Predigt vom 30. Mai 2010

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:

"Christliches und islamisches Gottesbild"
Predigttext

Dreifaltigkeitssonntag 2010   30.05.2010

Christliches und islamisches Gottesbild – der Ein- und der Drei-Peronale Gott

„Wer hat den stärkeren Gott? Islam und Christentum: der ewige Zwist“, so lautete das Titelthema der letztjährigen Weihnachtsausga­be des „Spiegel“. Christentum und Islam wurden einander gegenübergestellt als die am meisten missionierenden und am meisten konkurrierenden Religionen. Dies zeigen allein schon die nackten Zahlen. Der Islam ist die seit etwa 100 Jahren am stärksten wachsende Religion. Während er um 1900 noch gute 12 % der Weltbevölkerung ausmachte, sind es inzwi­schen über 21 %. Der Anteil der Christen ging in diesem Zeitraum sogar leicht von 34,5 auf 33,5 % zurück. Zahlenmäßig hat sich das Christentum seit 1900 etwa vervierfacht, der Islam dagegen versiebenfacht. In absoluten Zahlen ausgedrückt stehen ca. 2 Milliarden Christen etwa 1,5 Milliarden Moslems gegenüber.

Das für viele Menschen Anziehende des Islam ist neben seinem Ein­gottglauben die Einfachheit seiner Lehre. Wer die 5 Säulen des Islam erfüllt –  also den Glauben an Allah als den einzigen Gott bekennt, die 5 Gebetszeiten und das Fasten im Monat Ramadan hält, Almosen gibt und nach Möglichkeit einmal im Leben nach Mekka pilgert, kann sich des Heils gewiss sein. Theologie als Nachdenken über das Geheimnis Gottes hat im Islam so gut wie keine Tradition. Allah bleibt der menschlichen Vernunft absolut entrückt und verborgen. Theologie ist vor allem Koran- bzw. Gesetzesauslegung, d.h. das Nachdenken darüber, was der Koran in jeweils neuer geschichtlicher Situation zu tun vorschreibt, was also Allah dem Einzelnen und der Glaubensgemeinschaft hier und jetzt vom Koran her gebietet.

Demgegenüber erscheint das Christentum in vielfacher Hinsicht als die viel kompliziertere Religion. Das fängt schon bei der Gottesvorstellung an, und darüber möchte ich am heutigen Dreifaltigkeitssonn­tag ein wenig darüber nachdenken.

Mit Moslems zusammen glauben wir an einen Gott. Währen der Islam sich mit dieser einfachen Feststellung begnügt, dass Allah einzig ist, sagt der christliche Glaube, dass der eine Gott zugleich drei ist, nämlich Vater, Sohn und Heiliger Geist. Ist diese Überzeugung, die unserer menschlichen Vorstellungskraft so überhaupt nicht zugänglich ist, nicht einfach nur eine Ausgeburt von Theologen, letzt­lich uninteressant und daher unwichtig für unser Glaubensleben? Sollten wir nicht schon der Einfachheit halber dem folgen, wozu Sure 4 des Koran die Christen auffordert: „Sagt nicht, ‚Drei’, lasset ab davon! Allah ist ein einziger Gott, und er hat keinen Sohn. Kehrt um, ihr Ungläu­bigen!“ Landen wir nicht trotz aller gegenteiligen Beteuerungen in einem Dreigötterglauben, wie der Islam Christen ja als ihren größten ­Frevel vorwirft?

Eine der christlichen Grundüberzeugungen ist, dass das Geheimnis Gottes unserer menschlichen Vernunft nicht gänzlich verschlossen ist. Und so will ich einmal versuchen, einen der Denkwege christli­chen Redens über Gott in Grundzügen zu skizzieren.

Anselm von Canterbury, ein Mönch und Theologe des frühen Mittel­alters, sagte einmal über Gott: Er muss der sein, über den hinaus wir nichts Größeres denken können. Was aber ist für uns Menschen das Größte? Wir können es wenden, wie wir wollen, wir werden nichts Größeres finden als die Liebe. Hier hat Paulus definitiv recht: Wenn wir alles besäßen, alles, wüss­ten, jedweden Erfolg hätten, würden aber nicht die Erfahrung von Lieben und Geliebtwerden machen, wäre unser Leben nichts; es wäre sinnlos, leer, nichtig.

Wenn dies für uns Menschen stimmt, muss dies dann nicht um so mehr für Gott gelten, nach dessen Bild wir geschaffen sind? Doch wie soll Gott lieben können, wenn Er nur Einer als eine und einzige Person ist? Fehlt Ihm dann nicht jenes Gegenüber, ohne das es Liebe und damit das Größte gar nicht gibt? Und müssten wir dann nicht den Verdacht hegen, dass Allah, als er die Welt erschuf – und Moslems glauben ja mit uns Christen an Gott als den Schöpfer von allem – sich einfach nur selbst aus seiner Einsamkeit erlösen wollte? Dass er uns erschaffen hat, um endlich jemanden zu haben, an dem er sein Bedürfnis nach Liebe­ stillen konnte?

An dieser inneren Konsequenz des einpersonalen Monotheismus kommt der Islam nicht vorbei. Die Welt, die Menschen wären nicht aus reiner, selbstloser Liebe. D.h. um ihrer selbst willen geschaffen, sondern als eine Funktion für Gott. Gott bräuchte uns, um nicht mehr einsam zu sein und um endlich lieben zu können; wir aber müssten das Gefühl haben, dieser Gott würde sein eigenes Spiel mit uns spie­len. Es ginge ihm gar nicht wirklich um uns, sondern letztlich um sich.

Dem entspricht, dass der Islam auch eine echte menschliche Freiheit nicht kennt. Kismet besagt, dass Allah alles, was geschieht, letztlich selbst lenkt und vorherbestimmt. Der Mensch wird zu einer Art Marionette im göttlichen Spiel mit der Welt, die nur ergeben einwilligen kann in die Verfügungen Gottes. Und so bedeutet Islam auch genau das, nämlich Ergebung in Gottes unerforschlichen Willen. Die Frage, ob das dann angesichts alt des Leides und des Elendes in der Welt nicht ein zynisches Spiel mit uns Menschen ist, stellt islamische Theologie nicht. Denn Allah ist so erhaben über alles, dass solches Fragen als unzulässig, ja sogar frevelhaft ist. Eine Gestalt wir Hiob, der zu Gott klagend, ja anklagend ruft, kommt im Koran nicht vor.

Bei aller Bewunderung, die man angesichts der tiefen Frömmigkeit gläubiger Muslims haben kann, muss man doch sagen, dass all diese grundlegenden Fragen an den islamischen Monotheismus erst im christlichen Monoheismus eine Antwort finden. Gott zeigt sich in Jesus Christus, dem ewigen Sohn des Vaters, als der, der immer schon in sich selbst Beziehung ist, der in sich selbst Lieben und Geliebtwerden kennt; ja noch mehr: dessen Liebe ewige Frucht bringt, nämlich die Dritte Person in Gott, den Heiligen Geist.

Das Seltsame ist, dass auch dies unseren tiefsten menschlichen Erfahrungen von Liebe entspricht. Die Liebe zu Zweit ist groß, aber noch größer, noch tiefer, noch seliger wird sie, wenn sie Raum lässt für einen oder mehrere Dritte: so z.B. in der Ehe, die fruchtbar wird in einem oder mehreren Kindern; oder wo in Gemeinschaft mitein­ander ein großes gemeinsames Werk gelingt, Liebe also nicht in sich geschlossen bleibt, Egoismus zu Zweit oder mehreren wird, sondern fruchtbar und segensreich über sich hinauswächst und anderen zugu­te kommt.

Nur ein Gott, der in sich selbst die Fülle der Liebe besitzt, ja der „die Liebe ist“, wie es der 1. Johannesbrief ausdrückt, hat es nicht nötig, eine Welt und in ihr Menschen zu erschaffen, um endlich überhaupt erst lieben zu können. Nur ein solcher Gott kann Menschen, kann uns um unseret selbst willen erschaffen. Nur ein solcher Gott kann daher auch nicht in Verdacht geraten, dass Er letztlich nur sein eigenes Spiel mit uns spielt. Im Gegenteil: dieser Gott macht uns zu echten Mitspielern auf der Bühne der Welt. Denn Er schenkt uns echte Frei­heit und übergibt uns die Welt, damit wir in ihr eigenverantwortlich handeln, im Guten wie natürlich leider auch im Bösen als Konsequenz unserer Freiheit.

All das zeigt: an Gott, den Drei-Einen zu glauben, ist alles andere als unvernünftig. Im Gegenteil: es ist vernünftiger und zugleich geheimnisvoller als der einpersonale Eingottglaube. Die eingangs gestellte Frage: Wer ist stärker – der islamische oder der christliche Gott – ist daher auch falsch gestellt. Denn es geht hier um die Wahr­heit, um die Frage, wer und wie Gott wirklich und wahrhaftig ist. Und so macht es mich persönlich immer wieder Staunen, auf welch faszinierende Weise das christliche Gottesbild menschlichem Nachdenken entspricht – nicht aus eigener Kraft, sondern vor dem Hintergrund der Selbstoffenbarung Gottes in Jesus Christus – und es zugleich geheimnisvoll überragt, weil Gott natürlich immer unendlich größer ist als all unser Erkennen. Wahres und demütiges Nachdenken über Gott muss daher immer wieder in Gebet und Anbetung übergehen. Das wollen wir nun miteinander tun, weil es der eigentliche Sinn jeder Liturgie ist – beten und anbeten.

Pfr. Bodo Windolf

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