Predigt vom 11. Mai 2008 (Pfingsten)

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:

"Der Heilige Geist in der Dreifaltigkeitsdarstellung des Jakobuskirchleins in Urschalling "
Predigttext

Pfingsten 2008

Der Heilige Geist in der Dreifaltigkeitsdarstellung des Jakobuskirchleins in Urschalling 

„Zungen wie von Feuer erschienen, verteilten sich und alle wurden mit Heiligem Geist erfüllt.“ „Keiner kann Sagen: Jesus ist der Herr!, außer im Heiligen Geist.“ „Dann hauchte er sie an und sprach: ‚Empfangt den Heiligen Geist!“.

Drei Aussagen aus den soeben gehörten Lesungstexten über diesen Geheimnisvollen, den wir den Heiligen Geist nennen. Wer ist Er? Die hl. Schrift beschreibt Ihn in Bildern wie Feuer, Hauch, Atem, Wind, Sturm, sowie durch Seine Wirkungen. Denn Er weckt in uns den Glauben, betet in uns, hilft uns, Jesus als Herrn, als Kyrios zu bekennen, erfüllt uns mit Kraft, Stärke, Weisheit, Rat, Einsicht und Frömmigkeit, wenn wir Sein Wirken zulassen, durch Ihn ist die Liebe Gottes eingegossen in unsere Herzen.

All das ist gut und schön. Aber kann es gelingen, jenseits all dieser aufgezählten Bilder und Wirkweisen eine Vorstellung vom Heiligen Geist zu bekommen? Ist Er nur ein Etwas, eine Kraft, die von Gott ausgeht und in uns ihr Werk tut? Oder ist Er zugleich ein JEMAND. Ist Er nur so etwas wie eine antlitzlose Energie, oder hat Er ein Antlitz, eine Gestalt, Personalität?

Mit Sicherheit kann man sagen, dass sich uns Seine Personalität nicht so aufdrängt wie die des Vaters und des Sohnes im Dreifaltigen Gott. Es scheint, als liebe der Heilige Geist die Verborgenheit. Er ist wie das Licht, das selber nicht gesehen wird, aber uns die Dinge sehen lässt. So will auch Er selbst gar nicht so sehr gesehen werden als vielmehr uns den Sohn sehen, erkennen und vor allem bekennen lassen, und durch den Sohn den Vater.

Diese weitestgehende Antlitzlosigkeit des Heiligen Geistes hat sich auch in der christlichen Ikonographie niedergeschlagen. In menschlicher Gestalt und mit menschlichem Antlitz kennen wir Darstellungen von Gottvater und natürlich von Jesus Christus, dem Sohn, vom Heiligen Geist aber, wenn überhaupt, dann nur innerhalb einer Darstellung des Dreifaltigen Gottes. Allein für sich darf Er seit einer Entscheidung Papst Benedikts XIV. aus dem Jahr 1745 nur als Taube dargestellt werden.

Ansonsten liebte besonders das Mittelalter und bis heute die orthodoxe Kirche die Darstellung des Dreifaltigen Gottes in der Weise dreier gleich aussehender Gestalten, die an die alttestamentliche Begegnung Abrahams mit den drei Engeln erinnert.

Eine besonders schöne und eindringliche Darstellung dieser Art können wir im Jakobuskirchlein zu Urschalling bei Prien am Chiemsee bewundern. Hier sehen wir drei menschliche Gesichter, deren Heiligenscheine ineinander übergehen und deren übrige Gestalt umhüllt ist von einem einzigen Mantel, was alles auf die Einheit der drei göttlichen Personen hinweisen will.

Am auffälligsten und ungewöhnlichsten ist allerdings die mittlere Gestalt, denn sie trägt deutlich weibliche Züge. Diese mittlere Gestalt zwischen Vater und Sohn ist der Heilige Geist, wobei die meisten Kunsthistoriker heute davon ausgehen, dass die Interpretation, der Heilige Geist werde hier als eine Frau dargestellt, abzulehnen ist. Dennoch fallen die femininen Züge dem Betrachter unmittelbar ins Auge. Was mag sich der Künstler dabei gedacht haben? Sicher ist es nicht abwegig zu sagen, dass er damit hat ausdrücken wollen, dass Gott in unendlicher Fülle auch all das in sich vereint, was wir auf Erden als das Weibliche, Frauliche, Mütterliche erfahren.

Während in der Schöpfung das Abbild Gottes in der Differenz von Mann und Frau existiert und auseinandertritt, ist in Gott alles in unendlicher Fülle eins. An verschiedensten Stellen in der hl. Schrift treten diese fraulich-mütterlichen Züge Gottes auch deutlich hervor, zumal im Heiligen Geist. Denn das hebräische Wort für Geist, ruah, ruahist zwar nicht durchgehend, aber doch meist mit dem weiblichen Artikel versehen. Die ruah ist die Weise, wie Gott, wie Jahwe in Seiner Schöpfung gegenwärtig ist. Er ist die personifizierte Liebe und Nähe Gottes. Jesus nennt Ihn den Beistand, den Helfer, den Tröster. Wenn Paulus im Römerbrief (5,5) schreibt: „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“, wenn er nicht müde wird, an mehreren Stellen die Einwohnung des Heiligen Geistes in unserem Leib zu betonen – denn unser Leib, wir als Getaufte – sind „Tempel des Heiligen Geistes“, dann zeigt das überdeutlich: der Heilige Geist steht für die unüberbietbare Liebe und Intimität, mit der Gott einem jeden von uns nahe sein möchte. Nähe, Geborgenheit, tröstende Worte und tröstende Gesten, mitfühlendes Helfen – all das sind Daseinsweisen, die wir als die besonderen Stärken der Mutter, der Großmutter, einfachhin der Frau ansehen.

Und so erscheint es mir, inspiriert durch die Darstellung in Urschalling, als legitim, uns den Heiligen Geist auch und gerade im Bild einer Mutter vorzustellen, die ihr Kind an ihr Herz drückt, es zärtlich streichelt und tröstet, ihm gute Worte ins Ohr flüstert; oder auch im Bild einer Frau, die am Krankenbett eines siechen oder alten Menschen ausharrt, sorgend, pflegend, bettend, betend, begleitend. Nicht zufällig waren die Hospize und Krankenhäuser des Mittelalters so gut wie alle dem Heiligen Geist geweiht. In der Regel waren es Heilig-Geist-Kapellen oder –Kirchen, die zu solch einer Einrichtung barmherziger Liebe und Pflege gehörten.

Diese Überlegungen sollten nicht dazu führen – wie es beispielsweise in der feministischen Theologie fast üblich geworden ist – von der „Heiligen Geistin“ zu sprechen. Dafür haben wir in der hl. Schrift keinen Anhaltspunkt. Denn das Neue Testament benutzt etwa im Johannes-Evangelium an der Stelle, an der Jesus vom Heiligen Geist spricht, den männlichen Artikel, obwohl das griechische Wort für Geist – pneuma – von Haus aus Neutrum ist. So wie Gott selbst ist natürlich auch der Heilige Geist weder männlich noch weiblich, sondern, wie gesagt, ist in Ihm beides eins. Aber gerade der mütterliche Aspekt kann vielleicht einen tieferen Zugang zum Wesen des Heiligen Geistes erschließen, der uns oft so fremd vorkommt.

In diesem Sinn wünsche ich uns allen und der Kirche unserer Zeit insgesamt an diesem Pfingstfest die Gabe des Heiligen Geistes. Er möge uns mit Seinem Beistand und Trost, mit Seiner überbordenden Kraft und Liebe erfüllen.

 Pfr. Bodo Windolf

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