Predigt vom 20. März 2008 (Gründonnerstag)

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:

"Den Kelch unseres Daseins - nehmen - darreichen - verwandeln lassen"
Predigttext

Gründonnerstag 2008

Den Kelch unseres Daseins – nehmen – darreichen – verwandeln lassen 

An jedem Donnerstag des Jahres und insbesondere am Gründonnerstag kann in unserer Pfarrei die hl. Kommunion unter beiden Gestalten empfangen werden und wird daher auch der Kelch mit dem Blut Christi gereicht. Über den Kelch und seinen Sinngehalt möchte ich daher einmal ein wenig nachdenken.  

Kelch- (bzw. Becher-)worte begegnen uns nicht nur im Abendmahlssaal, sondern an vielen Stellen des Alten und Neuen Testaments. Einige, allerdings nicht allzu viele, sprechen sinngemäß von einem Kelch der Fülle, der Freude, des Heils, des göttlichen Segens. So z.B. Ps 23: „Du deckst mir den Tisch … du füllst mir reichlich den Becher.“

Wesentlich häufiger ist seltsamerweise vom Kelch des „Zornes“, des „Zornes Gottes“ über das Böse in der Welt, die Rede. So beim Propheten Jesaja: „Du hast aus dem Becher des Zorns getrunken, den der Herr in der Hand hielt“ (Jes 51,17); oder Ps 75: „Ja, in der Hand des Herrn ist ein Kelch, herben, gärenden Wein reicht er dar; ihn müssen alle Frevler der Erde trinken, müssen ihn samt der Hefe schlürfen.“ Genau die gegenteilige Aussage aber macht Jesaja an anderer Stelle. Dort heißt es: „Schon nehme ich dir den betäubenden Becher aus der Hand, den Kelch meines Zorns; du sollst daraus nicht mehr trinken.“

Wiederum im Markus-Evangelium hören wir, nachdem Johannes und Jakobus gerade um die ersten Plätze im kommenden Reich Jesu gebeten hatten, aus dessen Mund die Frage: „Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke …?“ Ihre spontane, eher unüberlegte Antwort: „Ja, wir können es“ (Mk 10,38f). Sie wissen wohl nicht, was sie hier gesagt haben. Natürlich spielt Jesus hier auf den Kelch seines Leidens an. Und um diesen Kelch geht es noch einmal im Ölbergsgarten, als er den Vater bittet: „Abba, Vater, alles ist dir möglich. Nimm diesen Kelch von mir. Aber nicht, was ich will, sondern was du willst“ (Mk 14,36).

All diese Worte finden ihre Zusammenfassung und Erfüllung im Kelchwort aus dem Abendmahlssaal, das sich seitdem in jeder Eucharistie wiederholt: „Nach dem Mahl nahm Jesus den Kelch mit Wein, dankte wiederum, reichte den Kelch seinen Jüngern und sprach: ‚Nehmet und trinket alle daraus, das ist der Kelch – (der neue Kelch) – des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden’“ (vgl. Mk 14,23f). 

Ich will einmal versuchen, die tiefe Symbolik, die in den Worten und Gesten dieser eucharistischen Handlung enthalten ist, auszudeuten. 

Den Kelch möchte ich verstehen als ein Sinnbild für das Leben, unser Leben, unser gesamtes Dasein. Gefüllt wird dieser Kelch des Lebens eines jeden Menschen sowohl mit dem „Wein der Freude“ wie auch dem „Wein des Leides“. Denn es gibt keine menschliche Existenz, in der es nicht Freude, aber auch Schmerz gibt.

Für beides steht dieses kostbare Getränk. Gewonnen aus in der Kelter getretenen, bis zum letzten Tropfen ausgepressten und in einem langen Gärungs- und Reifungsprozess zu Wein gewordenen Trauben steht er für alle Mühsal, Drangsal, für allen Schmerz unseres menschlichen Daseins.

Kredenzt zu den Festen unseres Lebens steht er aber auch für die Freude des Daseins. So darf also in dem Kelch, den die Ministranten nachher zum Altar bringen, den der Priester in seine Hände nimmt und heute austeilen wird, jeder von uns gleichsam sich selbst, sein Leben in der Vielfalt des persönlichen Schicksals erkennen.

Von hier aus möchte ich nun mehrere Grundgesten oder Grundakte bedenken,  die sich in jeder Feier der Eucharistie aufs neue vollziehen und die zeigen wollen, wie wir unser Leben, den „Kelch unseres Daseins“ leben sollen, damit es zum Segen wird. Diese Grundakte sind das Nehmen, Danken, Verwandeln, Darreichen, Trinken.

Das Nehmen: Den Kelch des eigenen Daseins nehmen, annehmen, wie der Priester den Kelch in die Hand nimmt: die eigene Geschichte, das persönliche Schicksal, das Freudvolle, aber auch das Bittere, das Gelungene und das Gescheiterte. Oft ist dieses Annehmen-Können und Annehmen-Lernen ein sehr langer Prozess. Aber nur durch eine solche Annahme hindurch kann Erlösung geschenkt werden – so wie Jesus selbst im Ölberggarten nach furchtbarem innerem Kampf den Kelch seines Leidensweges angenommen und für uns zum Weg der Erlösung gemacht hat.

Das Danken: Das Danken fällt nicht schwer, wenn es um Schönes geht. Wir vergessen es höchstens immer wieder, weil wir es zu selbstverständlich nehmen.

Das Danken ist begleitet von der Geste des Emporhebens:  Das eigene Leben, Erleben, Sich-Freuen und Leiden immer wieder emporheben zu Gott, ihm hinhalten, gleichsam mit den Worten: „Schau, dies ist der Kelch meines Daseins. Dir bringe ich es dar. Dir bringe ich mich dar mit allem, was ich habe und was ich bin. Du hast es mir geschenkt. Das Schöne mir zur Freude, das Schwere mir zur Reifung. Nimm es an, nimm mich an, dieses mein Leben mit dem Guten, aber auch mit meiner Schuld. Nimm es an als Dankopfer, denn Du allein kannst es verwandeln in eine letzte und endgültige Vollendung.“

Verwandlung: Jesaja hatte in einem der zitierten Worte geschrieben: „Du sollst aus dem Kelch des Zornes nicht trinken.“ Warum das? – Weil es ein anderer für mich getan hat. Der Kelch, den Jesus trinkt, ist der Kelch des Gerichts Gottes über alle verweigerte, zertretene, verratene, erloschene Liebe dieser Welt. Die echte und wahre Liebe, die Gott in Person ist,  kann darüber nicht gleichmütig hinwegsehen, ohne Mitgefühl für die Opfer verweigerter Liebe. Aber diese Liebe Gottes, die uns in Christus leibhaft erschienen ist, trinkt den Kelch des Bösen selbst aus, bis zur untersten Hefe, für uns, für mich, für alle Menschen. So wird der „Kelch des Zorns“ gewandelt in den „Kelch des Segens“, in den Kelch der verwundeten Liebe Gottes, in das Blut Christi, das er für uns vergossen hat zur Vergebung unserer und darin meiner Schuld.

Hier ist der Ort, wo auch Wandlung und Verwandlung meiner selbst möglich wird, durch das Darreichen und Trinken: Diese Geste des Schenkens, des Sich-selbst-Schenkens, ist die Ur-Geste Gottes. Sein Geschenk im Glauben, im Vertrauen, in echter Liebe entgegenzunehmen und die in diesem Kelch enthaltene Liebe Christi zu trinken, das will uns mithineinziehen in jenen Verwandlungsprozess, der darauf hinzielt, dass auch ich mich darreiche, andere trinken lasse an all dem, was ich zu schenken vermag, wenn ich geformt bin und mich habe formen lassen von der Liebe, die der Kelch des neuen und ewigen Bundes enthält, den Christus mir vom Altar aus reicht.

 Pfr. Bodo Windolf

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