Predigt vom 2. März 2008 (4. Fastensonntag)

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:

"Der Weg des Glaubens als ein Weg zum Licht"
Predigttext

4. Fastensonntag A 2008

Der Weg des Glaubens als ein Weg zum Licht

Dieses lange Evangelium markiert schon seit der frühesten Zeit der Kirche eine der Stationen, die die Katechumenen, also Taufbewerber auf ihrem Weg zur Taufe in der Osternacht zurückzulegen hatten. Welchen inneren Bezug zur Taufe dieses Evangelium hat, will ich versuchen, nachzuzeichnen.

Niemand von uns kann sich vorstellen, was es bedeutet, in ununterbrochener Nacht zu leben. Aber genau das ist das Schicksal eines Blindgeborenen. Wie groß muss die Sehnsucht sein, einmal zu sehen, wovon er nur gehört hat: den blauen Himmel, die leuchtende Sonne, einen blühenden Baum, die Pracht der Blumen, die Schönheit einer Landschaft, das lächelnde Gesicht eines Menschen.

Für uns ist Sehenkönnen eine pure Selbstverständlichkeit, für einen Blindgeborenen wäre es die Gnade seines Lebens.

Genau diese Gnade wird dem Blindgeborenen des heutigen Evangeliums aus heiterem Himmel zuteil. Doch dieses neue Glück wird nicht einmal erwähnt, denn es geht dem Evangelisten um etwas ganz anderes. Was ihm widerfährt, ist nur der Anfang eines Sehendwerdens, das ab jetzt auf einer ganz neuen Ebene stattfindet, auf einer Ebene, die das physische Sehen weit überragt.

Gehen wir der Reihe nach vor. Im ersten Vers heißt es: „Jesus sah einen Mann, der seit seiner Geburt blind war.“ Was sah Jesus? Offensichtlich dasselbe und doch etwas völlig anderes als die Jünger, die zugegen sind. Diese sehen irgendjemanden, der für sie gleichsam ein „Fall“ ist; der Fall eines Menschen, der entweder selbst gesündigt hat oder die Strafe für die Sünden seiner Eltern trägt. Sie sehen nicht diesen Menschen da, der sein Leben lang unter einer schweren Behinderung gelitten hat, sondern sie sehen eine vermutete Sünde, den Menschen aber nur als Beispiel dafür, dass jeder Sünde die verdiente Strafe auf dem Fuße folgt.

Diese Weise zu sehen weist Jesus entschieden zurück. Er sieht hier nicht das Fallbeispiel eines ehernen Gesetzes der Vergeltung, sondern einen Menschen in seiner Not. Er fragt nicht lange, sondern handelt.

Doch dann geschieht das Entscheidende, für das das Geschenk des Lichts für die leiblichen Augen nur der Anstoß war; der Anstoß für einen Prozess, an dessen Ende der Mann ein noch viel größeres Licht empfängt. Es liest sich geradezu spannend, wie der Evangelist diesen Prozess Schritt für Schritt nachzeichnet. Es ist ein innerer Prozess, der hier stattfindet, der in Gang gehalten wird gerade durch die widrigen Umstände, denen der Blindgeborene sich auf einmal ausgesetzt sieht.

Wie oft mag er sich ausgemalt haben, wie schön es wäre, sehen zu können? Nun kann er es, aber sieht sich unversehens einer Welt voller Misstrauen, Neid, Feigheit, Intrigen und Verhören ausgesetzt. Kein Interesse an ihm selbst, keinerlei Mitfreude, dass er sehen kann; hin und her wird er geschoben, um ihn als Fallstrick für einen anderen zu benutzen; und weil er sich dazu nicht hergeben will, wird er schließlich sogar aus der Synagoge ausgestoßen.

Doch über all diesem Geschehen kommt er zum Nachdenken über den, dem er seine Heilung verdankt. Und er sieht von Mal zu Mal klarer. Seinen Nachbarn und Bekannten, die ihn nach seinem Heiler fragen, sagt er nur: es war „der Mann, der Jesus heißt“.

Die Auskunft befriedigt nicht, so reicht man ihn weiter an die Pharisäer, die Experten in solchen seltsamen Angelegenheiten. Ihnen gegenüber ist er schon einem Schritt weitergekommen: „Er ist ein Prophet“, bekennt ihr vor ihnen. Als man aber im Verlauf des Verhörs allerlei Anschuldigungen gegen Jesus vorbringt, lässt er sich seinen inneren Blick nicht vernebeln. Vielmehr wird ihm immer deutlicher: „Wenn dieser Mensch nicht von Gott wäre, hätte er gewiss nichts ausrichten können.“ Jesus ist „von Gott“, das weiß er nun und glaubt es gegen alle Anfeindungen, auch um den Preis seiner Exkommunikation durch den Hinauswurf aus der Synagoge.

Den letzten Schritt im Glauben aber tut er, als er Jesus noch einmal begegnet. Dieser fragt ihn ganz direkt: „Glaubst du an den Menschensohn?“ Er ist voll innerer Bereitschaft: „Wer ist das, Herr?“ „Du siehst ihn vor dir; er, der mit dir redet, ist es.“ Und nun das spontane Bekenntnis des Geheilten: „Ich glaube, Herr, Kyrios“, begleitet von der Geste des Sich-Niederwerfens.

Jetzt erst ist die Heilung vollendet. Er ist vom Unglauben zum Glauben an Jesus, den Herrn, den Kyrios, den Messias, den Sohn Gottes gelangt.

Und dieser Weg war der Weg zu einem ganz neuen, noch wichtigeren Licht, als es das Augenlicht ist.

Unzählige Menschen haben ihren Weg zum Glauben, ihren Weg des Glaubens, ihren Weg vielleicht auch zu einem wiederentdeckten Glauben als einen Weg zum Licht erfahren.

Dieses Licht ist Christus selbst, wie wir Ihn haben sagen hören: „Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt.“ Das Empfangsorgan dieses Lichtes ist der Glaube. Wo dieses Licht fehlt und wo die Augen des Glaubens fehlen, die dieses Licht zu empfangen vermögen, drohen Menschen in ihrer Seele zu erblinden. Wobei es ein Glaube sein muss, der überformt ist durch die Liebe. Glaube ohne Liebe – das demonstrieren die Pharisäer – macht fanatisch und führt dazu, statt eines Menschen in seiner Not nur noch die Übertretung eines Gesetzes zu sehen.

Aber wer liebend glaubt und glaubend liebt, der sieht die Welt ganz neu. Er sieht Gott, wo andere nur Zufall am Werk sehen. Er sieht Sinn in seinem Leben, Sinn auch im Leiden, wo andere nur Absurdität wahrnehmen. Er sieht die Not anderer und sieht, wie er zu helfen vermag, wo andere vorbeischauen.

Zu einem solchen Glauben, der auf überwältigend neue Weise sehend macht, will uns das heutige Evangelium hinführen. Nicht bei jedem verläuft der Weg so geradlinig wie bei dem Blindgeborenen. Viele gehen ihren Glaubensweg mit so manchen Rückschritten und Umwegen. Aber wichtig ist, überhaupt auf dem Weg zu sein, sich auf ihn einzulassen, damit wir nicht sehend blind sind, wie Jesus zum Schluss des Evangeliums sagt, sondern Gott und die Welt und uns selbst immer klarer und tiefer zu sehen vermögen im Licht Jesu Christi mit den Augen des Glaubens.

 Pfr. Bodo Windolf

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