Predigt vom 21. Oktober 2007

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:

"Kirchweih 2007 / Ökumene"
Predigttext

Predigt zu Kirchweih 2007 

Wieder einmal Schwierigkeiten in der Ökumene.

Der Unterschied zwischen „Kirche“ und „kirchlicher Gemeinschaft“ 

Die Kirche ist wieder einmal ins Gerede gekommen. Am 10. Juli veröffentlichte die Kongregation für die Glaubenslehre das Dokument „Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche“, die einigen Staub aufwirbelte. Die Reaktionen auf evangelischer Seite fielen teils sehr heftig und polemisch aus, wie auch Kardinal Lehmann erst kürzlich bemerkte. Der Hauptpunkt der Kontroverse ist, dass der evangelischen Kirche offiziell die Bezeichnung „Kirche“ vorenthalten und sie „nur“ als „kirchliche Gemeinschaft“ angesehen wird. 

An dieser Stelle ein kurzer Blickwechsel. Seit heute hängt am Ambo in St. Severin ein neuer Ambobehang, ein, wenn ich so sagen darf, ökumenisches Gemeinschaftswerk, an dem drei katholische und vier evangelische Damen mitgewirkt haben. Er ist für mich ein Symbol dafür, was sich in den vergangenen Jahrzehnten ökumenisch getan hat: wir haben unzählige Gemeinsamkeiten entdeckt, beten und feiern Gottesdienste miteinander, haben vieles aneinander neu verstehen und schätzen gelernt, die Vorurteile und Mauern, die die Konfessionen noch bis weit in das letzte Jahrhundert hinein getrennt haben, sind einem selbstverständlichen menschlichen und geistlichen Miteinander gewichen. Die Differenzen, die auftauchen, liegen auf einer Ebene, zu der viele Gläubige kaum Zugang haben, nämlich auf der theologischen, und sind für viele aus dem praktischen Erleben des Gemeinsamen heraus oft einfachhin unverständlich.  

Daher will ich den heutigen Kirchweihsonntag zum Anlass nehmen, in einer groben Skizze – mehr ist in der Kürze nicht möglich – aufzuzeigen, worum es in dem zitierten Dokument geht.  

Schauen wir auf den Ursprung. Was Jesus von Anfang Seines öffentlichen Wirkens an tut, ist Sammlung. Er sammelt Männer und Frauen als die große Schar Seiner Jünger um sich. Aus ihnen wählt Er einen inneren Kreis, die Zwölf oder auch Apostel, wie sie später genannt werden. Aus diesen ragt noch einmal einer hervor, nämlich Petrus, dem eine überragende Verantwortung aufgebürdet wird: „Du bist Petrus, der Fels, und auf diesen Felsen baue ich meine Kirche, und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwinden. Was du bindest, das wird auch im Himmel gebunden  sein. Was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein.“  

Wir können nicht sagen, dass Jesus an einem bestimmten Tag und mit einem bestimmten feierlichen Akt die Kirche gegründet hätte; aber was wir sagen können, ist: Auf Ihn selbst geht die entscheidende Grundstruktur dessen zurück, was die Kirche später nach Tod und Auferstehung sein wird. Es gibt die große Zahl der Getauften als die Jünger Jesu. Aus ihnen werden durch die sakramentale Weihe jene beauftragt, die Christus als Hirte, Lehrer, Herr und Diener der Kirche zeichenhaft vergegenwärtigen sollen: Bischöfe, Priester und Diakone; und unter ihnen nimmt der Papst als „Diener der Diener Gottes“, wie es Papst Gregor d. Gr. einmal formulierte, eine besondere Stellung ein: er ist der, in dem die Einheit der Kirche innerhalb ihrer Vielfalt in einer Person repräsentiert wird. 

Nun die entscheidende Frage:
Wie viele solcher Kirchen hat Jesus gegründet? Die Antwort kann nur lauten: Nicht mehr als eine einzige. Das wird auch deutlich an den Bildern, die das NT für die Kirche kennt: „Leib Christi“, „Braut Christi“. Kann Christus mehrere Leiber haben, mehrere Bräute? Das ist offensichtlicher Unsinn. Nach Seinem Willen sollte es die Kirche als eine Einzige geben: als sein Leib in der Vielfalt der Glieder; als die eine Braut, die Sein Liebeswerben um den Menschen als Bräutigam mit der Antwort der Liebe erwidert, so die mystisch-bräutliche Sprache der hl. Schrift. 

Die Realität sieht leider anders aus. Der Leib Christi ist zerrissen durch unzählige Spaltungen, die tiefsten durch die Trennung 1054, seitdem die Ostkirche ihre eigenen Wege geht; und dann noch einmal tiefer durch die Reformation im 16. Jahrhundert, die eine Vielzahl von weiteren Spaltungen nach sich zog.  

Was bedeutet das Faktum der Spaltung? Heißt das, dass es nun doch mehrere Kirchen gibt? Oder heißt es – auch das eine Antwort auf diese Frage –  dass die eine von Christus gemeinte und von Ihm begründete Kirche sich ins Unsichtbare hinein verflüchtigt hat; dass sie also in der Welt und der Geschichte gar nicht mehr antreffbar ist, sondern nur noch gleichsam ein Traumgebilde ist hinter den realen Kirchentümern in unserer Welt?  

Wenn es so wäre, dann wäre die Verheißung Jesu, dass die Pforten der Hölle Seine Kirche nicht zu überwinden vermögen, ad absurdum geführt. Sie hätte sich als falsche Verheißung erwiesen; Gott wäre gleichsam überfordert gewesen, Sein Versprechen auch einzulösen, gescheitert an menschlicher Unzulänglichkeit. 

Als Katholiken glauben wir, dass die Annahme, Jesu Verheißung sei gescheitert, falsch ist. Gott, Christus ist treu und hält, was Er verspricht. Die Kirche, die Er begründet hat, hat sich nicht ins rein Unsichtbare verflüchtigt, sondern existiert in der Welt, in der Geschichte, sie hat ihre sichtbare Gestalt nicht verloren.

Allerdings existiert sie nur in einer verwundeten Gestalt. Die Spaltungen haben ihr schwere Wunden zugefügt, durch die Schuld aller, die daran beteiligt waren; leider nicht zuletzt auch der Katholiken; aber auch als verwundete gibt es sie, die Kirche Jesu Christi. 

Wo aber finden wir sie?
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass als einzige Kirche die katholische die vorhin aufgezeigte Grundgestalt der Kirche, wie sie schon im NT sichtbar wird, bewahrt hat.  

1. das Petrusamt: es lebt im Papst weiter. Seine Aufgabe: Im Stimmengewirr der Zeiten, im Stimmengewirr auch der Christenheit sollte es nach dem Willen Christi eine Stimme geben, in der nach Beratung mit den Bischöfen, Theologen, dem gläubigen Volk die authentische Stimme des  Evangeliums hörbar wird; nicht weil der Papst klüger wäre als andere, sondern weil Gott selbst ihn vor definitivem Irrtum in Bezug auf die kirchliche Lehre schützen wird. Wie der Spaltpilz weiterwirkt, wo es diese Stimme der Einheit nicht gibt, kann man leider Gottes an der Geschichte der Reformation eindrücklich studieren. Auch so manche evangelische Christen leiden darunter. 

2. das Apostelkollegium: es hat in den Bischöfen und Priestern seine Fortsetzung gefunden. Was ist deren Funktion?

Ich will es Ihnen bildhaft vor Augen führen. Sie alle sind in ihrem Alltags- oder auch Sonntagsgewand hierher zur Kirche gekommen. Im Unterschied zu Ihnen trage ich über meinen Alltagsgewändern das Priestergewand. Darunter allerdings die weiße Albe. Was bedeutet das? Es bedeutet: Ich stehe hier nicht als Privatmann Bodo Windolf, sondern mit einer Aufgabe, die mein persönliches Vermögen unendlich übersteigt. Die Albe, gleichsam mein Taufkleid, zeigt an: zusammen mit Ihnen allen bin ich hier als Getaufter; aber für Sie stehe ich hier als Priester, das zeigen Stola und Priestergewand an. Augustinus sagt es so: „Mit euch bin ich Christ, für euch bin ich Bischof.“ Kürzer kann die Theologie des Amtes nicht formuliert werde. Die Worte, die ich nachher sprechen darf: „Das ist mein Leib für euch und mein Blut, vergossen für euch“ kann ich nicht auf mich selbst beziehen. Das Ich, das hier spricht, ist das Ich Jesu Christi. Das II. Vaticanum hat dies „in persona Christi agere“ genannt, übersetzt: handeln in der Person Christi. Christus selbst spricht hier durch meinen Mund; und den Auftrag und die Vollmacht, diese Worte zu sprechen, kann nicht ich mir selbst oder die Pfarrgemeinde mir übertragen, sondern allein Christus selbst.  

Das ist der Grund, warum die Kirche seit 2000 Jahren sagt, dieses Amt, das von Christus auf die Apostel und von diesen auf ihre Nachfolger übertragen wurde, ist wesensnotwendig für die Kirche. Es zeigt das bleibende Gegenüber von Christus und Seiner Kirche an. Er ist es, aus dessen Hand die Kirche allezeit Gottes Gaben, besonders in den Sakramenten empfängt. Die Kirche kann es sich nicht selbst geben. Wir können uns nicht selber taufen, geben uns nicht selber die Absolution oder die Eucharistie. Ohne Amt ist die Kirche daher nicht mehr jene, die wir vom NT und damit von Christus her kennen. 

Dieses sakramentale Weiheamt lehnt nun die reformatorische Theologie ab. Martin Luther drückt es in seiner handfesten Sprache so aus: „Denn was aus der Taufe gekrochen ist, das kann sich rühmen, dass es schon zum Priester, Bischof und Papst geweiht sei, obwohl es nicht jedem ziemt, solches Amt auszuüben“ (aus: An den christlichen Adel Deutscher Nation). Mit anderen Worten: Abendmahl feiern kann im Prinzip jeder, aber es braucht eine Erlaubnis dazu, mit oder ohne Ordination, das ist letztlich gleichgültig. 

Das heißt nun: So wie die katholische Kirche sich selbst versteht, so wollen evangelische Christen gar nicht Kirche sein. Und genau das versucht schon das II. Vaticanum mit der sprachlichen Unterscheidung zwischen Kirche im eigentlichen und beschriebenen Sinn des Wortes und kirchlicher Gemeinschaft auszudrücken. Wobei damit auch gesagt wird: Es sind wahrhaft kirchliche Elemente selbstverständlich auch außerhalb der katholischen Kirche vorhanden; aber wo diese beiden Punkte fehlen – Petrusamt und Weiheamt – fehlt der Kirche Wesentliches. 

Solche Unterschiede wie die beschrieben zu verwischen, würde weder einem wahrhaftigen Dialog noch dem ehrlichen Ringen um die wahre Gestalt der Kirche dienen, wie Christus sie gestiftet und gewollt hat.

Wir dürfen dankbar sein für die erreichten Gemeinsamkeiten und das gelebte Miteinander von Christen gleich welcher Konfession. Aber den Weg zu einer echten Einheit sind wir noch nicht zu Ende gegangen. Bitten wir am heutigen Kirchweihsonntag, dass es eines Tages wahr werde: dass die Christenheit, orthodoxe, evangelische, katholische Christen zu wahrer Einheit gelangen, so dass zusammenfindet, was zusammen gehört.

Pfr. Bodo Windolf

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