vollkommen utopische Vorstellung von der Machtfülle des Papstes haben. Man tut so, als sei er eine Art Sonnenkönig, ein absolutistischer Herrscher nach der Manier Ludwig XIV. Anstelle von „L`état cèst moi“ – „Der Staat bin ich“ – gelte für den Papst „L´eglise c´est moi“, „Die Kirche, das bin ich“, und er könne nach Belieben und Gutdünken Kirchenrecht außer Kraft setzen und heute jenes, morgen anderes dekretieren; oder in Deutschland einfach einmal Neuerungen einführen, die anderswo keine Geltung haben. Aufgrund solch unsinniger Vorstellungen werden dann in der Tat Erwartungen geschürt, die Enttäuschung und Kritik geradezu zwangsläufig nach sich ziehen.

Nach katholischer Auffassung ist nun aber der Papst eben kein absolutistischer Herrscher; im Gegenteil, er muss der gehorsamste Diener seiner Kirche sein. Er steht nicht über der hl. Schrift und Tradition, nicht über der Lehre der Kirche und dem Kirchenrecht, sondern darunter. Das Mittelalter hat sehr unbefangen über den Papa haereticus diskutiert, also über den Papst, der aus der Lehre der Kirche herausfällt, und über die Frage, wie mit ihm zu verfahren sei. Damit wurde deutlich gemacht, dass der Papst seine Autorität nur in Übereinstimmung mit der Gesamtkirche und ihrer Tradition hat. Wenn z.B. – was zu wünschen ich für ganz legitim halte – in der Frage nach der Zulassung Wiederverheiratet-Geschiedener zur Kommunion unter bestimmten Voraussetzungen eine Veränderung der derzeitigen Praxis ermöglicht werden soll, dann kann der Papst dies nur mit und für die Gesamtkirche tun, und die Kirche auch nur mit dem Papst. Aber nicht der Papst alleine aus einer Laune heraus, etwa um den Deutschen einfach einmal eine Freude zu machen.

Dasselbe gilt für die Ökumene: Die klügeren unter den Kommentatoren wie etwa Eduard Lohse, der ehemalige evangelische Bischof der Lutherischen Landeskirche Hannover, schrieb zum Besuch des Papstes in Erfurt in einem FAZ-Gastkommentar folgendes: „Sein Gastgeschenk war und ist er selbst.“ Dass nämlich er, der Papst, die evangelische Kirchenleitung nicht in ein katholisches Gotteshaus einlud, sondern gerade an dieser Stelle – wo Luther Mönch und zum Priester geweiht wurde und um seinen Glauben rang – mit evangelischen Christen zum Gottesdienst zusammenkam, der Respekt, mit dem er Martin Luther erwähnte und die Leidenschaft seiner Gottsuche als beispielhaft für unsere Zeit würdigte – all das war sein ökumenisches Gastgeschenk. Papst Benedikt sagte, wie sehr ihn die Grundfrage Luthers: „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott“, und wie er um diese Frage und damit um Gott und mit Gott rang, selbst immer wieder trifft.

Resümierend kann man sagen: so wie Papst Benedikt hat bislang kein Papst über Martin Luther gesprochen. Wie es seine Eigenart ist, hat er sich nicht bei Randthemen aufgehalten, sondern das Zentrum des Lebens des Reformators freigelegt in seiner auch heute noch aktuellen Bedeutung. Die Schattenseiten Luthers, die auch evangelische Christen nicht übersehen können, hat er nicht erwähnt. Aber auch sie gehören zu seiner Persönlichkeit. Deswegen kann auch von einer Rehabilitierung Luthers, die gelegentlich erwähnt und erhofft wurde, sicher nicht sprechen können.

Heftig kritisiert wurde, dass Papst Benedikt das Thema Abendmahlsgemeinschaft mit evangelischen Christen mit keinem Ton erwähnte, wenig später aber die Hoffnung auf eine baldige Kommuniongemeinschaft mit der orthodoxen Kirche aussprach.

Als Katholik würde man sich wünschen, dass man auch von evangelischer Seite bisweilen etwas selbstkritischer denken und sich äußern würde. Was soll man davon halten, dass ohne jede ökumenische Rücksicht bislang gemeinsam vertretene ethische Positionen wie z.B. in Fragen des Lebensschutzes, der Homosexualität, etc. aufgegeben wurden? Was davon, dass man auch in Fragen des Amts- und Kirchenverständnisses in bewusster und gewollter Absetzung vom Katholischen eigene Wege verfolgt, die hinter das zurückgehen, was man in ökumenischen Konsensgesprächen schon an gemeinsamem Verständnis erreicht hatte? Man tut so, als gäbe es eine einseitige katholische Bringschuld, und alles würde nur immer wieder an der starren Haltung des Papstes scheitern.

Überdies vergessen wir Deutschen gerne – da wir vor allem die Situation in unserem Land im Blick haben, während der Papst seinen Blick stets auf die Weltkirche hin weiten muss – dass Ökumene nach katholischem Verständnis auch und gerade die orthodoxe Kirche berücksichtigen muss. Lehrmäßig gibt es hier eine fast 100prozentige Übereinstimmung. So auch in der Überzeugung, dass Eucharistiegemeinschaft Kirchengemeinschaft voraussetzt. (Dies war übrigens bis vor etwa 40 Jahren auch evangelische Überzeugung.) Es wäre gerade unter ökumenischem Gesichtspunkt unverantwortlich, diese 2000jährige Überzeugung katholischerseits aufzugeben und so die erhoffte Einheit mit der Orthodoxie zu verunmöglichen. Wie schon gesagt, hat der Papst auch diesbezüglich weder die Vollmacht noch auch den Willen.

Eine letzte Bemerkung zur Konzerthausrede Papst Benedikts in Freiburg, in der von einer „Entweltlichung“ der Kirche die Rede war, die seither heftig diskutiert wird.

Kennzeichnend für alle seine Predigten in Deutschland war, dass er immer aufs Wesentliche kam, dass er Schneisen geschlagen hat, eine Richtung aufgezeigt hat für die Kirche in unserer Epoche, ohne aber ins Einzelne gehende Handlungsanweisungen zu geben. Für mich zeigt dies sehr deutlich, dass er die Kirche in Deutschland, weder die Bischöfe noch die Laien, entmündigen möchte. Wie die großen Linien für unsere Zeit konkret umzusetzen sind, ist Sache der Kirche vor Ort. Er hat auf Gefährdungen der Kirche in Deutschland aufmerksam gemacht, die man aus der Distanz oft besser sieht, als wenn man selbst Teil des Systems ist. Dies betrifft die ganzen Strukturen, Organisationsformen, die oft in der Tat nicht mehr oder kaum mehr gedeckt sind von einem wirklich christlichen Geist. Aber auch so etwas wie die weltweit einmalige zwangsweise Verbindung von Kirchensteuer und Kirchenmitgliedschaft in unserem Land. So viele segensreiche Seiten unser Kirchensteuersystem auch haben mag, muss die Frage erlaubt sein, ob nicht verdunkelt wird, dass es die Taufe ist, die uns zu Gliedern der Kirche macht, und eben nicht die Bereitschaft zur Bezahlung einer Steuer.

Es wäre sicher noch vieles zu sagen zum Besuch des Heiligen Vaters in Deutschland, was in der Kürze dieser Predigt nicht möglich ist. Ich persönlich bin mit vielen anderen Gläubigen unseres Landes, auch wenn sie medial kaum zur Geltung kommen, sehr dankbar für diesen Papst, für seine klugen und klaren Worte, für sein bescheidenes Auftreten, für die Hingabe, mit der er sich und sein Leben ganz in den Dienst Gottes, des Evangeliums und der Kirche stellt. Möge Gott sein Wirken auch weiterhin segnen.

Pfr. Bodo Windolf

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