Predigt vom 1. Januar 2009

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:

"Weltfriedenstag
   – Kampf gegen die Armut und andere Voraussetzungen für den Frieden"
Predigttext

1. Januar 2009 – Hochfest der Gottesmutter Maria

Weltfriedenstag – Kampf gegen die Armut und andere Voraussetzungen für den Frieden

Seit 1968 begeht die katholische Kirche den ersten Tag des Jahres, das Hochfest der Gottesmutter Maria, als Weltfriedenstag.
Ich möchte beginnen mit einem kleinen Ausflug in die Geschichte.

Vor knapp 2 Monaten jährte sich zum 90. Mal das Ende des 1. Weltkrieges mit dem Waffenstillstand in Compiegne im November 1918. Die Niederlage Deutschlands und mit ihm die Mittelmächte wurde ein Jahr später im sog. „Friedensvertrag von Versaille“  auf brutalstmögliche Weise verdeutlicht. Ich spreche von einem sogenannten Friedensvertrag, weil er den Keim des nächsten Krieges schon in sich trug, wie z.B. Thomas Mann hellsichtig in seinem Tagebuch vermerkte: „Der nächste Krieg steht schon vor der Tür, das fühlt man, auch ohne zu wissen, wer ihn führen wird.“ Er beinhaltete ein Äußerstes an Demütigung eines ganzen Volkes: riesige Gebietsabtretungen, schier unbezahlbare Reparationszahlungen, alleinige Schuldzuweisung – all das sollte sich rächen im zweiten von Deutschland ausgehenden Krieg. Unter anderem war es wohl auch die Rache für die Demütigung, die Frankreich einige Jahrzehnte zuvor nach der Niederlage im deutsch-französischen Krieg von 1871 hatte erdulden müssen. Versaille hat sicher nicht zwangsläufig, aber doch mit einer inneren Logik zu der zweiten, noch größeren Katastrophe für unser Land und die ganze Welt geführt. Das festzustellen schmälert sicher nicht die Schuld, die mit dem Lostreten des 2. Weltkriegs durch unser Volk verbunden ist. Aber man sieht sehr deutlich, dass Friede weitaus mehr ist als das Schweigen der Waffen, dass er auf verschiedenen Voraussetzungen beruht, ohne die er keinen Bestand hat. Eine davon ist die Gerechtigkeit und der Respekt auch vor einem gegnerischen Volk.

In Europa hat man diese Lektion wohl gelernt, und ein Zweites: aus der Erfahrung zweier an Grausamkeit kaum mehr zu überbietender Weltkriege ist für uns Heutige Friede eines der kostbarsten Güter geworden. Es ist eine Grundüberzeugung, die wir mit so gut wie allen Menschen Europas teilen: Krieg als Fortführung der Politik mit anderen Mitteln ist in Deutschland und in Europa seit dem letzten Krieg keine Option mehr. Eine Ausnahme bildet eine kriegerische Intervention, wo ein Genozid droht, wie wir es zuletzt im Kosovo erlebten. Wenn man in andere Weltgegenden blickt, sieht man, wie wenig selbstverständlich das ist; so etwa im Heiligen Land, wo bestimmte Gruppen wie die Hamas alle Bemühungen um Frieden, ja jedes kleinste Pflänzchen eines „drohenden“ Friedens zu vereiteln suchen.

Allerdings war dies in Europa nicht immer so. Denken wir nur daran, wie man europaweit in den schon erwähnten 1. Weltkrieg zog. Selbst ein so großer Schriftsteller wie der vorhin zitierte Thomas Mann begrüßte zusammen mit vielen anderen Intellektuellen seiner Zeit den „Großen Krieg“, wie er ihn nannte. In einem Brief an seinen Bruder Heinrich bezeichnete er ihn als einen „grundanständigen, ja feierlichen Volkskrieg“, den er für notwendig hielt, weil die Welt faulig und dekadent vor lauter Materialismus und Komfort geworden sei. Von einem militärischen Sieg Deutschlands erhoffte er sich einen Sieg „des deutschen Geistes“, der „deutschen Kultur und Zucht“. Er träumte von einem deutschen Europa. Ähnlich dachte man übrigens in den anderen am Krieg beteiligten Ländern. Natürlich nicht im Sinne von: Am deutschen Wesen soll die Welt genesen, sondern gemäß der eigenen nationalen Überzeugungen und oftmals absurden Verklärungen. Es ist für uns Heutige nicht mehr nachvollziehbar und sicher nur aus der damaligen Zeit zu verstehen, mit welcher Begeisterung für die nationale Sache man zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den Krieg zog. Und genau so wenig ist nachvollziehbar, mit welcher Bestialität man in Europa aufeinander schoss, wie Christen aufeinander schossen, mit welcher Verblendung, mit welchem nationalen Fanatismus. All das ist noch nicht so lange her, was wir bedenken sollten, wenn wir uns darüber wundern, wie sich heute z.B. im Irak Moslems gegenseitig bekämpfen und massakrieren.

Dass Friede mehr ist als nur das Schweigen der Waffen, dass Friede auf verschiedensten Voraussetzungen beruht, hat Papst Benedikt einmal mehr in seiner diesjährigen Botschaft zum heutigen Weltfriedenstag betont. Sie steht unter dem Motto: Die Armut bekämpfen, den Frieden schaffen. Er sieht in der Armut ganzer Völker den Keim des Krieges enthalten, wobei er aber Armut nicht nur als ein materielles Problem ansieht. Es gibt einige markante Formulierungen in seiner Botschaft zum Weltfriedenstag, die ich wiedergeben möchte. So stellt er neben die absolute Armut von Milliarden von Menschen die relative Armut, d.h. das immer größere Gefälle zwischen den ganz Reichen und den Ärmeren, die immer größer werdende Armutsschere innerhalb vieler Länder und zwischen den Völkern. Eine Ursache sieht er in einem immer kurzfristigeren Denken des Finanzwesens. Erst jetzt sind wir Zeugen eines Bankencrashs geworden, der letztlich zurückzuführen ist auf die unbegrenzte Gier und Verantwortungslosigkeit zu vieler Beteiligter. Für die schnelle Rendite bleibt ein gesundes und vor allem auch dem Allgemeinwohl verpflichtetes Wirtschaften mehr und mehr auf der Strecke. Hier sieht er den Staat in der Verantwortung, rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die diese Art von raubkapitalistischem Finanzgebaren zu verhindern suchen.

Das Heil sieht er dabei durchaus nicht in einer undifferenzierten Wohlfahrtspolitik, die meint, die Probleme durch eine reine Umverteilung des Vermögens der Reichen an die Armen zu lösen. Eine solche Strategie ist für ihn platte Illusion und sogar häufig Ursache des Scheiterns von Hilfsmaßnahmen, dann nämlich, wenn die Wohlfahrtspolitik nicht ergänzt wird durch entsprechende Ausbildung der von Armut betroffenen Menschen sowie die Förderung einer Kultur der Eigeninitiative, die die Hilfe zur Selbsthilfe beinhaltet.

Außerdem brandmarkt er eine Armutsbekämpfung ohne ethische Grundsätze und sieht auch sie auf Dauer zum Scheitern verurteilt. Weltweit gibt es starke gesellschaftliche und politische Kräfte, die die Armut v.a. für ein demographisches Problem halten und daher das Recht auf Abtreibung Ländern aufzwingen wollen und auch wirtschaftliche Unterstützung davon abhängig machen. Dazu schreibt er: „Die Vernichtung von Millionen ungeborenen Kindern im Namen der Armutsbekämpfung ist in Wirklichkeit eine Eliminierung der Ärmsten unter den Menschen.“ Wer so handelt, betreibt das Handwerk des Teufels, nicht das der Gerechtigkeit.

Gelingen wird das und weiteres, was er ausführt, nur durch eine „vorrangige Liebe für die Armen“ und durch eine Kultur der Solidarität. Und so schließt er mit den Worten: „Die Armut bekämpfen heißt den Frieden schaffen.“

Manchem von uns mag immer wieder das Gefühl überkommen: Ja, aber was kann denn ich als Einzelner angesichts des ganzen Elends in der Welt ausrichten? Natürlich, niemand von uns kann alle Not in der Welt beseitigen, aber was jeder kann, ist, ein klein wenig von dieser Not, und mag es noch so geringfügig scheinen, zu lindern. Eigentum, Wohlstand erfüllt seinen Zweck nicht einfach, indem man ihn in erster Linie für sich selbst genießt, sondern verpflichtet, verpflichtet zur Solidarität mit denen, die arm sind – das ist einer der zentralen Grundsätze der katholischen Soziallehre. Nach dem Maß unseres Vermögens – und es darf durchaus auch ein wenig weh tun – irgendwo auf der Welt Not lindern zu helfen, das kann jeder von uns. Niemand von uns ist schuldig am Elend in der Welt. Aber wir können schuldig werden, wenn wir nicht das beseitigen helfen, was uns möglich ist, um so auch auf diese Weise dem Frieden in der Welt dienen.

Am Hochfest der Gottesmutter Maria möchte ich schließen, indem ich mich an sie wende und ihre Fürsprache erbitte für alle Armen dieser Welt, aber auch für die Reichen, dass diese ihr Herz weich machen, um die Not anderer zu sehen und ihr nach Vermögen abzuhelfen.

 Pfr. Bodo Windolf

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