Predigt vom 25. Februar 2007 - 1. Fastensonntag

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:

"Bekenntnis des Glaubens und Bekenntnis der Schuld – wie erfahre ich Vergebung?"
Predigttext

1. Fastensonntag  am 25.2.2007
Dtn 26,4-10; Röm 10,8-134; Lk 4,1-13

Bekenntnis des Glaubens und Bekenntnis der Schuld – wie erfahre ich Vergebung?

 Sonntag für Sonntag beten wir als Antwort auf das gehörte Wort Gottes das Glaubensbekenntnis und drücken damit aus: Herr, ich glaube, was Du zu uns gesprochen hast. Dieses sog. „Apostolische Glaubensbekenntnis“ ist nicht einfach vom Himmel gefallen, sondern hat Vorformen schon in der hl. Schrift. Eine jüdische Vorform haben wir in der 1. Lesung aus dem Buch Deuteronomium gehört (ich zitiere nur den zentralen Satz): „Du sollst vor dem Herrn, deinem Gott, folgendes Bekenntnis ablegen: ‚Der Herr führte uns mit starker Hand ... unter Zeichen und Wundern aus Ägypten.’“ M.a.W.: Gott hat sein Volk aus der Sklaverei in die Freiheit geführt – das gehörte zum Kern jüdischen Glaubens.

 In der 2. Lesung haben wir den Urbestand des christlichen Glaubensbekenntnisses gehört: „Jesus ist der Herr. Gott hat ihn von den Toten auferweckt.“ Wenn du das mit dem Mund bekennst und im Herzen glaubst, dann wirst du gerettet.

 Beide Bekenntnisse möchte ich aufeinander beziehen. Jesus stirbt an dem Tag, dem jüdischen Pascha, an dem die Juden die Befreiung aus Ägypten liturgisch begehen; genauer: zu dem Zeitpunkt, da im Tempel die Paschalämmer geschlachtet werden. Schon die Kirchenväter haben Ägypten nicht nur als einen geographischen Ort gedeutet, sondern als ein Bild für einen geistlichen Zustand des Menschen. Danach ist Ägypten, das Land der Unfreiheit, der Sklaverei, der Ausbeutung, überall dort, wo Menschen gefangen sind in der eigentlichen und noch viel schlimmeren Sklaverei der Sünde, des Bösen und als Konsequenz daraus des Leides und des Todes. Kreuz und Auferstehung Jesu sind der endgültige Sieg über dieses geistlich verstandene „Ägypten“. In diesem Sieg erweist Er sich als der Herr überhaupt, als Herr über jene Mächte, denen sonst nichts und niemand gewachsen ist.

 Dieses Herrsein Jesu spiegelt sich auch in der Versuchungsgeschichte des heutigen Evangeliums. Jesus erfährt die ganze Wucht menschlicher Versuchbarkeit zum Bösen – und widersteht. Das Böse hat nicht die geringste Macht über Ihn. Daher erweist Er sich einmal mehr als Er der Herr.

Was für Jesus gilt, gilt leider nicht für uns. Denn immer wieder erliegen wir dieser unserer Versuchbarkeit. Immer wieder müssen wir daher herausgeführt werden aus Ägypten dem geistlichen Sinn nach; aus dem Ägypten unserer persönlichen Schuld. Wie gelingt das?

 Ich möchte uns auf die Spur bringen durch die doppelte Bedeutung, die das Wort Bekenntnis im Deutschen, aber auch in anderen Sprachen hat: Zum einen meint es, wie ja schon erwähnt, das gläubige Bekenntnis zu Gott und zu Jesus Christus als dem auferstandenen Herrn; zum anderen aber auch das Bekenntnis im Sinne von Eingeständnis persönlicher Schuld. Wenn Augustinus seine berühmte Autobiographie, wie man sie in unserer Zeit bezeichnen würde, „Confessiones“ nennt, dann bedeutet dieser Titel einerseits das lobende und preisende Bekenntnis zum Dreifaltigen Gott, der ihn aus dem Ägypten seiner Schuldverstrickungen befreit und zu sich gezogen hat; und zugleich bedeutet er seine Lebensbeichte, die er vor Gott und vor dem Leser ablegt.

 Der Umgang mit Schuld, mit schwerer Schuld, ist ja in den letzten Wochen zu einem öffentlichen Thema geworden in Zusammenhang mit der Diskussion um die vorzeitige Entlassung von RAF-Terroristen aus ihrer lebenslangen Haft. Mir scheint, wir können an dieser Diskussion einiges Wesentliche für unser Thema ablesen. Während die Freilassung von Brigitte Mohnhaupt weniger ein Gnadenakt ist als vielmehr ein im Strafvollzug so vorgesehenes Procedere, dem das Stuttgarter Oberlandesgericht Rechnung getragen hat, liegt die Sache bei Christian Klar, der ein Gnadengesuch an den Bundespräsidenten gerichtet hat, wohl anders. In einem Fernsehinterview mit Günter Gaus aus dem Jahr 2001 antwortete er auf die Frage, ob er Reue oder Schuldgefühle empfinde: „In dem politischen Raum, vor dem Hintergrund von unserem Kampf sind das keine Begriffe.“ Man versteht, wenn vor solchem Hintergrund Bettina Röhl, Tochter von Ulrike Meinhof, erstaunlicherweise davor warnt, im „Versöhnungsgesülze“ – als solche bezeichnet sie so manche Beiträge dieser Diskussion – die „einzige Chance der Versöhnung, nämlich die Aufklärung darüber, wer geschossen hat, zu verspielen“.

 Sie bringt mit dieser Feststellung etwas Grundsätzliches auf den Punkt: Die sog. „Bekennerschreiben“, mit denen man sich allgemein als Bandenkollektiv zu einer Mordtat „bekennt“, sind etwas völlig anderes als das persönliche Bekenntnis: „Ich war es, der den tödlichen Schuss abgegeben hat.“ Oder: „Das und das war mein Anteil an der gemeinsam verübten Tat.“ Ohne ein solches Bekenntnis im Sinne der deutlichen Benennung der persönlichen Schuld, ohne eine genauso deutliche und glaubwürdige Distanzierung von der Tat, ohne echte Reue, ohne entsprechende Worte an die hinterbliebenen Angehörigen kann es wahre Versöhnung für einen Täter nicht geben. Wenn der katholische Geistliche Siegfried Fleiner, der Brigitte Mohnhaupt seit 15 Jahren in der JVA Aichach besucht und begleitet hat, sagt (ich hoffe, dass er in der SZ richtig zitiert worden ist): „Bereuen können nur Menschen, die in freier Umgebung leben, nicht aber solche, die eingesperrt sind. Das ist psychologisch gesehen gar nicht möglich“ – dann möchte ich dem bei allem Respekt vor seinem Tun doch widersprechen. Einfach deswegen, weil ich es bei Strafgefangenen selbst erlebt habe, dass sie im Gefängnis echte Reue und Umkehr erlebt haben.

Welche Entscheidung in bezug auf Christian Klar, die ja der Bundespräsident fällen muss, richtig ist, möchte ich nicht diskutieren. Aber ganz gleich, ob irgendein Straftäter freikommt oder nicht: aus dem „inneren Gefängnis“, aus dem „inneren Ägypten“ werden wir in oder außerhalb des Gefängnisses – das spielt gar keine Rolle – nur frei, wenn wir Schuld erkennen, bekennen und Verzeihung erbitten.

Und das gilt für jeden Menschen, auch für jeden von uns, ganz gleich, ob es sich um schwere oder um leichtere Schuld handelt.

 Das Glaubensbekenntnis: „Jesus Christus ist der Herr“ darf nicht nur ein Lippenbekenntnis bleiben. Ein Ernstfall dieses Glaubensbekenntnisses ist das Schuldbekenntnis: „Ich, Herr, habe Dich nicht immer Herr sein lassen in meinem Leben. Immer wieder bin ich von deinem Gebot der Liebe abgewichen. Ich bekenne es dir und bitte dich um Vergebung, damit du mich so herausführst aus meinem Ägypten.“

Der vorzüglichste Ort, wo dies für Katholiken geschieht, ist die Beichte, das Sakrament der Versöhnung. Manche fragen: „Braucht`s denn dazu einen Priester? Das kann ich doch allein mit Gott ausmachen!“ Als Israel aus Ägypten herausgeführt wurde, da bediente sich Gott des menschlichen Werkzeugs des Mose. Bei der Befreiung aus dem „inneren Ägypten“ persönlicher Schuld bedient sich Gott auch eines menschlichen Werkzeugs: des Priesters. So jedenfalls hat Christus selbst es an Seinem Auferstehungstag vorgesehen: „Welchen ihr die Sünden nachlasst, denen sind sie nachgelassen …“, sagt Er zu den Aposteln.

Die Fastenzeit könnte eine Einladung sein, unser Bekenntnis zu Christus, dem Herrn, auch auf diese zweite Weise zu vertiefen: die persönliche Schuld zu bekennen, um mich hinausführen zu lassen in das gelobte Land jenes Friedens und jener Versöhnung, die Christus, der Herr uns in diesem Sakrament anbietet.

 Pfr. Bodo Windolf

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