Predigt vom 9. September 2007 (40 Jahre St. Severin)

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:

"40. Weihetag von St. Severin"
Predigttext

Sonntag 9. September 2007
Predigt zum 40. Weihejubiläum von St. Severin Garching 

„Mon amour, mon chant amour, ma chanson d`amour – Meine Liebe, mein Gesang der Liebe, mein Liebeslied” – mit diesen gesungenen Worten hat der Chor die Predigt zum heutigen Festgottesdienst eingeleitet.

Vielleicht denkt der ein oder andere von Ihnen: Jetzt wird`s aber ganz seltsam mit unserem Herrn Neuhauser – dem ich bei dieser Gelegenheit im übrigen sehr herzlich  gratulieren möchte zum ebenfalls 40-jährigen Jubiläum als Kirchenmusiker und Chorleiter in unserer Pfarrgemeinde. Er ist gestern nach dem schönen Konzert in gebührender Weise geehrt worden  und ich darf an dieser Stelle wiederholen, wie sehr ich seine Arbeit und seinen Einsatz für eine schön gestaltete Liturgie und darüber hinaus schätze.

Aber kommen wir zu dem an diesem Ort und zu dieser Zeit und zu diesem Anlass ein wenig seltsam berührenden Lied zurück. Was soll dieses Liebeslied mitten in unserer heutigen Festliturgie? Wer ist der Adressat? Den lässt das Lied nämlich zunächst einmal offen. Wir bekommen keine weitere Auskunft als die bis fast zum Überdruss wiederholten Silben „da da dam“ und „do do dom“, wie wir nachher feststellen können, wenn das Lied ganz gesungen wird.

Szenenwechsel: Kürzlich war in einer Zeitung zu lesen, dass eine junge Autofahrerin aus Kaiserslautern zu ihrem großen Schrecken mitten hinein in ein abgelegenes Birkenwäldchen fuhr und einfach nicht mehr herausfand, so dass sie die Polizei um Hilfe angehen musste. In Caputh bei Potsdam schoss ein Autofahrer über die Kaimauer hinaus in den See. Beide waren Opfer ihres Navigationssystems geworden, das ihnen autoritativ die Richtung „geradeaus!“ vorgegeben hatte.

Diese beiden kleinen Episoden erscheinen mir als ein sehr sprechendes Sinnbild für die Situation unzähliger Menschen unserer Tage. Wir sind ausgestattet mit einer Vielzahl an hochkomplizierten technischen Geräten, die uns die Arbeit und das Leben erleichtern. Wir sind umschwirrt von einer nicht minderen Zahl an Stimmen, die unserem Leben diese oder jene Richtung geben wollen. Ein Unzahl von immer wieder neuen Ratgebern in Sachen Gesundheit, Sinnsuche, Lebensbewältigung, Angst- und Stressbewältigung usw. liegen uns in den Ohren. Und dennoch gewinnt man nicht den Eindruck, als seien wir glücklicher oder kämen besser klar mit dem Leben als unsere Vorfahren, die all das nicht hatten. Im Gegenteil: Das Gefühl, ständig in Sackgassen zu landen, kein wirkliches und lohnendes Ziel zu haben, das Gefühl der Desorientierung und der vergeblichen Sinnsuche ist vielleicht die größte Wunde unserer Zeit.

Woran liegt das? Liegt es daran, dass wir vielleicht oftmals das Falsche lieben? Dass die Liebeslieder unseres eigenen Lebens an die falsche Adresse gerichtet sind oder jedenfalls die wichtigste Adresse über der Vielzahl der Angebote auslassen? Man sucht – um auf unser Liebeslied zurückzukommen – da und da und da und do(rt) und do(rt) und do(rt). Und so wie das Lied daherkommt – mal romantisch, mal verhalten, überschwänglich, martialisch, virtuos – sucht man die große Liebe und das große Glück mal auf diese und mal auf jene Weise. Aber viele bleiben ratlos und resignieren oder verzweifeln sogar, weil sie irgendwann spüren, dass sie sich viel zu sehr i der Beliebigkeit des „Dadadam“ und „Dododom“ aufhalten, aber das Eigentliche nicht finden.

Und an dieser Stelle kommt uns auf einmal das Lied zu Hilfe und zeigt, warum wir es eingebaut haben in unser heutiges Fest: nach all den „daas“ und „doos“ hören wir – es wird Ihnen auffallen – ab der Mitte des Liedes auf einmal die Melodie des Kyrie eleison aus einer lateinischen Choralmesse, nämlich aus der Missa de Angelis. Auf diese feine, leise und nur dem gut Zuhörenden auffallende Weise stellt uns der polnische Komponist Józef Swider den eigentlichen Adressaten seines Liebesliedes vor: es ist der Herr, der Kyrios, Gott, Jesus Christus; der, ohne den menschliche Liebes- und Glückssuche sich im Irgendwo und Nirgendwo verliert.

Wenn wir heute 40 Jahre Weihe St. Severin feiern, dann geht es nicht zuerst um diesen steinernen Bau, sondern um Ihn, um Gott, um Christus, dem wir in diesem Gotteshaus begegnen, den wir hier suchen, jeder auf seine ganz eigene Weise, und den wir hier auch finden können. Wir feiern diesen Weihetag in einer Zeit, da andernorts Kirchen abgerissen werden. Was das bedeutet, können wir aus Kindermund erfahren. Kürzlich habe ich den Bericht eines evangelischen Pfarrers gelesen, dessen Sohn beim Anblick eines Baggers im Chorraum eine schottischen Kirche sagte: „Kirchen reißt man nicht ab. Die sind doch der Schlüssel zu Gott. Und den Schlüssel zum Auto wirft man doch auch nicht weg!“

Kirchen, diese Kirche St. Severin als Schlüssel zu Gott. Daher gilt das Liebeslied auch ihr. Denn Liebe braucht Rendevous und damit auch Orte des Rendevous. Das will unsere Kirche sein und sie ist es auch. Wir verstehen eine Kirche nur richtig, wenn wir sie nicht nur in ihrer Architektur, in ihrer Raumwirkung, in ihrem ästhetischen Anspruch betrachten und würdigen, sondern wenn wir sie lesen als einen Ort vielfältiger Liebesbegegnungen mit Gott. Sie hat gleich mehrere Orte solcher Rendevous. Gehen wir sie einmal durch.

Da ist zunächst das Taufbecken, wo die Liebesgeschichte Gottes mit einem Menschen beginnt – oder sollen wir besser sagen: beginnen sollte? Das Licht, das uns Gott in diesem Sakrament schenkt – und nicht zufällig ist das Taufbecken unserer Kirche an der einzigen nennenswerten natürlichen Lichtquelle dieses Raumes platziert – dieses Licht wird Gott uns nie mehr nehmen. Denn Seine Zusagen sind unwiderruflich. Die große Frage unseres Lebens ist nur die, ob wir auch aus diesem Licht leben; ob das Licht Gottes in uns leuchtet, über uns, unter uns (in den Leiderfahrungen des Lebens) und uns voraus als das Licht, woraufhin wir unser Leben gestalten.

Ein weiterer Ort der Liebesbegegnung ist der Ambo, von dem aus Gott Sein Wort an jeden einzelnen von uns richtet; ein Wort, das aufbauen, trösten, ermutigen, aber auch mahnen, korrigieren, zur Umkehr rufen will, das aber immer, auch wenn es uns bisweilen unbequem ist, Liebeswort in seinen verschiedensten Gestalten ist.

Dann gibt es den Altar: auf ihm wird Sonntag für Sonntag jenes Opfer gefeiert und gegenwärtig, in dem Gott uns Seine Liebe am unüberbietbar tiefsten und auch schmerzlichsten erwiesen hat: das Kreuzesopfer Jesu und die Überwindung von Leid und Tod in Seiner Auferstehung. Der Altar, von dem aus Christus sich uns als Brot des gekreuzigten und auferstandenen Lebens schenkt, ist für den, der auch nur ein wenig von dem begreift, was hier geschieht, der wohl intimste Ort der der Liebesbegegnung mit dem dreifaltigen Gott.

Der Beichtstuhl, ein inzwischen leider selten aufgesuchter Ort der Liebesbegegnung mit dem Herrn. Liebe bewährt sich da am meisten, wo sie zu verzeihender Liebe wird; wo ich den liebenden Blick Gottes auf mich auch in meiner Schuld und meinem Versagen spüren darf. Nur bringen muss ich sie Ihm, meine Schuld; dann erfährt man kostbarste Momente barmherziger Begegnung mit Gott, wie ich aus eigenem Erleben weiß.

Dann gibt es da noch den Tabernakel, die Muttergottesstatue, oder einfach die Kirchenbank – Orte, die zu persönlichem Verweilen in der Stille, im Gebet einladen. Gott allein weiß, wie viel Dank, aber auch Not, Verzweiflung, Bitte hierher getragen wurden und aus gläubigen, hoffenden, liebenden, aber sicher bisweilen auch zweifelnden, suchenden, enttäuschten Herzen zu Ihm emporgestiegen sind.

Wer dieses, ich finde ungewöhnlich schöne moderne Gotteshaus St. Severin, das bald zusätzlich ein schönes Kruzifix schmücken wird und das vielen Garchingern, sicher erst nach einiger Zeit der Gewöhnung, zu einem Ort der Liebe (vielleicht erst auf den zweiten oder dritten Blick) geworden ist – wer diese Kirche recht zu lesen versteht, der erfährt sie in der Tat als einen Schlüssel zu Gott; als einen Ort des Rendevous`, der Liebesbegegnung mit dem Herrn. Und in diesem Sinn wollen wir nun das ganze Liebeslied hören, das der Kirche gilt, aber vor allem dem, der in ihr wohnt.

Pfr. Bodo Windolf

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