Predigt vom 30. Juli 2006

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf

Thema: 
"Die große göttliche Gabe aus der kleinen menschlichen Gabe"
Predigttext

17. Sonntag i. J. 30. Juli 2006
Les: 2 Kön 4,42-44¸Eph 4,1-6
Ev : Joh 6,1-15

Die große göttliche Gabe aus der kleinen menschlichen Gabe

 Man könnte den beiden Lesungstexten des heutigen Sonntags die gemeinsame Überschrift geben: Wenn der Mensch gibt, wenn er selbstlos gibt, und sei es noch so wenig, dann macht Gott Großes daraus.

 Die alttestamentliche Lesung stammt aus dem Elischa-Zyklus. Im Land herrscht eine große Hungersnot. Dennoch behält ein Mann aus Baal-Schilischa die Erstlingsbrote aus der Gerste nicht für sich und seine Familie, sondern er bringt sie, wie es seine religiöse Pflicht ist, als Erstlingsopfer dar. Bemerkenswert ist, dass er sie nicht den Priestern im Tempel gibt, sondern dem Propheten Elischa. Wo Elischa ist, vermischt sich der Glaube Israels nicht mit dem Götzendienst an Baal. Wenn, dann wird Gott daher durch ihn wirken.

 Weiter fällt auf, dass auch der Prophet die Brote nicht für sich nimmt, sondern zum Verteilen weiterreicht. Was Gott dann wirkt, ist Fülle im Überfluss, denn es heißt, dass man noch übrig ließ.

 Dasselbe vollzieht sich im Evangelium. Der Teufel hatte Jesus bei dessen Versuchung in der Wüste nur Steine angeboten; nichts Eigenes, nichts, das ihn etwas gekostet hätte, sondern irgendetwas Totes am Wegrand. „Wenn du Gottes Sohn bist, dann mach aus diesen Steinen Brote.“ Nein, nur aus einer Gabe kann und will Christus eine noch größere Gabe Gottes machen. Und dies geschieht bei der wunderbaren Brotvermehrung. Ein kleiner Junge gibt in schlichter Selbstlosigkeit, was er hat, und aus dieser geringen Gabe macht Jesus eine göttliche Gabe, die für alle reicht, ja wiederum weit über das Benötigte hinausgeht.

 Weil es gerade aktuell ist, will ich aus unserer Zeit ein Beispiel erzählen, wie Gott Segen in Fülle spendet, wo Menschen Ihm das Brot der Zeit, das Brot des Gebetes, das Brot des Vertrauens und der Liebe reichen.

In diesen Tagen, am vergangenen Dienstag, dem 25. Juli, war beim Landgericht München I ein Prozess anhängig, den der Münchner Abtreibungsarzt Friedrich Andreas Stapf, der in der von der Landsbergerstraße abzweigenden Fäustlestraße eine Abtreibungsklinik betreibt, gegen die Gehsteigberatung des „Lebenszentrums München – Helfer für Gottes kostbare Kinder“ angestrengt hatte. Seit einigen Jahren stehen dort sehr regelmäßig Mitglieder dieses Vereins, die Frauen, die zur Stapfklinik gehen oder von ihr kommen, ein Gespräch anbieten, sofern diese wollen. Man versucht zu informieren, bietet Hilfe, vor allem auch finanzielle Hilfe an und versucht so, schwangeren Frauen die Perspektive eines Lebens mit ihrem Kind zu ermöglichen. Ganz bewusst wird kein schlechtes Wort über den Arzt Stapf gesagt; ein Prozessbeobachter bezeugte die liebevolle Haltung, die man dem Arzt und seinem Personal entgegenbringt. Die Leiterin des Vereins Lebenszentrum, Ursula Metsch, sagt: „Wir wollen Herrn Stapf keineswegs schaden. Wir beten schlicht für die Umkehr der Herzen aller Beteiligten.“

 Dennoch strengte Stapf einen Prozess gegen die Gehsteigberatung an, die abgesprochen ist mit der zuständigen Behörde und der Polizei. Unter anderem beklagt er die Gefährdung seiner Einnahmen. Um Zahlen zu nennen: seit 1999, seit also die Gehsteigberatung aufgenommen wurde, konnten nach Angaben des Vereins 300 Kinder gerettet und 300 Frauen zu glücklichen Müttern gemacht werden. Dem stehen im selben Zeitraum 30.000 Abtreibungen gegenüber. Der Arzt erlitt also einen Verlust von circa 1%. Herr Stapf ist durchaus Prozesserfahren. 1998 gewann er beim Bundesverwaltungsgericht einen Prozess gegen die bayerische Staatsregierung. Diese hatte im Gefolge der Novellierung des § 218 das sogenannte Schwangerenhilfeergänzungsgesetz verabschiedet, das unter anderem verbot, dass die aus Abtreibungen erzielten Einnahmen 25% des Gesamteinkommens eines Arztes übersteigen.

 Der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts wies das bayerische Gesetz ab und gab dem Klagenden Recht. Das Argument war, der Staat habe für eine ausreichende Möglichkeit zur Abtreibung zu sorgen. Hier traut man seinen eigenen Ohren nicht: für Handlungen, die der Gesetzgeber als rechtswidrig verbietet, wiewohl er von Bestrafung absieht, muss er, der Gesetzgeber selbst, ausreichend Möglichkeit anbieten, dass sie vollzogen werden können. Wo hier Logik und Verstand bleiben, bleibt einem einigermaßen klar denkenden Menschen ziemlich verborgen.

 Die Münchener Richter hatten eine glücklichere Hand bei der Urteilsfindung. Sie wiesen die Klage Stapfs ab. Es war ein kleiner Sieg einer Kultur des Lebens gegen eine Kultur des Todes. Mag der Erfolg, 300 Kindern das Leben gerettet zu haben, gegenüber den 30.000 noch so klein sein – der Segen Gottes, der darauf liegt und daraus entsteht, ist ohne Zweifel ein ungeahnt großer.

Pfr. Bodo Windolf

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