Predigt vom 6. März 2011

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:

"Das Haus der Kirche bauen, Kirche 2011"
Predigttext

9. Sonntag i. J. (Mt 7,21-27) Lj. A    2011    6.3.2011

Das Haus der Kirche bauen. Zum Memorandum „Kirche 2011“

Die Kirche in Deutschland ist mal wieder in Aufruhr. Anfang Februar – die meisten von Ihnen werden es mitbekommen haben – unterschrieben etwa 150 katholische Theologieprofessoren das sog. Memorandum „Kirche 2011“. Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Wenig später wurde als Gegenmemorandum die „Petition pro Ecclesia“ veröffentlicht. Beide Seiten werben um Unterschriften. Wieder einmal stehen sich sog. Progressive und Konservative mehr oder weniger unversöhnlich gegenüber. Das Ritual gegenseitiger Verunglimpfung ist immer dasselbe. Den Progressiven wird die Kirchlichkeit abgesprochen. Umgekehrt lauten die Vorwürfe: mangelnde Dialogbereitschaft, verknöcherte Strukturen, ängstliche Abschottung, moralischer Rigorismus ohne Barmherzigkeit, und, und, und. Es ist kein besonders schönes und einladendes Bild, das wir als Kirche der Öffentlichkeit einmal mehr geben.

Wie sollte man mit dieser Situation umgehen? Mir scheint, dass schon viel gewonnen wäre, wenn die Schärfe gegenseitiger Vorwürfe und Verunglimpfungen auf beiden Seiten herausgenommen würde. Leider ist gerade das Memorandum der Theologieprofessoren voll davon. Ich habe nur ein paar der Vorwürfe oben zitiert. Es ist keine gute Voraussetzung für einen Dialog, der von ihnen ja gefordert wird, wenn der Dialogpartner in eine vormoderne und verknöcherte Ecke gestellt wird. Das ist wie im Leben. Wenn ich das Gespräch suche und dem anderen erst einmal klar mache, was für ein „Depp“ er ist, dann ist das Gespräch schon vorbei, bevor es begonnen hat.

Diese Bereitschaft, zunächst einmal das Gemeinsame zu sehen, ist von allen Seiten gefordert. Dabei ist mir klar: Es gibt in beiden Lagern diejenigen, die so festgefahren sind in ihren Ansichten, dass Dialog von vorneherein zwecklos scheint. Aber es gibt auch die, ebenfalls auf beiden Seiten, die wirklich und ehrlich auf der Suche sind nach dem richtigen Weg für die Zukunft der Kirche, für die Zukunft des Glaubens in unserem Land. Es gibt die, denen Kirche und Glaube ein echtes Anliegen sind, die miteinander wissen: wir brauchen in der Tat einen Aufbruch der Kirche in Deutschland; es gibt, die, die sich darin einig sind, wenn sie auch über den einzuschlagenden Weg unterschiedliche Vorstellungen haben. Aber diese gemeinsame Basis wäre Voraussetzung für einen wahren Dialog, im Gegensatz zu einem Scheindialog verhärteter Fronten, bei dem man sich gegenseitig die Vorwürfe und Forderungen nur so um die Ohren schlägt.

Und damit sind wir unversehens beim heutigen Evangelium. Jesus konfrontiert uns mit der Frage, die auch die des Memorandums und die der Petition ist: Wie muss ich, der ich Christus nachfolgen möchte, das „Haus meines Lebens“ bauen, wie müssen wir, die wir miteinander als Kirche Christus nachfolgen wollen, das „Haus der Kirche“ so bauen, dass es den Stürmen unserer Zeit standhält, auch für die Zukunft bewohnbar bleibt und Menschen anzieht?

Die Antwort Jesu ist sehr klar: „Wer diese meine Worte hört und danach handelt, ist wie ein kluger Mann, der sein Haus auf Fels baute.“

Welche Worte meint Jesus? Hier die der Bergpredigt. Mit dem Gleichnis von den beiden Bauherren, von denen der eine auf Fels, der andere auf Sand baut, beschließt Jesus seine erste große programmatische Rede, wie sie uns Matthäus als die neue Ethik des Gottesvolkes überliefert. Was Jesus in der Bergpredigt fordert, ist keine Soft-Moral, keine Gutmenschen-Ethik, keine Ich-hab-dich-lieb-und-du-bist-okay-was-immer-du-tust-Ethik, sondern ein echte Ethik der Liebe, die jeden Menschen bis zum Letzten herausfordert: Treue in der Ehe bis zum Lebensende, Liebe zu den ärgsten Feinden, Versöhnungsbereitschaft, auch wenn ich partout nicht will, Bereitschaft, Verleumdung und Verfolgung um Jesu willen auf sich zu nehmen, usf.  Ich werde den Verdacht nicht los, dass unsere deutschen Theologieprofessoren des Memorandums, wenn sie damals gelebt und Jesu Jünger gewesen wären, sich ebenfalls zusammengetan hätten, um ein Memorandum zu verfassen, nennen wir es das Memorandum „Kirche 30 n. Chr.“. Der Inhalt wäre, wenn wir die Phantasie ein wenig schweifen lassen, vielleicht folgender gewesen: Jesus, Meister, Rabbi, mit dem Programm kannst du keinen Staat machen. Wenn du das den Menschen im Ernst erzählst und einforderst, dann laufen sie dir davon. Hör auf uns, das ist deine letzte Chance. Deine Kirche wird untergehen, noch bevor du sie gegründet hast. Und wenn du dich nicht vorsiehst und auf uns hörst, pass nur auf, dann landest du noch am Kreuz. Also nimm Vernunft an!

Was will ich damit sagen? Die Botschaft Jesu war zu keiner Zeit, weder damals noch heute, einfach kompatibel mit dem, was „man“ so dachte, für richtig hielt, tat; sie war immer zeitgeistkritisch, den Zeitgeist in Frage stellend.

Beispiel Zölibat: Gerade weil der Zölibat von allen Seiten so angegriffen wird – vor allem von denen, die ihn gar nicht halten müssen –  halte ich ihn für so notwendig für unsere Zeit. Es ist gut, dass wir verheiratete Frauen und Männer in der Seelsorge als Diakone und Pastoral- und Gemeindereferenten haben. Diese verheirateten Diakone und Laienmitarbeiter in der Seelsorge werden im Memorandum gar nicht genannt. Es ist einseitig fixiert auf die Priester, die endlich heiraten dürfen sollen, damit wir endlich mehr davon haben. Aber Quantität bürgt noch lange nicht für Qualität. Mehr Priester bedeuten noch lange nicht lebendigere Kirche – das ist ein Trugschluss.

Außerdem: die Gründe für den Rückgang der Priesterberufungen können nicht einseitig auf die zölibatäre Lebensform zurückgeführt werden. Es gibt immer weniger Kinder in unserem Land. Die Zahl der praktizierenden Gläubigen ist prozentual weitaus mehr zurückgegangen als die Zahl der Priester.

Heiraten löst auch keine Probleme, sondern verschiebt sie nur. Das zeigt der teils überdurchschnittlich hohe Anteil an Scheidungen bei evangelischen Pfarrern.

Ich persönlich bin sicher, dass es für die Zukunft der Kirche überlebensnotwendig ist, dass es Menschen nicht nur im Orden, sondern mitten in der Welt gibt, die sich ganz, mit Leib und Seele, Gott und den Menschen zur Verfügung stellen, die das in Nachahmung der Lebensweise Jesu tun und ihren priesterlichen Dienst zusammen mit Verheirateten ausüben und sich so gegenseitig ergänzen. Ich bin auch sicher, dass, wenn diese Lebensform nicht ständig in Frage gestellt wird, sondern sie von den Gemeinden positiv gesehen und mitgetragen wird; wenn junge Menschen sehen, dass auch diese Lebensform um der Liebe willen, der Liebe zu Gott und den Menschen willen, Erfüllung, Freude, Sinn schenken kann – dass es dann auch die Berufungen gibt, die die Kirche heute braucht.

Auf die weiteren Punkte des Memorandums kann ich jetzt aus Zeitgründen nicht eingehen. Nur so viel sei gesagt: Alle Hauptforderungen sind schon längst erfüllt – nämlich in der evangelischen Kirche. Es gibt dort keinen Zölibat, man kann mehrmals kirchlich heiraten, es gibt Frauen im Pfarrdienst, synodale Strukturen sind ausgeprägter als bei uns, schwule und lesbische Lebenspartnerschaften werden gesegnet und nach dem neuen Pfarrdienstrecht können in homosexueller Partnerschaft ganz offiziell auch Pfarrer und Pfarrerinnen leben. Aber wer würde behaupten, dass Kirche und Glaube dort lebendiger seien?

Hier wird uns für jeden sichtbar, geradezu experimentell vor Augen geführt, dass die Gründe der Glaubenskrise andere als die im Memorandum vermuteten sind. Das heißt nicht, dass nicht auch im Sinne des Memorandums einiges verbesserungswürdig ist in der Kirche; aber der einseitige Blick auf ausschließlich strukturelle Veränderungen, wie sie gefordert werden, ist nicht zukunftsträchtig.

Wo aber Priester, Frauen und Männer als Laienmitarbeiter und Gläubige mit Begeisterung und Herzblut auf Jesus Christus schauen, auf seine Worte hören, danach handeln und so das Haus der Kirche bauen – trotz aller Schwächen, die es in der Kirche immer geben wird – da brauchen wir um die Kirche keine Angst zu haben. Es wird immer solche geben, die sie ablehnen; es wird aber immer auch die geben, die sich von ihr angezogen fühlen, gerade weil sie anders ist und den Suchenden einen alternativen Lebensentwurf zum heute Üblichen anbietet.

Pfr. Bodo Windolf

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