Predigt vom 24. November 2007

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:

"Patrozinium St. Katharina"
Predigttext

34. Sonntag i. J. (Christkönig und Patrozinium St. Katharina) 2007 

Mit dem heutigen letzten Sonntag des Kirchenjahres geht das sog. Lesejahr C zu Ende. Ein Jahr lang hat uns Sonntag für Sonntag der Evangelist Lukas begleitet. Ab kommenden 1. Advent wird es vor allem Matthäus sein.

Lukas beginnt sein Evangelium mit einer großen Verheißung. Ein Bote Gottes bringt einer jungen Frau in Nazareth die Botschaft, dass sie einem Kind das Leben schenken werde, das groß sein und Sohn des Höchsten genannt werde. Ihm werde Gott den Thron seines Vaters David geben. Es werde über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen und seine Herrschaft werde kein Ende haben. 

Ihr Kind wird König sein. Mit dieser Verheißung beginnt Marias Schwangerschaft, mit dieser Verheißung beginnt das Lukas-Evangelium. Doch wie sieht das Ende aus? So unglaublich anders, dass es fast wie ein Hohn auf den Anfang erscheint. Macht Gott so Seine Verheißungen wahr? Der Thron ein grobschlächtiges Kreuz, der Hofstaat zwei gemeine Verbrecher rechts und links, die Krone ein wildes Dorngeflecht, die Huldigungserweise der Spott der Umstehenden. Um den Hohn auf die Spitze zu treiben: über dem Kopf des Erbärmlichen das Spottschild: Der König der Juden. Endet so der Traum vom Friedenskönig für die Juden, ja für alle Menschen? 

Es gibt eine wunderschöne und tiefe Weihnachtsgeschichte von einer Schriftstellerin, die eher als Krimi-Autorin bekannt ist, von Agatha Christie. In ihrer Erzählung „Die Versuchung“ erscheint in der Geburtsgrotte Jesu ein strahlender Lichtengel der gerade Niedergekommenen. Er will sie die Zukunft des Neugeborenen schauen lassen, und sie willigt freudig ein. Doch was sie sieht, lässt sie schaudern. Sie sieht eine Gestalt, in der sie ihren Sohn erkennt, betend, aber mit einem Gesicht voller Angst, Trauer, Schmerz, nackter Trostlosigkeit und Verzweiflung. Sie sieht, dass sein Gebet bei Gott kein Gehör findet. Sie gewahrt drei schlafende Männer, die Ihm in dieser Stunde nicht im Geringsten beistehen. Sie sieht drei Verbrecher ihr Kreuz auf einen Berg schleppen, und inmitten zweier gemeiner Gesichter erkennt sie auch das ihres Sohnes. Sie hört ihn rufen: „Gott, warum hast du mich verlassen?“ Und gleich darauf die würdige Gestalt des jüdischen Hohenpriesters, der scheinbar den Grund verrät, indem er seine Kleider zerreißt und das Urteil verkündet: „Dieser Mann ist ein Gotteslästerer.“

Am Ende der Vision vernimmt sie wieder die Stimme des Engels, der ihr sagt: Es liegt an dir, ob dieses Kind leben oder sterben soll. Du wirst ihm so viel Qual ersparen und vor allem verhindern, dass er böse und ein Gottesabtrünniger wird.

In ihrer Verzweiflung antwortet Maria nicht sofort, noch einmal ziehen die geschauten Bilder an ihr vorüber, und plötzlich erinnert sie sich an Kleinigkeiten, die ihr im ersten Moment entgangen waren. Sie sieht das Gesicht des Mannes zur Rechten ihres Sohnes: kein böses, nur ein schwaches Gesicht – und es war dem Kreuz in der Mitte zugewandt, und ein Ausdruck von Liebe und Vertrauen, Bewunderung und Hoffnung lag darin. Sie sieht das Antlitz ihres Sohnes, der trotz aller Trauer mit Mitleid, Verstehen und großer Liebe auf die drei Schlafenden blickt; und schließlich ein Antlitz vollkommener Unschuld, das den Urteilsspruch der Gotteslästerung entgegennimmt. Und so lautet ihre Antwort: „Es ist nicht an mir, den Ratschluss Gottes zu verstehen. Der Herr gab mir mein Kind, wenn der Herr es mir nimmt, ist es sein Wille. Aber es ist nicht an mir, ihm das Leben zu nehmen. Denn es mag sein, dass es im Leben meines Kindes Geschehnisse gibt, die ich nicht verstehe. Es mag sein, dass ich nur einen Teil des Bildes gesehen habe und nicht das Ganze. Das Leben meines Kindes gehört ihm, nicht mir, und ich habe kein Recht, darüber zu bestimmen.“ Und dann heißt es in der Geschichte, dass der Lichtengel, Luzifer, entwich, bebend vor Zorn und Hochmut, weil er es nicht vermochte, ein einfaches Weib zu überwinden. 

Was unser heutiges Evangelium uns zeigt und was die Geschichte Agatha Christies auf so eindrückliche Weise vor Augen führt, ist die Fremdheit für uns alle, mit der Gott in Jesus Christus Sein Königtum hier auf der Erde lebt und ausübt. Es könnte gegensätzlicher nicht sein im Vergleich zu dem, was üblich ist in unserer von der Gier nach Macht zerrissenen Welt.

Demgegenüber zeigt uns das heutige Fest ein Königtum, dessen innerster Kern darin liegt, nicht sich selbst zu dienen, sondern die eigene Macht und Hoheit radikal zum Dienst für andere werden zu lassen. Die Hoheit Jesu erweist sich vor den weltlichen Hoheiten und Machthabern eine Kajaphas und eines Pilatus darin, dass Er auch ihnen gegenüber furchtlos in der Wahrheit und in ungebrochener Liebe bleibt. In Ihm wird Macht niemals zur Ausbeutung, sondern ausschließlich zum Heil der Menschen ausgeübt.

Und nun das Entscheidende für uns, das anschaulich wird in unserer Kirchenpatronin, der hl. Katharina. Auch sie, die wehrlose Frau, steht der nackten, brutalen Gewalt eines weltlichen Königs gegenüber. Sie hat sich entscheiden, dass es für sie nur einen wirklichen Herrn gibt, nur einen König, dem sie sich vollkommen zu unterwerfen bereit ist: Jesus Christus. Weil Er ihr Herr ist, findet sie die Kraft, ihre Knie nicht vor einem Menschen zu beugen, nicht vor der Lüge, nicht vor dem Unglauben, nicht vor nackter menschlicher Gewalt, nicht vor dem Zeitgeist, nicht vor den Einflüsterungen, doch lieber das Leben zu retten. Weil sie ihre Knie allein vor Gott beugt, steht sie aufrecht und standhaft vor den Menschen. Lieber in der Wahrheit sterben als in der Lüge leben. Wie viele Menschen auch unserer Tage, leider auch Getaufte, ziehen ein Leben in der Lüge um billiger Vorteile willen einem Leben in der Wahrheit des Evangeliums vor!  

Wer Christus als den eigentlichen Herrn und König seines Lebens anerkennt, wird möglicherweise auch den ein oder anderen Nachteil in Kauf nehmen müssen. Unzählige Menschen gerade auch unserer Zeit sogar den Verlust des eigenen Lebens, wie die hl. Katharina von Alexandrien. Zugleich aber erschließt dieser Herr und König eine innere Freiheit, eine innerer Hoheit und Redlichkeit, eine innere Unabhängigkeit des Geistes, die nur in Ihm zu gewinnen ist.

Das Christkönigsfest stellt uns am Ende des Kirchenjahres immer wieder neu vor die Frage: Wen wählst du als den Herrn deines Lebens?  

Pfr. Bodo Windolf

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