Predigt vom 22. Februar 2009

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:

"There`s probably no God - Wahrscheinlich gibt es keinen Gott"
Predigttext

7. Sonntag i. J. 2009    22.02.2009
(2 Kor 1,18-22; Mk 2,1-12)

„There`s probably no God. Now stop worrying and enjoy your life.“

„There`s probably no God. Now stop worrying and enjoy your life.“ „Wahrscheinlich gibt es keinen Gott. Also hört auf, euch Sorgen zu machen und genießt das Leben.“ Seit Januar ziert dieser Werbeslogan die berühmten Doppeldeckerbusse in London. Andere städtische Buslinien in England sowie in Spanien und Italien haben sich der Kampagne angeschlossen. Sie geht aus von der „Britischen Humanistischen Vereinigung“, einem Verein, der sich einen kämpferischen Atheismus auf die Fahnen geschrieben hat.

Angeregt wurde diese Aktion von der jungen atheistischen Journalistin Ariane Sherine. Eines Tages hatte auf einem Bus ihrer lokalen Linie 168 ein Bibelzitat geprangt: „Wird der Menschensohn, wenn er wiederkommt, wohl Glauben auf der Erde finden?“  Eine wohl eher fundamentalistische christliche Sekte wollte mit diesem Satz für den Glauben werben. Neugierig geworden, schaute sie sich deren Website an und las dort neben Werbung für den Glauben die Androhung ewigen Höllenfeuers für alle Ungläubigen. Aus Ärger über diese „unfrohe Botschaft“ organisierte sie eine Spendenaktion unter Atheisten, um endlich auch einmal mit einem atheistischen Slogan gegen die christlichen Sprücheklopfer anzugehen. Nach schleppendem Beginn kam die Aktion richtig in Fahrt, als der Autor des im übrigen auch von Atheisten als sehr dürftig beurteilten Bestsellers „Gotteswahn“, Richard Dawkins, eine erhebliche Summe beisteuerte. Dawkins hätte lieber schreiben lassen: „Es ist fast sicher, dass es Gott nicht gibt.“ Die Atheistenvereinigung beließ es dann aber doch bei dem „wahrscheinlich“. Immerhin muss auch Dawkins einräumen, dass man Gott „ebenso wenig ausschließen kann wie Feen und Einhörner“, ein Vergleich im übrigen, der die Plattheit seiner Einwände gegen Gott wohl noch einmal unterstreicht; denn die Frage nach der Existenz Gottes stellt sich ja nun doch auf einer fundamental anderen Ebene als die nach irgendwelchen Fabelwesen. 

Von allen Reaktionen auf diese Aktion haben mir die humorvollen am besten gefallen. Ein Kommentar lautete: Die Atheisten „scheinen sich ihrer Sache nicht besonders sicher zu sein.“ Andere begrüßten die Kampagne, weil sie Gott ins Gespräch bringe und der eigentliche Gegner des Glaubens nicht der Atheismus, sondern die Gedankenlosigkeit und Gleichgültigkeit sei. Andere freilich waren „not amused“ über die indirekte Behauptung, Glaube hindere die Lebensfreude und nur der Unglaube führe zum Lebensgenuss.

Mir persönlich gefällt die Kampagne gar nicht schlecht. Denn in der Tat bringt sie die Frage nach Gott vielleicht viel mehr ins Spiel als so mancher gut gemeinte, aber im Kontext eher deplazierte Bibelspruch, zumal, wenn ein solcher auf das Niveau von Werbesprüchen heruntergezogen und den Leuten gelegentlich auch um die Ohren geschlagen wird.

Außerdem gibt der Slogan tatsächlich jede Menge Stoff zum Nachdenken und Nachhaken, und das will ich einmal vor dem Hintergrund der heutigen Lesung tun. 

„Denn Gottes Sohn Jesus Christus … ist nicht als Ja und Nein zugleich gekommen; in ihm ist das Ja verwirklicht. Er ist das Ja zu allem, was Gott verheißen hat.“

Dieser kurze Satz aus der Feder des hl. Paulus – er gehört nebenbei bemerkt zu meinen Lieblingsstellen im Neuen Testament – zeigt: ein Grundwort unseres Glaubens ist das kleine Wörtchen Ja. Als Christen glauben wir an ein umfassenden Ja Gottes zur Welt und zur Schöpfung und zum Menschen insgesamt.

Der Glaube an dieses Ja Gottes färbt ab. Weil christlicher Glaube Ja sagt zu diesem, Mensch und Schöpfung bedingungslos liebenden Gott, sagt er zugleich Ja zum Menschen als solchen, ob geboren oder ungeboren, ob gesund oder krank, ob arbeitsfähig oder behindert, ob klug oder dumm, ob gut- oder bösartig, ob geistig klar oder dement. Kein Mensch darf von diesem Ja ausgeschlossen werden. Christlicher Glaube sagt darüber hinaus Ja zu einem letzten Sinn unseres Daseins; er sagt Ja zu einer Hoffnung, die über diese unsere Welt hinaus geht; er sagt Ja zum Leben, das stärker ist als der Tod.

Was aber sagt demgegenüber der Slogan „There`s no God“? Dieses Nein zu Gott kann nicht folgenlos bleiben für die Einstellung zu sich selbst, zum Leben, zum Mitmenschen. Man sieht es ganz konsequent aus der Folgerung, die der Werbespruch zieht: „Now stop worrying und enjoy your life.“

Frage: Ist das nicht blanker Zynismus? Natürlich, ein Volltreffer für die, die die Mittel haben, das Leben zu genießen. Aber was ist mit den andern, den Mittellosen, Sorgenvollen, vom Schicksal Gezeichneten? Wie mag`s ihnen gehen mit dieser salopp-gedankenlosen Aufforderung. Wer gut hineinhört in den Slogan, hört sofort mit: „.. und wenn du`s nicht genießen kannst, Pech gehabt! Aber was kümmert`s mich? Ich bin mir selbst der Nächste. Hauptsache, ich kann`s genießen. Und Hauptsache, man lässt mich mit diesem Dreinredner-Gott in Ruhe.“

In Ruhe gelassen werden wollen – das lädt ein, noch ein wenig tiefer hineinzuhören in den nur scheinbar so hochgemuten Werbespruch der angeblich so glücklichen Atheisten.

„Don`t worry! Stop worrying!“ Damit ist das Stichwort Ruhe/Unruhe gegeben. Es gibt eine Unruhe, die das Leben beeinträchtigt, stört und manchmal sogar zerstört. Aber daneben gibt es auch eine heilsame Unruhe, eine Unruhe, die uns aus der Bequemlichkeit des Hergebrachten, der Gewohnheit, des Oberflächlichen herausholen will in eine größere Tiefe. Im undifferenzierten „Stopp worrying“ muss also diese heilsame Unruhe mitgemeint sein. Die Aufforderung lautet demnach: Schieb sie weg, verdränge sie, kümmere dich nicht um sie! Fort mit dieser beunruhigenden Stimme, die gegen das reine Genießen des Lebens steht, weil sie dich herausholen will aus dem ewigen Kreisen um dich selbst, aus der Fixierung auf Geld und Genuss und das Materielle, die in dir selbst ruft, dass es mehr geben muss in deinem Leben; mehr als die kleine Münze Hoffnung auf ein gutes Frühstück morgen, auf einen tollen Urlaub im Sommer, auf ein wenig Glück in der Liebe, die aber doch irgendwann der Tod zerstört.  

Die Verfasser des Slogans kennen offensichtlich dieses „worrying“, diese innere Unruhe sehr gut, sonst hätten sie sie nicht erwähnt. Und weil sie sie kennen, weil sie, wahrscheinlich unbewusst, darin auch die eigene innere Stimme erkennen, die auf die Ursache dieser Unruhe hinweist – und die ist niemand anderer als Gott selbst, weil ohne Ihn das Entscheidende in unserem Leben leer, unerfüllt, sinnlos, eben zutiefst beunruhigend bleibt – deswegen wollen sie sie, diese furchtbare Unruhe, zum Schweigen bringen. Das Nein zu Gott treibt ganz konsequent das Nein, das „stop it!“ dieser Unruhe gegenüber aus sich hervor. Wenn man will, so kann man sagen dass die Atheisten es nicht versäumt haben, in ihren Slogan einen durchaus sehr eindrücklichen, geradezu existentiellen Gottesbeweis hineinzuverweben. Ihre Praxis beweist, was ihre Theorie leugnet. Welch eine Ironie, oder darf man sogar sagen: Welche Ironie Gottes selbst? 

„Unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in Dir“, so beschreibt der hl. Augustinus die wesentliche und tiefste Verfasstheit unserer menschlichen Seele. Er hat diese Unruhe erlebt und durchlitten und in langer Suche Den gefunden, der sie allein zu stillen vermag. Diesen langen Weg beschreibt er in seinen Confessiones. Und so gibt es nur zwei Möglichkeiten für jeden Menschen: Die Stillung der Unruhe zu suchen oder sie zu ersticken. Den zu suchen, nach dem sie sich, ob wir wollen oder nicht, ausstreckt, oder sie niederzuhalten, zu stoppen durch lauter Ersatz. Das Nein zur Hoffnung, das Nein zu einem letzten Sinn unseres Lebens, das Nein auch zu einer letzten Gerechtigkeit in einer Welt, die so voll himmelschreiender Ungerechtigkeit ist – das und noch viele weitere Neins sind der Preis für das Nein zu Gott. Dieses Nein verkleinert die Welt, weil es mich auf mich selbst zurückwirft, zur Selbstsucht einlädt, die Größe menschlichen Lebens und menschlicher Schicksale zu einer belanglosen Episode aus Genusssuche und am Ende Genusssucht verkommen lässt.

Im Gegensatz zu diesem Nein hat das geglaubte und gelebte Ja zu Gott eine wirklichkeitsaufschließende Kraft. Es erschließt den Mitmenschen als den, der meiner Sorge anvertraut ist, es erschließt Hoffnung, es erschließt Sinn auch da, wo vieles nur noch sinnlos erscheint, es erschließt Antworten auf die tiefsten Fragen unseres Daseins, es erschließt die Liebe als das Größte in unserem irdischen und im ewigen Leben.

„In Christus ist Gottes Ja verwirklicht. Er ist das Ja zu allem, was Gott verheißen hat.“ Dieser Satz atmet Weite, Hoffnung, Freude, Trost. Daher lautet die christliche Antwort auf die Londoner Doppeldeckerbusse: „Es gibt Gott. Er ist die Antwort auf deine Unruhe. Denn Er kann und wird sie stillen und mit seiner Freude erfüllen, wenn du ihn einlässt in dein Leben.“

 Pfr. Bodo Windolf

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