Predigt vom 9. April 2007 - Ostermontag

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:

"Die Emmaus-Jünger – der Auferstandene schenkt Freiheit zur Entscheidung"
Predigttext

Ostermontag 2007 (live übertragen von Radio Horeb 92,4 UKW)

Die Emmaus-Jünger – der Auferstandene schenkt Freiheit zur Entscheidung
„Sie erreichten das Dorf, zu dem sie unterwegs waren. Jesus tat, als wolle er weitergehen.“

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Hörerinnen und Hörer an den Radiogeräten…

Über diese Stelle aus dem Emmaus-Evangelium bin ich regelmäßig gestolpert. Denn es hat mich immer wieder befremdet, wie der, der doch der Wahre und Wahrhaftige ist, eine Absicht vortäuschen kann, die Er gar nicht hegt, dass Er so tut als ob. Das Schöne an der hl. Schrift ist, dass, je mehr man sich mit ihr beschäftigt, sie in ihrer unergründlichen Tiefe immer wieder Neues zutage treten lässt. Und darüber möchte ich gerne mit Ihnen zusammen ein wenig nachdenken.

Werfen wir noch einmal einen kurzen Blick auf die Situation. Für die Emmausjünger ist es ein beliebiger Fremder, der da ihren Weg kreuzt, zufällig dasselbe Ziel hat und mit dem sie ins Gespräch über die das aktuelle Tagesgeschehen kommen, das momentan in aller Munde ist: das grausame Sterben des Jesus von Nazareth. Der Fremde scheint ihnen etwas zu sagen zu haben, denn Er hört zunächst einfach zu und beginnt dann, ihre Not zu deuten, Antwort zu geben auf ihre Fragen. Er lässt das, was sie zutiefst verstört, in einem neuen Licht erscheinen, inspiriert aus dem Wort der hl. Schrift.

Die Worte dieses Fremden berühren sie, vielleicht ist es ihnen kaum bewusst, dass sie einen tief in ihnen liegenden Punkt erreichen wollen. Erst im Nachhinein erkennen sie das deutlicher, wenn sie feststellen: „Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit uns redete.“

Dieses Gespräch muss nun in eine Krisis geraten, d.h. zu einer Entscheidungssituation führen. Dieser Augenblick, an dem sich alles Folgende in der Tat entscheidet, ist genau jener, wo der Fremde tut, als wolle er weitergehen.

Zunächst hatte Er sich den beiden ungefragt zugesellt; das, was Er ihnen zu sagen hatte, war ungefragt in ihr Leben eingetreten. Aber Er, der Fremde, von dem wir wissen, dass sich in Ihm der auferstandene Herr verbirgt, Er will nicht ungefragt in ihrem weiteren Leben bleiben, Er will nicht ungefragt ihre Zukunft bestimmen und damit den Weg, den sie an dieser Weggabelung ihrer Lebens einschlagen werden. Er will es nur und ausschließlich auf ihre ausdrückliche Einladung hin. Um sie das frei entscheiden zu lassen, deswegen tut Er so, als wolle Er weitergehen. Er ist bereit, sich aus ihrem Leben wieder zu entfernen, in das Er bis jetzt erst kurzzeitig eingetreten ist. Eigentlich will Er natürlich bei ihnen bleiben, aber noch mehr will Er, dass sie dies aus freien Stücken entscheiden.

Wo genau ist der Punkt, an dem die Emmaus-Jünger in ihrer ureigensten Freiheit von Jesus Christus angerufen werden? Er ist nicht irgendwo unterwegs, sondern mit Bedacht in Emmaus, also da, wo ihnen ihr früheres, in ihr vertrautes Leben, der alte Trott und die alte Gewohnheit vor Augen steht. Hätten sie den Fremden ziehen lassen, wären sie ins Bisherige zurückgekehrt, nichts hätte sich geändert und die Sache mit Jesus  und dem Fremden wäre eine Episode ihrer Biographie ohne weitere Bedeutung geblieben. Die Trägheit, die uns immer wieder in Alte und Gewohnte zurückfallen lässt, hätte gesiegt.

Allein die Einladung: „Bleib doch bei uns …“ bewirkt die Wende, die entscheidende Wende ihres ganzen Lebens: die Umkehr nach Jerusalem, die sie aus dem Alten herausreißt und endgültig das Neue eines Lebens mit Gott, eines Lebens mit Jesus Christus, dem Auferstandenen, beginnen lässt.

Nicht zufällig ist auch der Augenblick, in dem sie die wahre Identität ihres Begleiters erkennen. Die Geste der Eucharistie, die Gabe des eucharistischen Brotes öffnet ihnen die Augen. Aber im selben Moment sehen sie Ihn selbst schon nicht mehr. Christus ist ihnen also nur im Entzug gegenwärtig, unter fremdem Gewand: Unter dem Gewand eines fremden Begleiters, unter dem Gewand der schon in der Urgemeinde gefeierten eucharistischen Liturgie. 

Es kann nicht allzu schwer sein, diese österliche Begebenheit auf unser eigenes Leben hin zu lesen. Denn es handelt auch und gerade von uns allen. Wie oft mag uns durch den Kopf gehen: Ja, wo bist Du denn, Gott, Christus? Warum, wenn Du willst, dass wir an Dich glauben, auf Dich hoffen, auf Dich vertrauen, ja dass wir Dich lieben aus ganzem Herzen – warum bezeugst Du Dich dann nicht deutlicher? Warum bist Du uns so fern, so ungreifbar, warum empfinden wir Dich oft als so unwirklich?

Die Antwort, die Lukas am Ende seines Evangeliums seinen Lesern und Hörern und damit uns mit auf den Weg gibt, lautet: Gott, Christus, lässt sich nicht unbezeugt. In Gestalt eines Fremden, der dein Leben kreuzt, in Gestalt eines zufällig aufgeschnappten, gehörten, gelesenen Gedankens und in unzähligen anderen Weisen spricht Er zu dir. Du kennst Situationen, in denen du in deinem Inneren berührt worden bist von der Wahrheit und du es im Grunde ganz genau spürst und weißt. Aber auch du gelangst immer wieder in die Krisis, in die Entscheidungssituation. Drängst du es weg, und es bleibt alles beim Alten, so dass sich dein Leben ständig nur im Trott deines persönlichen gleichbleibenden Emmaus abspielt? Oder lädst du die Wahrheit und damit Ihn, Gott, Christus ein in dein Leben, damit Er dich immer wieder neu aus dem Alten und Gewohnten und Abgestandenen herausführe nach Jerusalem, dem Ort der Erlösung, wo auch du Lösung und Erlösung findest aus allem, was dein Leben dunkel macht, oberflächlich, falsch, hektisch, schuldig, vorbeilebend am Eigentlichen, nämlich an dem, was erst wirklich Sinn und Erfüllung gibt?

Aber – so die Emmausperikope weiter – es wird und es kann nur geschehen, wenn auch du sagst: „Bleib doch bei uns, bleib doch bei mir, denn es will Abend werden, ohne dich, das Licht in aller Dunkelheit, wird es auch in mir Abend und dunkel und es fehlt das entscheidende Licht für mein Leben. Aber weil Ihm deine Freiheit so kostbar ist, bleibt Er, tritt Er ein nur, wenn du Ihn auch einlädst.

Der Ort, wo das geschieht, wo du dein Leben immer wieder in Seinem Licht beleuchten, besehen, beurteilen kannst, und wo Er tatsächlich eintritt und bleibt, ist vor allem auch die Eucharistie. Ich bin sicher: Weil sie vielen Getauften heutzutage so unwichtig geworden ist, darum ist Gott, Christus auch vielen so fern in ihrem Leben. Auch wenn die sonntägliche Eucharistie natürlich nicht alles ist, nicht genügt für ein christliches Leben – ihre Bedeutung wird von vielen unterschätzt, die sagen: Das Christsein geht auch ohne. Nein, es braucht beides: Gott, Christus als den alltäglichen Begleiter meines Lebens, oft unerkannt neben mir einhergehend, aber immer tiefer erkannt als ein mich Begleitender und den Alltag Prägender, wo ich in der eucharistischen Speise immer wieder neu Ihm begegne, Ihm, dem für mich gekreuzigt-auferstandenen Herrn.

Wo das geschieht, gilt auch für mich: „Da ging er mit hinein, um bei ihnen zu bleiben.“

Pfr. Bodo Windolf

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