Predigt vom 15. März 2009

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:

"Hat das Christentum die Welt verändert?"
Predigttext

11. Sonntag i. J. 2009 

Hat das Christentum die Welt verändert? 

Hat die Kirche, hat das Christentum eigentlich die Welt verändert? Viele sagen: Nein, nicht im Geringsten. Wenn wir uns die Welt anschauen mit all den Konflikten, Kriegen, dem Elend, den Ungerechtigkeiten, kann man nur sagen: Letztlich ist alles beim Alten geblieben. Oder man behauptet sogar: Die Religionen, nicht zuletzt das Christentum, haben die Konflikte sogar noch verschärft. „Schafft die Religion ab, und die Welt wird friedlicher!“

Stellvertretend für diese Auffassung ein Gedicht von Erich Kästner, geschrieben dem „Revolutionär Jesus zum Geburtstag“: 

Zweitausend Jahre sind es fast,

dass du die Welt verlassen hast,

du Opferlamm des Lebens.

Du gabst den Armen ihren Gott,

du littest für die Reichen Spott, -

du tatest es vergebens.

 

Du sahst Gewalt und Polizei,

du wolltest alle Menschen frei

und Frieden auf der Erde.

Du wusstest, wie das Elend tut,

und wolltest alle Menschen gut,

damit es schöner werde.

 

Du warst ein Revolutionär

und machtest dir das Leben schwer

mit Schiebern und Gelehrten.

Du hast die Freiheit stets beschützt

und doch den Menschen nichts genützt.

Du kamst an die Verkehrten.

 

Du kämpftest tapfer gegen sie

und gegen Staat und Industrie

und die gesamte Meute:

bis man an dir, weil nichts verfing,

Justizmord kurzerhand beging, -

es war genau wie heute.

 

Die Menschen wurden nicht gescheit,

am wenigstens die Christenheit,

trotz allem Händefalten.

Du hattest sie vergeblich lieb,

du starbst umsonst und alles blieb

beim Alten. 

Es ist heutzutage in manchen Kreisen wohlfeil, so zu reden. Aber das geht nur, wenn man keinerlei Ahnung von Geschichte hat. Daher, notgedrungen sehr summarisch, ein paar wenige Hinweise:

Stellen wir uns z.B. unsere Welt oder auch nur Europa vor ohne den hl. Benedikt und seine Mönche. Was sie für unsere insbesondere europäische Kultur geleistet haben, kann gar nicht überschätzt werden. Beispielsweise ist es allein den Schreibstuben der Klöster zu verdanken, dass das Wissen und die Kultur der Antike bewahrt und an die neuen Völker unseres Kontinents weitergegeben wurde.

In der Folge entstanden im angeblich so dunklen christlichen Mittelalter überall in Europa Universitäten, gegründet aus christlichem Bildungshunger und Forschergeist. Ohne diese Wurzeln und den hier systematisch eingeübten Gebrauch der Vernunft lassen sich Wissenschaft und Forschung unserer Zeit gar nicht denken.

Auch waren die Orden Vorreiter, was die Schulbildung nicht zuletzt für Arme und auch Mädchen betrifft, ehe erst sehr viel später im vorletzten Jahrhundert mehr und mehr der Staat diese Aufgabe übernahm.  

Stellen wir uns weiter unsere Welt vor ohne die von Anbeginn das Christentum kennzeichnende Fürsorge für Arme und Kranke, die die Antike nicht kannte. Vor allem seit dem Mittelalter entstand eine Vielzahl von karitativen Orden, die sich in Hospizen, Krankenanstalten, Altenheimen der mittellosen, siechen, alten, behinderten Menschen annahmen. Unsere ganze Sozialgesetzgebung, in der die Reicheren solidarisch Verantwortung übernehmen für die Armen und Schwächeren der Gesellschaft, gäbe es ohne die Pioniertaten dieser Orden nicht.

Dasselbe gilt für  die heutigen sozialen Einrichtungen, die erst nach und nach der Staat als eine eigene Aufgabe von den Orden übernommen hat.  In all diesen in staatlicher Trägerschaft befindlichen Einrichtungen begegnet uns säkular gewordener christlicher Geist der Nächstenliebe, der sich durch Nachahmung inzwischen auch in nicht-christlichen Ländern findet, in denen es Ähnliches vormals nicht gab. 

In diesem Jahr feiern wir 60 Jahre Grundgesetz, das im 1. Artikel die Unantastbarkeit der Würde ausnahmslos jedes Menschen als Grundlage aller weiteren Rechte, Pflichten und Gesetze dekretiert. Das Bewusstsein von Menschenwürde und Menschenrechten hast sich nicht zufällig ausschließlich im jüdisch-christlichen Kulturraum entfaltet. Denn beides ist ein Kind der Lehre von der Gottebenbildlichkeit jedes Menschen und der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus.  

Was neben diesen globalen Entwicklungen Milliarden von einzelnen Menschen an Trost, Kraft, Hoffnung und Freude aus ihrem Glauben an einen gütigen und barmherzigen Gott erfahren haben, der in Christus ein menschliches Antlitz angenommen hat, steht in keinem Geschichtsbuch, gehört aber ebenso zu dem, wie der christliche Glaube das Antlitz der Erde verändert hat. 

Neben diesen guten Auswirkungen gibt es natürlich – und das darf nicht verschwiegen werden – auch eine Negativgeschichte der Kirche. Was allerdings bei den Verächtern des Christentums, die nicht den Missbrauch von Religion, sondern Religion überhaupt verdächtigen, der treibende Grund für fast alles Schlechte in der Welt zu sein, immer wieder neu verwundert, ist, mit welch stupider Blindheit die grauenhaften Verbrechen übersehen werden, die kirchen- und glaubensfeindliche Regime an nicht zu zählenden Menschen verübt haben, angefangen mit der Französischen Revolution, die mit der Guillotine gewissermaßen den technisch perfekten Massenmord erfand, im 20. Jahrhundert vor allem durch den roten und braunen Terror in vielen Ländern der Erde. Spätere Generationen werden sicher nicht das Mittelalter, sondern das 20. Jahrhundert als eines der dunkelsten in der Geschichte der Menschheit bezeichnen.  

Dieser Hinweis entschuldigt selbstverständlich kein einziges der Verbrechen, die von Gliedern der Kirche oder im Namen der Kirche verübt wurden. Aber es ist unredlich, das Negative so in den Vordergrund zu rücken, dass das Positive, die weltverändernde Kraft von 2000 Jahren Christentum, gar nicht mehr wahrgenommen wird.  

Vielleicht fragen Sie nun, was all das mit dem heutigen Evangelium zu tun hat: Nun ja, ich habe versucht, an konkreten Beispielen zu zeigen, wovon Jesus im heutigen Gleichnis spricht. Der kleine Same des Reiches Gottes, gleichsam das Senfkorn, das in unsere Erde eingesät wurde, ist zunächst einmal Christus selbst. Er ist auch der Baum, der aus diesem Kleinsten unter den Körnern gewachsen ist und in dessen Zweigen unzählige Menschen wie die Vögel des Gleichnisses Zuflucht suchen.

Seit 2000 Jahren haben unzählige Glaubensboten in Seinem Auftrag die samenhaltigen Früchte dieses Baumes, nämlich den Glauben an Jesus Christus und Seine Frohe Botschaft, an verschiedensten Orten der Erde eingepflanzt. Seitdem wächst das Reich Gottes unaufhörlich: manchmal für alle sichtbar, manchmal auch unsichtbar; manchmal kann man das Reich Gottes geradezu mit Händen greifen, manchmal wirkt es verborgen allein in den Herzen der Menschen; manchmal erscheint es unter ausdrücklich christlichem Vorzeichen, manchmal auch in rein säkularem Gewand, so dass Christentum drin ist, auch wenn es nicht drauf steht.  

Viel aufgehenden und wachsenden Samen, viele Früchte bekommen wir nicht mit. Dieser Gottesdienst, den wir jetzt miteinander feiern – wenn wir wirklich da sind mit Leib, Seele, Herz und Geist – wird uns ein wenig verändert wieder heimgehen lassen in unseren Alltag. Unser gemeinsames Beten in dieser Feier und das persönliche Gebet verändert unsere Welt, weil Gott es irgendwo erhört und fruchtbar werden lässt, auch wenn wir selbst diese Frucht nicht sehen.  

Die Quintessenz der Gleichnisrede Jesu ist: Gott braucht einen jeden von uns, damit der Same seines Reiches ausgesät wird. Aber das Wachsen und Gedeihen, das besorgt Er, oft ohne dass wir es bemerken. Keines unserer Gebete, keine selbstlose Tat ist vergeblich, sondern verändert die Welt zum Positiven und ist ein Same für das Wachsen des Reiches Gottes mitten unter uns. Auch angesichts leerer werden Kirchen in unserem Land und zurückgehender Glaubenspraxis gibt es keinen Grund zu Mutlosigkeit und Resignation. Gott tut unendlich viel im Verborgenen, inkognito – auch in unserer Zeit.

 Pfr. Bodo Windolf

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