Predigt vom 7./8. April 2007 - Osternacht

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:

"Christus ist auferstanden – wie zuverlässig ist diese Botschaft?"
Predigttext

Osternacht 2007

Christus ist auferstanden – wie zuverlässig ist diese Botschaft?
Ostern ist ein schwieriges Fest, schwieriger jedenfalls als Weihnachten. Was wir Weihnachten feiern, ist anschaulich, Teil unserer alltäglichen Erfahrung: nämlich die Geburt eines Kindes. Natürlich sprengt die Überzeugung, dass in diesem Kind Gott Mensch wird, unseren Erfahrungshorizont und ist daher nur dem Glauben zugänglich. Aber der Festinhalt der Weihnacht ist etwas uns im Alltag Vertrautes.

Mit dem Festinhalt von Ostern verhält es sich anders. Was nämlich Auferstehung meint, ist für uns unanschaulich, absolut jenseits unserer alltäglichen Erfahrung, es sprengt unsere Vorstellungskraft. Und viele fragen: Hat sie eigentlich wirklich so stattgefunden, wie sie uns in den Evangelien überliefert und von der Kirche seit 2000 Jahren geglaubt wird?

Am Karfreitag wurde in Pro 7 eine vom Titanic-Regisseur James Camaron gefilmte pseudowissenschaftliche Dokumentation unter dem Titel „Das Jesus-Grab“ gesendet, in der behauptet wurde, man habe das Grab Jesu gefunden. Man darf dreimal raten, wer mit Ihm darin lag. Natürlich Maria von Magdala als seine Ehefrau sowie die Überreste des Sohnes beider, Juda. Man kann mit Kohelet seufzen: „Nichts Neues unter der Sonne!“ Manche Leute werden offenbar nicht müde, immer wieder Altes aufzuwärmen und als den neuesten schrei zu verkünden. Kein ernstzunehmender Wissenschaftler lässt an dieser Sache ein gutes Haar.

Aber auch dies zeigt, wie schwer sich viele Zeitgenossen mit der Botschaft von der Auferstehung tun, und so haben Theologen zu Hilfskonstruktionen Zuflucht genommen. Ich will Sie an dieser Diskussion ein wenig teilnehmen lassen.

Eine beliebte Formel lautet, ein wenig geschwollen: Jesus ist ins Kerygma auferstanden. Kerygma ist das griechische Wort für Verkündigung, und so meint man damit: Die Sache Jesu geht weiter durch die Verkündigung der Kirche; seine Worte, seine Ideen, sie leben, und zwar auch noch nach dem Tod ihres ersten und wichtigsten Verfechters Jesus von Nazareth.

Eine andere Theorie deutet die Auferstehung als ein psychologisches Phänomen. Jesus sei zuerst Maria von Magdala und dann auch den anderen Jüngern in inneren Bildern erschienen, d.h. diese inneren Bilder seien in ihnen aufgestiegen und hätten ihnen die Gewissheit gegeben, dass Er lebt.

Wie tragfähig sind solche Erklärungsversuche?

Zunächst die Sache mit den inneren Bildern. Ungeklärt bleibt bei dieser Erklärung, wie es sein kann, dass so viele Menschen, teils an verschiedenen Orten, teils gleichzeitig – Paulus spricht von bis zu 500 Personen, die teils noch leben und daher befragt werden können – wie all diese Menschen dieselben inneren Bilder hätten haben sollen; anders ausgedrückt: wie eine solche Massenvision, oder sollte man sagen: Massenhalluzination?,  psychologisch erklärt werden kann.

Außerdem denke ich: Wenn unser, wenn mein Glaube auf solch dünnem Boden stünde, dann würde ich sagen: Petrus, Johannes, Jakobus, Maria Magdalena – was gehen mich eure Visionen und inneren Bilder an? Lasst mich mit solchen Einbildungen gefälligst in Ruhe!

Was die Die-Sache-Jesu-geht-weiter-These betrifft, fragt sich, ob sie psychologisch überhaupt wahrscheinlich zu machen ist.

Um darauf eine Antwort zu finden, will ich als erstes einmal auf die psychologische Verfassung der Jünger Jesu nach dessen Schmachtod schauen. Als Beispiel greife ich die Jüngern von Emmaus heraus. Sie begegnen uns auf dem Weg nach Hause in ihr früheres Leben. Keinen Augenblick länger in Jerusalem bleiben. Hier haben sie nichts mehr verloren; denn sie haben  verloren, auf den sie all ihre Hoffnung gesetzt hatten. Was sie ihrem fremden Begleiter sagten, bringt die Sache auf den Punkt: „Wir hatten gehofft, dass er der sei, der Israel erlösen werde.“ Entscheidend ist die Vergangenheitsform „wir hatten gehofft“. Die Hoffnung ist Vergangenheit, verflogen wie eine Fata Morgana. Sie hatten auf den Falschen gesetzt. Keine Spur davon, dass man sich zusammensetzt nach dem restlosen Desaster des Karfreitags, um zu beraten, was zu tun sei, damit man sich nicht zerstreut, damit`s irgendwie weitergeht; man sieht nirgendwo einen Ansatzpunkt, der plausibel machen könnte, man hätte sich gemeinsam auf eine erfundene Geschichte geeinigt, in der ein leeres Grab eine Rolle spielt, in der es Erscheinungen gibt, was man dann den Leuten als Auferstehung verkaufen wollte. Nein, es war nicht nur Jesus tot, es waren auch Seine Worte, seine Ideen tot, die einfach nicht von Seiner Person zu trennen sind. Wohin diese Ideen führen, stand ihnen nur zu deutlich und auf das Grauenhafteste vor Augen. Wenn das das Ergebnis ist, vergisst man sie besser, anstatt sie neu aufzuwärmen. Fischer, Handwerker, einfache Menschen, die die Jünger waren, sind praktische Leute, keine idealistischen Weltverbesserer, die auf verlorene Karten setzen. Der Karfreitag war eine Niederlage auf ganzer Linie, ein unüberbietbares Scheitern. Die einzig logische Konsequenz: am besten, wir gehen schnellstmöglich zur Tagesordnung über.

Schauen wir nun ein paar Jahre später. Was sehen wir? Wir sehen dieselben so fundamental enttäuschten Männer und Frauen, die Jesus in Galiläa und Judäa nachfolgten, Ihn nicht nur in Israel, sondern in der ganzen damals bekannten Welt verkünden. Sie rollen den Fall Jesu wieder auf. Noch mehr: Wir sehen sie mit einer unglaublichen Bereitschaft, für diese ihre Botschaft einzutreten bis hin zur Preisgabe ihres Lebens. Können innere Bilder, zurechtgelegte, erfundene Geschichten das je erklären?

Wer das behauptet, redet Unsinn und weiß sehr wenig über die menschliche Psyche. Plausibel wird es erst, wenn wir ein reales, absolut unerwartetes Ereignis, ein Widerfahrnis annehmen, das alles, restlos alles in einem ganz neuen Licht erscheinen ließ und das allein eine solche Veränderung in den Jüngern bewirken konnte und die explosionsartige Ausbreitung des Evangeliums zur Folge hatte.

Berichtet wird übereinstimmend von realer, persönlicher Begegnung mit Jesus, dem Auferstandenen. Was und wie sie es berichten, ist vor dem  Ideenhorizont der damaligen Zeit unerfindbar. Juden glaubten damals, wenn überhaupt, dann an eine Auferstehung am Ende der Zeit, niemals aber an eine Auferstehung quer zur weiterlaufenden Geschichte. Griechen glaubten, wenn sie überhaupt an ein Weiterleben über den Tod hinaus festhielten, an eine Weiterexistenz der Seele, nie und nimmer aber an eine Auferstehung mit Seele und Leib. Was wir über den Auferstandenen erfahren, ist ebenso paradox wie unerfindbar. Er geht durch verschlossene Türen, ist also offensichtlich den Naturgesetzen unserer Welt nicht mehr unterworfen; zugleich aber wird er als berührbar geschildert, essend und trinkend vor den Augen der Jünger. Wenn erfunden, dann wäre das Ganze anders erfunden worden, viel näher an den Vorstellungen der damaligen Zeit und menschlicher Logik.

Was ich in aller Kürze nur angedeutet habe, sind Indizien, Hinweise, starke Hinweise, aber sicher kein Beweis für die Auferstehung Jesu. Den „Sprung“ in den Glauben muss jeder, jeder auch von uns, leisten, der mit dieser Botschaft konfrontiert wird und sich auf sie einlassen möchte.

Allerdings: die Botschaft selbst, die vom Leben, Sterben und Auferstehen Jesu – ist, ob wahr oder falsch, eine Tatsache; die Botschaft als solche gibt es in dieser unserer Welt seit 2000 Jahren. Und es gibt das daraus entstandene Christentum, das ohne die Botschaft von der Auferstehung Jesu einfach nicht existieren würde. Dass es eben diese Auferstehungsbotschaft gibt, dass es das Christentum gibt, trotz des – menschlich gesehen – totalen Misserfolgs und Scheiterns Jesu von Nazareth, das braucht eine Erklärung. Die beste ist die, dass es einfach so war, wie es uns die Evangelisten schildern. Nichts deutet darauf hin, dass es ein unehrliches Spiel ist, das sie mit uns spielen.

Wer daher den Evangelien glaubt und aus dem Glauben an Jesus Christus, den Auferstandenen, bewusst sein Leben gestaltet, braucht – das wollte ich zeigen – seinen Verstand nicht an der Garderobe des Glaubens abzugeben. Im Gegenteil: mir scheinen die besseren, die vernünftigeren Gründe für den Glauben zu sprechen.

Und auch das, was er bewirkt hat. Nichts in unserer Welt hat Menschen so verändert, so sehr Hoffnung gespendet, so viel Kraft gegeben in Leid und Schicksalsschlägen, so sehr auf tätige Liebe hin geöffnet, so sehr nicht zuletzt auch unser Gottesbild verändert auf einen bis zur Kreuzestorheit liebenden Gott hin, der auf eine unerfindbare Weise mit uns Menschen solidarische geworden ist, indem Er mit uns und für uns in Leid und Tod gegangen – kein Glaube, wenn er gelebt und nicht missbraucht wird, hat soviel Positives freigesetzt und setzt es frei wie der Glaube an den auferstandenen Herrn Jesus Christus.

Ihm gilt unser Bekenntnis, damals wie heute: Der Herr ist auferstanden, Er ist wahrhaft auferstanden.

 Pfr. Bodo Windolf

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