Predigt vom 8. Juli 2007

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:

"Das väterlich-mütterliche Antlitz Gottes"
Predigttext

14. Sonntag i. J. C am 8.7.2007

Warum nennen wir Gott „Vater“ aber nicht „Mutter“?
Das väterlich-mütterliche Antlitz Gottes

Vielleicht hat sich der eine oder andere von Ihnen schon einmal darüber gewundert oder vielleicht sogar geärgert, dass wir Gott Vater nennen, und nicht Mutter. Vater unser – so hat uns Jesus aufgetragen zu beten. Nicht Mutter unser oder Vater und Mutter unser, sondern einfach Vater unser.

Woher kommt das? Ist das eine Sprechweise, die einfach soziologisch zu erklären ist, als Ausdruck patriarchaler Strukturen und männlicher Dominanz in der damaligen Zeit? Denn dass es nicht bedeuten kann, dass wir uns Gott männlich vorzustellen hätten, muss wohl nicht eigens betont werden, da Gott ja selbstverständlich jenseits der Differenz von Mann und Frau steht.

Um so nachdenkenswerter ist, dass uns die heutige alttestamentliche Lesung den mütterlichen Aspekt Gottes nahe bringen möchte. „Wie eine Mutter ihren Sohn tröstet, so tröste ich euch.“ Die hl. Schrift ist hier ganz präzise: sie erlaubt uns, Gott als Vater anzusprechen, nicht aber als Mutter, zögert aber nicht zu sagen: Er ist wie eine Mutter.

Was lässt uns diese durchgängige Sprechweise der Bibel über Gott erkennen?

Um zu einer Antwort zu gelangen, müssen wir wohl tiefer graben als nach soziologischen Erklärungen. Denn Muttergottheiten waren auch in patriarchalen Gesellschaften damaliger Zeit etwas durchaus Selbstverständliches in vielen Religionen.

Wir gelangen auf die rechte Spur, wenn wir bedenken, wofür das männliche und das weibliche Prinzip in der Schöpfung stehen, biologisch und archetypisch ganz tief in uns verankert. Das Männliche steht für das zeugende, gebende Prinzip, das Weibliche für das empfangende. Wenn wir Gott Vater nennen, dann drückt die Schrift damit einen Wesenszug Gottes aus im Verhältnis zu Seiner Schöpfung. Ihr gegenüber ist Gott einfachhin der Gebende, die Schöpfung, ein weibliches Wort, restlos empfangend.

Steht dabei das gebende, männliche Prinzip über dem empfangenden weiblichen? Nein, durchaus nicht. Denn beides gibt es in Gott selbst, beides ist in Ihm gleichursprünglich und von absolut gleicher Würde. Der Vater ist der ursprunglose, zeugende Ursprung im dreieinigen Gott, der den Sohn zeugt oder auch gebiert, wie wir im Glaubensbekenntnis beten – Christus, der eingeborene Sohn des Vaters; allein das zeigt, dass in Gott, dem Vater, das Väterliche und Mütterliche ineinsfällt –; der Sohn aber ist der, der sich seit Ewigkeit vom Vater her empfängt. Was in Gott eine untrennbare Einheit ist, zeugen und empfangen, gebären und geboren werden, das tritt in der Schöpfung auseinander in Mann und Frau. Beide sind selbstverständlich auch als Einzelne Abbild Gottes und von absolut gleicher Würde; aber noch sprechender wird dieses Abbildsein in ihrer Verwiesenheit aufeinander. Vaterschaft und Mutterschaft gibt es nur gemeinsam, niemals getrennt voneinander.

Da sich Gott aber der Schöpfung gegenüber ausschließlich gebend verhält, während das Geschöpf sich Gott gegenüber ausschließlich empfangend verhält – darum lehrt uns die hl. Schrift, Gott als Vater und nicht als Mutter anzusprechen; aber sie lehrt auch, den mütterlichen Aspekt in Ihm nicht zu übersehen.

Was das heißt, möchte ich an dieser Stelle einmal nicht abstrakt, sondern ganz konkret von der mütterlichen Bindung her beschreiben, wie sie ein Kind schon im Mutterleib erlebt, kunstvoll gleichsam programmiert auf die Frau hin, die es zur Welt bringt.

Das Gehör ist bereits so entwickelt, dass es mit der Stimme der Mutter schon bei seiner Geburt vertraut ist, - ja sogar mit Melodien und Liedern, die sie während der Schwangerschaft gesungen hat. Sogar die Muttersprache ist ihm nicht fremd, wenn es geboren wird. Es weiß dann auch, wie die Mutter „schmeckt“, nämlich ihre Milch. Denn sie empfindet es als ähnlich schmackhaft wie das Fruchtwasser vor der Geburt. Es ist der dem Neugeborenen schon längst bekannte Herzschlag, der es beruhigt und alle Mütter der Welt veranlasst, das Kind vorrangig auf dem linken Arm und möglichst leibnah zu tragen. Die Hormonforscher haben nachgewiesen: Wenn das Baby an der Brust saugt, löst es im Gehirn der Mutter explosionsartig Hormonwellen aus, und das geschieht ähnlich massiv im Gehirn des Säuglings, so dass durch diese Liebeshormone unmittelbar nach der Geburt die Bindung zwischen Mutter und Kind fest vernietet wird. Der schon bald einsetzende Augenkontakt, den das Kind aktiv sucht, die Mutter anschauend und dabei lustvoll brabbelnd, vertieft diese Bindung.

Auch wenn es in all dem durchaus streng biologisch zugeht – all das ist die Weise, wie schon ganz schnell eine zutiefst personale und menschliche Bindung von der Mutter zum Kind und vom Kind zur Mutter entsteht.

All diese Vorgänge werden aufgerufen mit diesem schönen Wort aus dem Buch Jesaja: „Wie eine Mutter ihr Kind tröstet (und für es da ist), so tröste ich, Gott, euch (und bin für euch da).“ Und wem fällt dabei nicht auch das Bild der Mutter ein, die ihr weinendes Kind auf den Schoß nimmt, es streichelt und ihm ins Ohr flüstert: „Es wird alles, alles wieder gut.“ Dieses unwillkürlich, ich denke ebenfalls von allen Müttern dieser Welt gesprochene Wort birgt eine Verheißung, für die eine Mutter selbst gar nicht gerade stehen kann – keine Mutter der Welt kann alles gut machen –, sondern allein Gott. Und das zeigt: Hier ist tatsächlich, im Mütterlichen der Mutter, Gott selbst präsent, repräsentiert, vergegenwärtigt; in der mütterlichen Liebe einen wesentlichen Zug Seiner göttlichen Liebe offenbarend.

Was, später immer wichtiger werdend, auch die väterliche Liebe und Zuwendung und Autorität für die gesunde Entwicklung des Kindes beisteuert, das macht beides zusammen die väterlich-mütterliche Liebe Gottes präsent.  

An dieser Stelle noch einmal die Frage: müsste dann Gott nicht doch sowohl als Vater wie auch als Mutter angerufen werden?

Hier gilt es zu bedenken, dass die väterliche und mütterliche Liebe der Eltern mit ihren Stärken, aber auch ihren Schwächen, niemals identisch ist mit der väterlich-mütterlichen Liebe Gottes. Eltern sind zuerst solche, die ebenfalls empfangen haben. Sie können schlechthin nichts geben, was sie nicht zuvor selbst empfangen haben. Mann und Frau sind daher beide Gott gegenüber gleichsam weiblich, so wie die Kirche (die Kirche) weiblich ist, weil sie restlos alles von Gott empfängt. Niemals sprechen wir von Vater Kirche, sondern ausschließlich von Mutter Kirche. Daher aber auch nicht von Gott als Mutter, sondern von Gott als Vater, der zugleich wie eine Mutter ist, ausschließlich gebend, weil unserer nicht bedürfend. 

Dies ist wohl auch der Grund für etwas, was die Menschen unserer Zeit, die mit dieser Symbolik kaum mehr vertraut sind schwer verstehen. Es ist der Grund dafür, warum Jesus als Apostel nur Männer erwählt hat, nicht aber Frauen. Manche wenden ein, das sei ebenfalls nur einer patriarchalen Epoche geschuldet sei. Doch das ist nicht stichhaltig. Abgesehen davon, dass die damaligen Kulturen außerhalb Israels durchaus Priesterinnen kannten, hat Er sich so oft über religiöse und gesellschaftliche Konventionen seiner Zeit hinweggesetzt, dass Er, wenn Er gewollt hätte, sicher auch Frauen berufen hätte. Der tiefere Grund ist wohl der, dass das Amt in der Kirche Gott, den gebenden, besonders in der Spendung der Sakramente, zu repräsentieren und den Menschen zu vergegenwärtigen hat. Manchen mag dies einleuchten, manchen nicht. Aber wenn wir eine Antwort auf diese Frage suchen, dann ist sie wohl am ehesten in dieser biblisch zutiefst verankerten Symbolik zu suchen.

„Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden.“ Mit dieser Mahnung Jesu aus dem heutigen Evangelium ist auch, aber sicher nicht nur das Gebet um Priester gemeint. Genau so wichtig ist das Gebet um Eltern und für Eltern, dass sie durch ihre väterlich-mütterliche Liebe hindurch ihren Kindern das Antlitz Gottes transparent machen, nicht zuletzt dadurch, dass sie sich selbst ganz auf Gott hin ausrichten.

So kann uns der Satz: „Wie eine Mutter ihr Kind tröstet, so tröste ich euch“, ganz tief in das Geheimnis Gottes hineinführen. Er möge uns helfen, Ihn immer tiefer zu verstehen, damit wir Ihn immer tiefer zu lieben vermögen.

Pfr. Bodo Windolf

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