Predigt vom 26. November 2006  - Christkönig

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:
"Jesu Passion als Weg Seiner Königsinthronisation"
Predigttext

Christkönigssonntag 26. November 2006
Les: Dan 7,2a 13b-14 ; Offb 1,5b-8
Ev : Joh 18,33b-37

Jesu Passion als Weg Seiner Königsinthronisation

Der König des Himmels und der Erde im Verhör vor einem Provinzstatthalter; der Richter aller Menschen gerichtet von einem menschlichen Gericht; der, dem Anbetung gebührt, verspottet und gedemütigt; die Herrlichkeit Gottes eingetaucht in alles Elend dieser Welt, das Leben selbst auf dem Weg in den Tod. Hier ist alles ver-rückt, weggerückt an einen nach menschlichen Maßstäben ungehörigen Ort, die Rollen so vertauscht, dass man in der Tat sagen muss: entweder ist hier tatsächlich alles komplett verrückt oder aber alles ist erfüllt von einer unfasslichen göttlichen Weisheit.

Dieses Ver-rücken und Auf-den-Kopf-Stellen sämtlicher menschlicher Maßstäbe ist geradezu ein Kompositionsprinzip der ganzen Passionserzählung des Johannesevangeliums, und dies wird besonders deutlich am Königsmotiv, das der Evangelist als Leitmotiv in seiner Schilderung der Passion Jesu einbaut. Dies will ich einmal versuchen, exegetisch herauszuarbeiten, um deutlich zu machen, dass wir hier exemplarisch die kunstvolle Erzählweise des Evangelisten studieren können, die die historischen Berichte und theologischen Deutungen zu einer inneren Einheit verschmelzen lässt. 

Johannes macht deutlich: die Ohnmacht Jesu ist Macht, die Macht des Mächtigen Ohnmacht. Daher ist in allem Finsteren, das hier geschieht, Sein Licht schon enthalten. Man muss es nur sehen.

Johannes komponiert seine Passionserzählung konsequent als Jesu Inthronisation zum König. Die Durchführung dieses Motivs beginnt mit dem Verhör vor Pontius Pilatus. Dessen erste Frage lautet: „Bist du der König der Juden?“ Erst nachdem Jesus unmissverständlich klar gemacht hat, dass sich Sein Königtum grundlegend von allen irdischen Königtümern unterscheidet und nicht von dieser Welt ist, sagt er auf die wiederholte Frage des Römers: „Ja, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege.“ Gestaltung der Welt nicht durch Macht, sondern durch absolute Treue zur Wahrheit – das ist der entscheidende Unterschied.

An dieser Stelle bricht Pilatus das Gespräch ab. Er, der, wie sich noch zeigen wird, alle Hände voll zu tun hat, seine persönliche Macht nicht zu gefährden, und der sie durch ein bewusstes Fehlurteil, letztlich durch einen Justizmord sichern wird, kann mit dem Thema Wahrheit nichts anfangen. Er entzieht sich der Situation, indem er vor die Kläger tritt: „Soll ich euch zum Paschafest nicht den König der Juden freigeben?“ Man könnte dies im Sinne des johanneischen Leitmotivs durchaus als eine Art Königsproklamation bezeichnen. Vor versammeltem Volk bezeichnet Pilatus Jesus öffentlich als König, er spricht ihm den Königstitel zu.

Unmittelbar nach dieser Szene, wird Jesus den Soldaten übergeben. Denn es ist Pilatus nicht gelungen Jesus frei zu bekommen. Der Evangelist erzählt, wie Jesus mit einem Purpurmantel bekleidet wird, von der Dornenkrönung und der Verspottung: „Heil dir, König der Juden.“ Ganz offensichtlich entspricht dies der Königskrönung, wie pervertiert auch immer. Der wahre König wird zum Spottkönig, statt Huldigung erfährt er Hohn und Demütigung.

Im Inthronisationsritual hat nun die Vorstellung, die Epiphanie des frisch Gekrönten zu erfolgen. Dies sieht bei Johannes so aus: „Darauf ging Pilatus wieder hinaus und sagte zu ihnen: Seht, ich bringe ihn euch heraus, damit ihr erkennt, dass ich keine Schuld finde. Jesus trat heraus, angetan mit Dornenkrone und Purpurmantel.“ Und Pilatus stellt ihn vor: „Ecce homo! Seht, der Mensch!“ Und wenig später: „Seht da, euren König!“

Dass Pilatus das nicht ernst, sondern ironisch meint, dass er daher auf diese Weise nicht nur Jesus, sondern vor allem die Juden verhöhnen möchte, die er verachtet – wie aus anderen Quellen bekannt ist – spielt für Johannes keine Rolle. Das objektive Wort gilt.

Was nun folgen muss, ist die Akklamation, die Huldigung des Volkes an den neuen König. Und – sie folgt. Allerdings in Form der Ablehnung, als negative Akklamation. „Wenn du den da freilässt, bist du kein Freund des Kaisers Jeder, der sich selbst zum König macht, lehnt sich gegen den Kaiser auf.“ Daher: „Weg, weg mit ihm, ans Kreuz mit ihm!“ Schließlich auf die letzte Frage des Pilatus, auf dessen letzten kläglichen Versuch, Jesus doch zu retten: „Euren König soll ich euch kreuzigen?“ die entlarvende Antwort: „Wir haben keinen König außer dem Kaiser.“

Es gilt, das Abgründige, die auf die Spitze getriebene Perversion, die Johannes hier herausarbeitet, zu sehen: Die Gegner Jesu erkennen von ihrem jüdischen Glauben her eigentlich nur einen als ihren König an, nämlich Gott. Als einzig wahrer König Israels wird Er in vielen Psalmen gepriesen.

Vor ihnen steht der, in dem sich dieser Gott endgültig zeigt, offenbart und ausspricht. Um Ihn nur ja nicht anerkennen zu müssen, bekennen sie sich lieber zum zutiefst verhassten römischen Kaiser als ihrem König. Verkehrter können menschliche Bemühungen, Gott aus der Welt und aus dem eigenen Leben hinauszubefördern, nicht mehr werden. Aber auch das ist in uns Menschen, führt uns der Evangelist vor Augen.

Nach Proklamation, Krönung, Epiphanie und Akklamation des Königs fehlt nur noch die Thronbesteigung. Auch sie hat ihren Ort in der johanneischen Passion. Der Thron ist das Kreuz, die Erhöhung, wie Johannes ausdrücklich sagt, geschieht angenagelt an den Kreuzbalken. Gleichsam die „Thronassistenten“, die nicht fehlen dürfen, sind die beiden Verbrecher rechts und links. Und die Proklamation Jesu als König erfolgt nun noch einmal, diesmal vor aller Welt, und zwar durch den so genannten „titulus“, den die Delinquenten auf dem Weg zur Hinrichtungsstätte um den Hals trugen mit der Angabe ihrer Schuld, der dann mit ans Kreuz genagelt wurde. Auf hebräisch, griechisch und lateinisch stand darauf: „Jesus von Nazaret, König der Juden.“

Zuletzt eine Frage, die sich so mancher stellen mag: Was Johannes hier erzählt, entspricht dies auch historischer Wahrheit oder ist es nur eine theologische Konstruktion?

Was ganz gewiss ist: Die Anklage Jesu vor dem jüdischen Hohen Rat, dass Er sich Gott gleich mache, war vor Pilatus nicht brauchbar. Für ihn wären das innerjüdische Streitigkeiten gewesen, die ihn nicht interessiert hätten. Das einzige, was zog, war Anklage wegen Revolte gegen die römische Staatsmacht. Das interessierte. Daher ist die verleumderische Anklage, Jesus wolle sich zum politischen König der Juden ausrufen lassen, ohne jeden Zweifel historisch.

Was tut also der Evangelist? Er erzählt die Geschehnisse so, dass er die verborgene Wahrheit dieser verleumderischen Anklage ins Licht hebt und immer wieder durchscheinen lässt. Freilich so, dass deutlich wird, welch anderer Art das Königtum Jesu ist: nicht eines sich durchsetzender Macht, sondern ein Königtum dienender und sich ausliefernder Hingabe; ein Königtum in irdischer Ohnmacht, das sich am Ende als unendlich mächtiger erweisen wird, als unsere Art, Herrschaft auszuüben.

Wenn es in der ersten Lesung hieß: Ihr seid ein Volk von Königen und Priestern, dann sind wir es nur wahrhaft, wenn wir Christus in diesem Seinem Königtum nachahmen.

Pfr. Bodo Windolf

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