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Prediger:
Kaplan Claus Bayer,
St. Severin
Garching
Thema:
"Licht, das
in der Finsternis leuchtet" |
Kaplan Bayer: Predigt
zum 1. Weihnachtstag 2007
Liebe Mitchristen!
Im Evangelium, das wir
soeben gehört haben, scheint das Liebenswerte und Vertraute der Geburt Jesu
entrückt in die unfassbare Größe des Geheimnisses. Da ist nicht die Rede von
Mutter und Kind, von Hirten und Schafen oder vom Gesang der Engel, die den
Menschen den Frieden verkünden.
Dennoch gibt es Gemeinsames zwischen den Erzählungen der Geburt Jesu und dem
Beginn des Johannesevangeliums: Auch das heutige Evangelium spricht vom Licht,
das in der Finsternis leuchtet; von der Herrlichkeit Gottes, die wir im
fleischgewordenen Wort anschauen können; vom Herrn, der in sein Eigentum kam,
aber von den Seinen nicht aufgenommen wurde. Mitten durch die
geheimnisvoll-großen Worte hindurch wird so mit einem Mal der Stall sichtbar, in
dem Jesus geboren wurde, weil in der Herberge kein Platz mehr war.
So zeigt ein genaueres Hinhören, dass das Evangelium des 1. Weichnachtstages von
nichts anderem redet als dasjenige der Heiligen Nacht. Dass alle Evangelien ein-
und dasselbe verkünden. Sie gehen es nur von verschiedenen Seiten her an:
Lukas und Matthäus erzählen die irdische Geschichte und verweisen von dort her
auf die verborgene Gegenwart Gottes im Kind in der Krippe. Der Evangelist
Johannes, dessen Symbol der Adler ist, setzt ein bei der Betrachtung des
göttlichen Wortes, das in unsere Welt gekommen ist.
Es ist kein Zufall, dass der Eröffnungshymnus des Johannesevangeliums seit
ältesten Zeiten zur Weihnachtsliturgie gehört. Denn er enthält den Satz, der den
Grund unserer Freude, den eigentlichen Inhalt des Festes, angibt: „Das Wort
ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“.
Wir feiern an Weihnachten also nicht die Geburt eines
großen Mannes. Wir feiern auch nicht einfach das Geheimnis des Kindseins.
Sicherlich, der Anfang neuen Lebens ist Grund zur Freude. Aber wenn wir heute
nichts anderes begehen würden als die Idylle des Kindseins, dann bliebe bei
genauerem Hinsehen auch von dieser Idylle nicht viel übrig. Denn alles irdische
Leben ist dem Gesetz von Werden und Vergehen unterworfen; und so müssten wir uns
am Ende fragen, ob es wirklich ein Glück ist, geboren zu werden, wenn dies doch
nur zum Sterben führt.
Deswegen ist es so wichtig, das hier
mehr geschehen ist: „Das Wort ist Fleisch geworden.“ Dieses Kind ist
nicht nur Mensch, sondern Gottes Sohn.
An Weihnachten ist das Unausdenkbare, und doch auch immer
wieder Ersehnte geschehen: Der ewige Sinn der Welt ist so zu uns gekommen, dass
wir ihn erreichen, ihn berühren können. Denn das griechische Wort „Logos“
bedeutet nicht nur „Wort“, sondern auch „Sinn“. Johannes will damit sagen:
Nichts ist zufällig oder sinnlos, weil Gott alles durch sein sinnstiftendes Wort
ins Dasein gerufen hat. Dieser göttliche Sinn ist keine allgemeine Idee, die in
der Welt drinsteckt. Er ist ein Wort, eine Anrede an uns. Er ist jemand, der uns
kennt, der uns ruft und uns ewiges, unverlierbares Leben verheißt. Er ist der
Sohn Gottes, der ein Kind geworden ist, ohne aufzuhören, Gott zu sein.
Passt das überhaupt zu Gott, ein Kind,
ein Mensch zu sein? Vielen Menschen, irgendwie uns allen, erscheit das zu schön,
um wahr zu sein. Wir tun uns ja überhaupt schwer zu glauben, dass Wahrheit schön
sein kann. Zeigt nicht die Erfahrung, dass Wahrheit am Schluss meistens grausam
und niederschmetternd ist? Wo sie es einmal nicht ist, da wird so lange
herumgebohrt und herumkritisiert, bis wir mit unserer Vermutung doch wieder
Recht behalten. Das scheint überhaupt ein Grundzug unserer Zeit zu sein. Von den
bildenden Künsten, von Literatur und Theater, wurde einst erwartet, im Dienst
des Wahren, Schönen und Guten zu stehen.
Das hat sich gründlich geändert. Es geht meist darum, zu entlarven, aufzudecken,
zu enthüllen. Das Gute ist nur scheinbar gut, das Anständige nur scheinbar
anständig. Hinter dem schönen Schein, so will es der Zeitgeist, da verbergen
sich in Wirklichkeit die Abgründe menschlicher Leidenschaft und Machtgier. Kaum
ein Film, ein Buch, ein Zeitungsartikel, die nicht von dieser pessimistischen
Grundstimmung geprägt wären. Die Begegnung mit der Wahrheit baut nicht mehr auf,
sondern erniedrigt. Wer sich dieser Sicht entgegenstellt, wer trotz allem noch
an das Wahre und Gute glaubt, gilt schnell als hoffnungslos naiv.
In diese Situation hinein erklingt das feierliche
Bekenntnis des Johannesprologs: „Das Wort ist Fleisch geworden.“ Mögen
die Gegenstimmen noch so laut rufen, um uns zu verunsichern. Nicht die vielen
Worte des Widerspruchs sind ausschlaggebend, sondern das eine göttliche Wort,
das aus Maria Fleisch annahm. Das Kind in der Krippe ist der letzte Sinn, die
endgültige Wahrheit. Eine Wahrheit, die nicht grausam und abstoßend ist, sondern
schön und anmutig wie das Lächeln eines Kindes. Eine Wahrheit, die nicht
zerstört und bloßstellt, sondern heilt und befreit.
Die entscheidende Frage lautet nicht: Warum gibt so viel Finsternis, so viel
Böses in der Welt? Das lähmt nur und hilft nicht weiter. Die entscheidende Frage
lautet vielmehr: Auf welcher Seite stehe ich? Auf der Seite der Finsternis oder
auf der Seite des Kindes in der Krippe?
Das Weihnachtsfest lädt uns ein, Jesus, dem menschgewordnen Sinn, zu trauen, ihn
an- und aufzunehmen. Dann werden auch wir erfahren, was Johannes erfahren hat:
Nicht die Stimmen der Finsternis haben das letzte Wort, sondern das göttliche
Wort, das Mensch geworden ist. Amen.
Kaplan Claus Bayer
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