Predigt vom 6. Januar 2011 (Erscheinung des Herrn / Hl. Drei König)

St. Severin Garching

[Zurück zu Predigten/Sakramente] 
Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:

"Naturwissenschaft und Glaube"
Predigttext

Hochfest Erscheinung des Herrn 2011    6.1.2011
Die Sterndeuter, lesend im „Buch der Natur“.

Überlegungen zum Verhältnis von Naturwissenschaft und Glaube

Vermutlich hat es sich schon bei den meisten herumgesprochen, dass die hll. drei Könige weder Könige noch drei waren, jedenfalls berichtet uns der Evangelist Matthäus nichts dergleichen. Diese Überlieferung kam erst ab dem 3./4. Jahrhundert auf. Von der Dreizahl der Geschenke schloss man auf die Dreizahl der Schenkenden. Dass es sich um Könige handeln müsse, schloss man aus der Jesaja-Stelle, die wir als erste Lesung gehört haben, sowie aus Psalm 72, wo wie bei Jesaja von Königen die Rede ist: „Könige von Tarschisch bringen Geschenke, Könige von Saba kommen mit Gaben. Alle Könige der Erde beten ihn an.“ Von Saba, in Afrika gelegen, schloss man darauf, dass einer der Drei schwarze Hautfarbe gehabt haben müsse. So kam auch ein Schwarz-Afrikaner unter die hll. drei Könige.

Statt von Königen berichtet Matthäus von Magoi. Das Wort, das auch Zauberer oder Wanderatsrologe bedeuten kann, muss hier mit Sterndeuter übersetzt werden. In damaliger Zeit galten Magoi  im Sinn von Sterndeuter als Männer der Wissenschaft. Sehr oft waren sie zugleich Priester, die ihren Dienst im Tempel ihrer Gottheit versahen. In dieser Doppelfunktion benötigten sie neben den rituellen Kenntnissen ein exzellentes mathematisches Wissen sowie ein hohes Maß an Beobachtungsgabe. Nur eine gute Bedienung der Geräte und jahrelange sorgfältigste Aufzeichnungen garantierten ein sicheres Wissen über den Lauf der Sterne. Wir sehen also, dass in damaliger Zeit Glaube und Wissenschaft aufs engste miteinander verbunden waren.

Woher kamen sie? Matthäus schreibt einfach: apo anatolỏn, aus dem Osten. Diese sehr allgemeine Angabe verweist uns ins ca. 1000 km östlich gelegene Zweistromland von Tigris und Euphrat, vermutlich nach Sippar, das sich 90 km nördlich vom antiken Babylon befand und das berühmteste Zentrum der damaligen Sternenkunde barg. So wirkte hier am weithin bekannten Sonnentempel um 320 v. Chr. der Astronom Kidinnu, dem wir unsere Stunden-, Minuten und Sekundenzählung verdanken. Die in Sippar berechnete durchschnittliche Länge eines Kalenderjahres auf 365,2468 Tage kann als ausgesprochen präzise gelten. Hier im Sand von Sippar wurde schließlich Anfang des vergangenen Jahrhunderts ein Tontäfelchen in Keilschrift gefunden, dessen Entzifferung einer Sensation gleichkam: Für das vermutete Geburtsjahr Jesu, nämlich 7 vor dem Jahre 0, wurde eine dreimalige Konjunktion von Jupiter und Saturn im Sternbild der Fische vorausberechnete; eine Konstellation, die nur alle 854 Jahre vorkommt, also in den Augen der Sterndeuter ein Jahrtausendereignis war, dem ein Ereignis von höchster Bedeutung auf Erden entsprechen musste. Jupiter galt als „Königsstern“ und wies so auf einen Weltenherrscher hin; Saturn als „Stern des Westens oder Palästinas“ und zeigte den Ort der Geburt dieses bedeutenden Königs an.

Auch wenn es natürlich keine letzte Gewissheit gibt, so gibt es doch viele – auch hier nicht genannte Hinweise – dass es sich bei diesem auch heute nachrechenbaren Himmelsereignis tatsächlich um den Stern von Bethlehem handelt.

Diesen Spuren will ich nun aber nicht weiter nachgehen, sondern eine (vielleicht ein wenig überraschende Brücke) in unsere moderne Zeit schlagen.

Der selbstverständliche Zusammenklang von Naturwissenschaft und Glaube ist seit etwa 2-3 Jahrhunderten zerbrochen. Während für die Sterndeuter damals und für unzählige Wissenschaftler bis noch ins 17./18. Jahrhundert hinein der Kosmos ein großes Buch voll göttlicher Spuren, Zeichen und Botschaften war, ist er heutzutage für viele Naturwissenschaftler zumindest in dieser Hinsicht stumm geworden. Der Kosmos und die Natur sind vornehmlich zu Objekten der Erforschung, der Bändigung der Naturkräfte und der Nutzbarmachung für die Zwecke der Menschen geworden. Für viele spricht die Weisheit und Schönheit der Natur und des Kosmos nicht mehr von Gott; vielmehr meint so mancher, für Gott sei einfach kein Platz mehr, da man irgendwann die Welt aus sich heraus erklären könne.

Freilich gibt es Gegenbeispiele zu dieser Ansicht. Für einige der Größten unter den Naturwissenschaftlern besteht keinerlei Widerspruch zwischen ihrer Disziplin und dem Glauben, zwischen Glaube und Vernunft. Mit am bekanntesten ist der Ausspruch Werner Heisenbergs, nach dem das hiesige Gymnasium benannt ist: „Der erste Trunk aus dem Becher der Naturwissenschaft macht atheistisch; aber auf dem Grund des Bechers wartet Gott.“ Friedrich Dessauer, Begründer der Röntgen-Tiefentherapie und der Quantenbiologie, sagte: „Wenn in den letzten siebzig Jahren der Strom der Entdeckungen und Erfindungen so übergewaltig in unsere Zeit eindrang, so heißt das, dass Gott, der Schöpfer, lauter, vernehmlicher als je durch Forscher und Erfinder zu uns spricht und uns Macht gibt.“ Zuletzt sei noch Arthur Stanley Eddington zitiert: „Dir moderne Physik führt uns notwendig zu Gott hin, nicht von ihm fort. – Keiner der Erfinder des Atheismus war Naturwissenschaftler. Alle waren sie sehr mittelmäßige Philosophen.“

Diese Äußerungen sind nun nicht unbedingt repräsentativ für unsere Zeit. Es gibt viele, Wissenschaftler und Nichtwissenschaftler, die einen unüberwindbaren Graben zwischen Glaube und Naturwissenschaft sehen und meinen, wenn man die Kirche betritt, müsse man Verstand und Vernunft draußen lassen. Ich selber bin mit nicht wenigen Naturforschern überzeugt, dass das Gegenteil der Fall ist: Die Wahrheit des Kosmos, der Natur, die Wahrheit des Menschen, ist größer als das, was mit naturwissenschaftlichen Methoden erforschbar ist. Wer nur in der messbaren Welt zuhause ist und alles, was darüber hinaus geht, als inexistent oder bloße Mutmaßung abtut, ist in einer sicher faszinierenden, aber unglaublich engen Welt daheim.

Freilich sind auch diese Menschen nicht glaubenslos, nur haben sie den lebendigen Gott, an den wir Christen glauben, ersetzt durch den toten Gott „Zufall“, dem sich letztlich alles verdanke. Dieser „Gott“ ist nicht rationaler, vernünftiger, sondern letztlich irrational. Denn der Zufall als die angeblich eigentliche treibende Kraft für alles, was ist, erklärt gar nichts, ist eigentlich die Kapitulation des Denkens, und zwar im Gegensatz zu jener Haltung, die sagt: Indem ich die Natur erforsche, denke ich der Weisheit und den Gedanken Gottes selbst hinterher, die sich in ihr niedergeschlagen haben; die sich gleichsam materialisiert haben in den Strukturen des Makro- und Mikrokosmos, am staunenswertesten in den Strukturen des Lebens. Zudem hat der Zufall alle Wahrscheinlichkeit gegen sich; denn es spricht gegen alle unsere Erfahrungen (und mathematischen Wahrscheinlichkeitsberechnungen), dass sinnlos Waltendes Sinn kreieren, blinder Zufall die unendlich vielfältigen, komplexen und zielgerichteten Strukturen und Phänomene unserer Welt hervorbringen könnte.

Welchen Hinweis könnten vor dem Hintergrund dieser Überlegungen die Sterndeuter von damals unserer Zeit heute geben? Ihre Haltung war die Bereitschaft, im Horizont ihres damaligen Wissens die Spuren, die Handschrift Gottes im Buch der Schöpfung zu entdecken. Außerdem waren sie bereit, persönliche Vorurteile da, wo sie diesem Gott tatsächlich begegneten, aufzugeben und sich von Ihm überraschen zu lassen. Denn erwartet hatten sie, den gesuchten Weltenherrscher im Königspalast zu Jerusalem zu finden, wohin sie ihre Schritte zuerst lenkten. Als sie durch das andere Buch Gottes, das der hl. Schrift, nach Bethlehem verwiesen wurden und ein Kind im Haus einer einfachen Familie fanden, wandten sie sich nicht enttäuscht ab; vielmehr „fielen sie nieder und huldigten ihm“, wie Matthäus berichtet. Sie waren bereit, ein neues Antlitz Gottes zu entdecken, eine neue Art von Königtum: nämlich das einer ohnmächtig gewordenen Liebe, die keine andere Waffe kennt als die der Liebe selbst.

Es ist vielleicht eine etwas ungewöhnliche Weise, das heutige Epiphaniefest zu lesen. Epiphanie heißt Erscheinung. Gott zu suchen, wie er in der Schöpfung erscheint und seine Spuren hinterlassen hat, und wie er uns in der hl. Schrift erscheint, zutiefst in der Gestalt Jesu selbst, und vor diesem so vielfältig erscheinenden Gott, der die Liebe ist, die Knie zu beugen, das heißt, Epiphanie heute feiern.

Pfr. Bodo Windolf
I

Seitenanfang
© copyright  2011  WebMaster: Herbert Bauernfeind   webmaster@bauernfeind-web.de