Zur Woche für das Leben 2011 Gehsteigberatung – Abtreibung – Folgen – Wege der Heilung Vor sechs Jahren, am 2. April 2005, ging das zweitlängste Pontifikat der Kirchengeschichte zu Ende. Papst Johannes Paul II. verstarb am Vorabend des Weißen Sonntags, dem er selbst zusätzlich den Namen Barmherzigkeitssonntags verliehen hatte. Morgen, passenderweise am Barmherzigkeitssonntag diesen Jahres, wird ihn sein Nachfolger Papst Benedikt selig sprechen. Ich bin sicher, dass ich im Sinne dieses großen polnischen Papstes handle, wenn ich statt einer Würdigung seiner Person in dieser Predigt eines seiner größten Herzensanliegen thematisiere, nicht zuletzt auch in Hinblick auf die kommende „Woche für das Leben“. Papst Johannes Paul sagte einmal: „Vielleicht hat mir Gottes Vorsehung gerade deshalb den Stuhl des heiligen Petrus anvertraut, damit ich an der Schwelle zum dritten Jahrtausend ein leidenschaftlicher Anwalt des Lebens sei. Ich, der ich von Jugend an erleben musste, wie in einem besonders dunklen Kapitel der Geschichte dieses geplagten Jahrhunderts unweit meiner Heimatstadt Wadowice menschliches Leben mit Füßen getreten und systematisch vernichtet wurde.“ Wie kaum ein anderer Mensch des vergangenen Jahrhunderts trat Johannes Paul an unzähligen Orten dieser Welt für die Menschenrechte ein; und dabei besonders für das erste der menschlichen Grundrechte: für das Recht auf Leben vom Anfang bis zum Ende. Noch einmal O-Ton Johannes Paul: „Die Kirche muss auch heute mit Nachdruck, Klarheit und Geduld eintreten für das Lebensrecht aller Menschen, vor allem der noch ungeborenen und deshalb besonders schutzbedürftigen Kinder; sie muss eintreten für die uneingeschränkte Geltung des 5. Gebotes: ‚Du sollst nicht töten!‘ Entgegen aller Wortkosmetik und Reflexionsverweigerung ahnen doch wohl die Allermeisten: Abtreibung ist bewusste Tötung von unschuldigen Menschen.“ (Predigt beim 2. Pastoralbesuch in Deutschland vom 30. April bis 4. Mai 1987) Statt in allgemeiner Weise über dieses bedrückende Thema zu sprechen, möchte ich heute einfach Menschen zu Wort kommen lassen, die auf sehr unterschiedliche Weise davon betroffen waren und sind. Doch zuvor ein Hinweis: Am 19. Mai wollen wir hier in Garching zur Woche des Lebens einen Film zeigen, der die sog. Gehsteigberatung des „Münchener Lebenszentrums“ dokumentiert. Diese Gehsteigberatung findet seit dem Jahr 2000 regelmäßig in der Fäustlestraße Nähe Donnersbergerbrücke vor der größten Münchener Abtreibungsklinik statt. Jährlich werden hier ca. 4000 Abtreibungen vorgenommen. Frauen und Paare, die auf dem Weg in die Abtreibungsklinik sind, werden von den Lebensschützern angesprochen und man versucht, einfach mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Es sind natürlich die Wenigsten, die sich auf ein Gespräch einlassen, aber immerhin sind es 300 bis 500 Kinder, die im Verlaufe der Jahre gerettet werden konnten. Der Film zeigt, wie überglücklichen Müttern durch Zuhören, durch gemeinsames Ringen, durch konkrete Hilfe eine Perspektive mit Kind aufgezeigt werden konnte. Das
Landgericht München I hatte 2006 eine Klage Stapfs gegen die Gehsteigberatung
zurückgewiesen. Allerdings ist am vergangenen 31. März aufgrund einer absolut
tendenziösen und manipulativen Darstellung der Sendung „Kontraste“ ein
Bescheid des Münchener Kreisverwaltungsreferats ergangen, der die weitere
Gehsteigberatung untersagen möchte. Noch ist offen, ob dieser Bescheid bestehen
bleiben wird. Viele Blogger im Internet haben sich zugunsten der
Gehsteigberatung ausgesprochen. Um ein wenig teilnehmen zu lassen am Schicksal
von Frauen und ihrer Not und ihrem Glück, möchte ich eine von ihnen zitieren: Zu
denen, die in das Abtreibungsgeschehen eingebunden sind, von denen aber so gut
wie kaum die Rede ist, gehören auch die Ärzte. Hier das, wie ich finde, erschütternde
Zeugnis eines von ihnen: Wer sind die Opfer? Nicht nur das Kind, oft auch die am wenigsten Schuldigen, die Frauen, weil sie zur Abtreibung gedrängt werden, von Beratungsstellen oft gar keine echte Beratung erfahren oder keine Unterstützung aus ihrem Umfeld bekommen. Post Abortion Syndrom werden die psychischen Belastungen genannt, die unzählige Frauen manchmal jahrelang mit sich herumschleppen: unbegründetes Weinen, Angstzustände, Depressionen bis hin zu Suizidgedanken und –versuchen, Scham-, Schuld-, Reuegefühle, Gefühle des Beschmutztseins, Verlust des Selbstwertgefühls, Absterben des Gefühlslebens, Hass- und Ekelgefühle gegenüber der Sexualität, Hass gegen den Kindsvater – alles Gefühle, die oft und besonders heftig zum errechneten Geburtstermin, zum Jahrestag der Abtreibung, bei Ehekrisen, ganz massiv im Klimakterium, immer wieder auch auf dem Sterbebett auftreten. Die dritten, in der Regel vergessenen Opfer müssen noch erwähnt werden: die Väter. Oft wissen sie nicht, dass der Tod des abgetriebenen Kindes Grund für eigene massive seelische Probleme sein kann. Ein letztes, das mir sehr wichtig ist: Die seelischen Folgen einer Abtreibung sind kein unabwendbares Schicksal. Es gibt – inzwischen auch in Deutschland, in Amerika schon viel länger – die Selbsthilfegruppen Rahel, in der betroffene Frauen sich austauschen und einander helfen. Vergebung ist ein anderer ganz wichtiger Schlüssel, um damit selber fertig werden und wieder Frieden finden zu können. Schon öfter habe ich mit Betroffenen eine „Feier der Verabschiedung“ gefeiert. Sie vollzieht sich in einer sehr einfachen Form. Ich bitte die Mutter, dem Kind einen Namen zu geben (immer ein Mädchen- und Jungenname, da das Geschlecht ja unbekannt ist). Ich biete eine Beichte an, anschließend, nach dieser an Gott gerichteten Bitte um Vergebung und eingebettet in eine kleine gottesdienstliche Feier (nur die Mutter und ich), wendet sich die Mutter an das Kind und bittet auch dieses um Verzeihung. Schließlich drückt sie in einem weiteren Gebet aus, dass sie bereit ist, das Kind loszulassen und ganz in Gottes Hände zu übergeben. Schließen möchte ich mit einem Zitat des James-Bond-Darstellers Pierce Brosnan, der selber 5 Kinder hat und der es als einen Rat an Väter formuliert hat „Du musst das Leben im Mutterleib pflegen. Du musst den Kindern im Mutterleib vorsingen und mit ihnen reden. Sie sind Geschenke Gottes.“ Pfr.
Bodo Windolf |