Predigt vom 18. November 2007

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:

"Volkstrauertag / was hat Bestand?"
Predigttext

Predigt zum 33. Sonntag i. J.  C 2007 (Volkstrauertag) 

Alles ist vergänglich – was/wer hat Bestand. Wider die falschen (Ver-)Führer 

Alles ist vergänglich. Wie kein anderer Monat führt uns der November diese grundlegende Wahrheit unseres Lebens vor Augen. Sie wird uns anschaubar in der verblühenden und in Winterstarre übergehenden Natur. Nicht zufällig ist der November der letzte Monat des Kirchenjahres und als solcher vom Totengedenken geprägt. Zunächst allerdings unter einem durch und durch positiven Vorzeichen. Der November beginnt, zumindest für uns Katholiken, mit einem Hochfest. An Allerheiligen feiern wir all jene Menschen, Große und Kleine, Bekannte und Unbekannte, deren Leben durch den Tod hindurch zur Vollendung in Gott gelangt ist. An Allerseelen gedenken wir derer und beten für die, die noch der Läuterung von der Schuld ihres irdischen Daseins bedürfen, die also im Purgatorium, im Volksmund Fegfeuer genannt, noch der Vollendung entgegenreifen.

Evangelische Christen begehen den letzten Sonntag des Kirchenjahres als Toten- oder Ewigkeitssonntag. Auch hier wird der Toten gedacht, auch hier mit Blick auf die Vollendung in der Ewigkeit Gottes.

Der heutige Volkstrauertag reiht sich ein in diese Festfolge, nimmt aber eine Sonderstellung ein, da er ein weltlicher Gedenktag ist, begangen allerdings mit den Kirchen zusammen und unzähligen anderen Menschen unseres Volkes, auch solchen, die den christlichen Glauben nicht teilen. 

Alles ist vergänglich. Unter diesem Vorzeichen steht auch das heutige   Evangelium. Doch hier stoßen wir zunächst auf ein Paradox. Auf nichts sind Völker so stolz wie auf ihre Kultur, die am sichtbarsten wird in Gebäuden, Tempeln, Kirchen Palästen, Burgen, Stadtanlagen eines Volkes. Diese kulturellen Zeugen des Glaubens, der Stärken, der Kreativität einer Volksgemeinschaft scheinen Ewigkeitscharakter zu haben. Denn während die Menschen sterben, überdauern sie oftmals unzählige Generationen. Erfüllt von diesem Stolz sind auch die Jünger Jesu. Sie teilen den Stolz aller Juden, der vor allem anderen dem Tempel zu Jerusalem galt, sprechen darüber und machen auch Jesus darauf aufmerksam.

Dessen Reaktion könnte ernüchternder nicht sein. „Von allem, was ihr hier seht, wird kein Stein auf dem anderen bleiben, alles wird niedergerissen werden.“ Kein Wort über die kulturelle Kraft der Religion, über Schönheit und Schaffenskraft des menschlichen Geistes. Nur der lakonische Kommentar: die Uhr tickt gegen die herrliche Pracht, die sich vor euch ausbreitet. Alles, restlos alles, was auf Erden besteht, ist gezeichnet von Tod, Vergänglichkeit, Zerstörung.  

Warum diese schonungslose, geradezu brutal ernüchternde Antwort Jesu? Jesus geht auf Seinen eigenen Tod zu. Er ahnt, nein Er weiß: das Todesgeschick aller Menschen wird auch Ihn schon sehr bald ereilen.

Wir kennen es bei Menschen, die den Tod vor Augen haben und sich ihm auch stellen: vieles von dem, was zuvor absolut wichtig war, wird restlos unwichtig; das Wesentliche, worum es eigentlich geht im Leben, rückt auf einmal ins Zentrum der Aufmerksamkeit. So auch hier. Jesus kann sich nicht mehr bei vorletzten, dritt- und viertletzten Dingen und Fragen unseres Lebens aufhalten. Er will den Blick unmittelbar aufs Letzte, aufs Ende lenken, und damit auf die Frage: Was hält noch stand angesichts des Endes, angesichts des Todes?  

Die Reaktion der Jünger ist bezeichnend. Sie tun das, was viele Menschen in einer solchen Situation tun: Damit will ich mich nun wirklich nicht beschäftigen. Und so weichen sie aus mit der Frage: Wann wird das geschehen?

Kaum eine Frage konnte so am Anliegen Jesu vorbeigehen wie diese. Sie lenkt vom Eigentlichen ab. Sie will nur die Neugier befriedigen. Niemand von uns kennt das Ende seines Lebens, niemand den zeitpunkt für das Ende der Welt – und es ist gut, es nicht zu wissen. Daher ist die Frage unbeantwortbar. Und so bleibt sie auch unbeantwortet. Stattdessen hören wir Jesus sagen: „Gebt acht, dass man euch nicht irreführt! Denn viele werden unter meinem Namen auftreten und sagen: ‚Ich bin es!’ und: ‚Die Zeit ist da.’ Lauft ihnen nicht nach!“  

Damit ist ein Zweifaches gesagt: Indirekt verweist Jesus auf sich selbst. Er ist die echte Münze im Gegensatz zu den Falschmünzen, den Imitaten, die unrechtmäßigerweise in Seinem Namen auftreten. Er allein ist es, der zu Recht sagen kann: Ich bin es. Ich bin der, der wirklichen Halt in der Unbeständigkeit des Daseins zu geben vermag. Daneben aber gibt es die anderen: falsche Propheten, falsche Messiasse.

Wen meint Jesus damit? Wem sollen wir nicht nachlaufen?

Am heutigen Volkstrauertag erinnern wir uns in besonderer Weise eines solchen Verführers eines ganzen Volkes. Für uns Deutsche war es Adolf Hitler, für andere Völker ein Stalin, ein Pol Pot, ein Mao Tsetung, ein Karl Marx, ein Bin Laden, und viele, viele andere.

All diese Verführer sind die eine Seite der Medaille. Doch sie allein bewirken nichts. Es muss noch etwas Weiteres hinzukommen.

Sie konnten nur so viel Böses und Schreckliches tun, weil sie so viel Gefolgschaft hatten, weil ihnen so viele nachliefen; weil so viele in ihnen die wahren Heilsbringer sahen, ohne zu merken, dass sie in ihnen dem – Teufel folgten. Ein Beispiel: Vorgestern fand in unserer Pfarrei ein Vortrag statt zu dem Thema: „Fragwürdige Forschung in der NS-Zeit.“ Anhand solch berühmter Wissenschaftler wie Adolf Butenandt und Richard Kuhn legte die Referentin dar, wie korrumpierbar in ihrem Gewissen und ihrem Wissenschaftsethos so mancher Forscher in der damaligen Zeit war. Unter anderem wurde der Nobelpreisträger Kuhn mit folgendem Satz zitiert: „Des Führers Wille ist unser Glaube.“ Es ist heute unfassbar, dass ein intelligenter Mensch ein solches Bekenntnis aussprechen konnte. Aber es geschah, und zwar von zu vielen.

Weil daher fast ein ganzes Volk sich von einem falschen Messias, von einem falschen Führer hat verführen lassen, begehen wir den heutigen Tag im Gedanken an die millionenfachen Opfer dieses Irrglaubens. „Gebt acht, dass man euch nicht in irreführt!“ Wie aktuell ist dieser Satz Jesu vor dem Hintergrund des heutigen Gedenktages!

Was damals kolossale Ausmaße annahm, geschieht im Kleinen auch in unserem Leben. Wieviele suchen das Heil, den Sinn, das Glück  ihres Lebens bei irgendwelchen Gesundheits- und Wellnessaposteln, bei esoterischen Gurus, bei unzähligen 0-8-15-Ratgebern, bei den Heils- und Glücksversprechungen der Unterhaltungsindurstrie, und, und, und, aber nicht beim Gott Jesu Christi.

Ich behaupte: der einzige, der wirklich hält, was Er verspricht, der uns inmitten der Vergänglichkeit unseres Daseins letzten Halt gibt, das ist niemand anderer als Jesus Christus selbst. Wer an Ihm vorbei sein Heil, sein Glück, den Sinn seines Lebens sucht, baut sein Leben letztlich auf Sand.

Wenn mehr Menschen damals im Dritten Reich ganz konsequent ihr Leben auf Christus gebaut hätten, würde es den heutigen Volkstrauertag nicht geben.  

Daher ist die entscheidende Frage des heutigen Evangeliums an jeden von uns: Auf wen stellst du dein Leben? In großer Treue auf Jesus Christus? Wer dies tut, dem gilt die Verheißung, mit dem das Evangelium endet: „Wenn ihr standhaft bleibt, werdet ihr das Leben gewinnen.“

Pfr. Bodo Windolf

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