Predigt vom 1. Oktober 2006  - Erntedank

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf

Thema: 
"Charakterlosigkeit - immer salonfähiger?"
Predigttext

26. Sonntag im Jahreskreis 1. Oktober 2006 (Erntedank)
Les: Num 11,25-29; Jak 5,1-6
Ev : Mk 9,38-43.45.47-48

Charakterlosigkeit – immer salonfähiger?

Jüngster Werbespot einer deutschen Bank: Eine Mutter steht mit ihrer Tochter an einer Fleischtheke im Supermarkt. Die freundliche Verkäuferin schenkt der Kleinen eine Wurst. Wortlos nimmt sie das Kind und isst. Darauf die Mutter streng: „Was sagt man denn da?“ Die Antwort des Kindes, grinsend: „Mehr!“ Zwischenschnitt. Die Postbank preist ihr jüngstes Zinsangebot an. Danach sieht man die Mutter mit dem Kind wegfahren und triumphierend sagen: „Geht doch!“

Einziger Kommentar: Abgeschmackt! Widerlich! 

Szenenwechsel: Empörung in Gesamtdeutschland und weltweit aufgrund der Absetzung der Oper Idomeneo an der Deutschen Oper Berlin. Auch hier fällt mir nur ein: Widerlich! 

Nicht, weil das Stück abgesetzt wurde. Diese Inszenierung, bei der der Titelheld Idomeneo nach Verklingen des Schlussakkords noch einmal die Bühne mit einem Sack betritt, aus dem die abgehauenen Köpfe Jesu, Buddhas, Mohammeds und Poseidons kullern, hat die Absetzung allemal verdient. Widerlich ist der Grund der Absetzung: denn der ist nicht die symbolisch gewalttätige und bluttriefende Verächtlichmachung dreier großer Weltreligionen und ihrer Stifter; sondern der feige Kotau, der feige Fußfall vor möglicher islamischer Gewalt. Die unausgesprochene Botschaft lautet: Den Glauben von Christen und Buddhisten treten wir mit Füßen, weil die uns nichts tun. Bei Mohammed kneifen wir, nicht etwa aus Respekt vor dem Glauben der Muslime, sondern weil es uns an den Kragen gehen könnte. 

Zwei Beispiele für eine Charakterlosigkeit, wie sie in unserem Land immer salonfähiger wird. Untrügliche Zeichen für den Niedergang eines Kulturvolkes und eines respektvollen Umgangs von Menschen miteinander. Danke sagen lächerlich machen; den Glauben anderer verächtlich mit Füßen treten. 

Was hat das mit Erntedank zu tun? 

Der Inhalt der Oper Idomeneo könnte eine Brücke bilden. Die Handlung spielt unmittelbar nach dem Kampf um Troja (woraus schon hervorgeht, dass Christentum, Buddhismus und Islam darin kein Thema sind). Idomeneo, auf der Heimfahrt in einen Sturm geraten, verspricht Poseidon, dem Herrn der Meere, das erste Lebewesen zu opfern, dem er bei glücklicher Heimkehr in Kreta begegnen würde. Die Tragik dieses Gelübdes ist – ein in vielen Mythen, Sagen und Märchen vorkommendes Motiv – dass dieses Lebewesen sein eigener Sohn ist. 

Trotz aller Versuche, diesem Menschenopfer zu entgehen, wird er genötigt, es zu vollziehen; nach verschiedensten Verwicklungen verhindert aber in letzter Sekunde die vom Orakel verkündete Stimme des Himmel diesen Opfermord. 

Diese Geschichte aus der griechischen Mythologie genügt dem Regisseur Hans Neuenfels in Berlin, Religion überhaupt unter den Generalverdacht zu stellen, immer und überall Menschenopfer zu fordern und bildhaft die Aussage in Szene zu setzen: Gott muss geköpft, religiöser Glaube zerstört werden, damit keine Menschenopfer mehr seien. 

Was aber tatsächlich geschieht, wenn Gott, d.h. der wahre Gott, abgesetzt, getötet, in seinen Gläubigen verfolgt wird, das wird ignoriert und verdrängt. Vor allem im letzten Jahrhundert ist es uns vor Augen geführt worden: Im Namen keiner Religion ist so viel Blut geflossen und vergossen worden, wie im Namen der gottlosen Ideologien des 20. Jahrhunderts. 

Auch Jesus befindet sich in Berlin unter den Geköpften. Und damit ausgerechnet der, der selbst zum Opfer von Menschenschlächtern wurde. In Ihm wird ja gerade nicht der Mensch zum Opfer Gottes, sondern Gott macht Sich zum Opfer der Menschen, und gerade so, indem er sich in Christus selbst auf den Opferaltar des Kreuzes legen lässt, hebt er alle Opfer der Religionen auf; Tieropfer und Menschenopfer, wie es sie in fast allen Religionen gibt  

Das einzige Opfer, das Christen feiern, ist daher auch das eucharistische Opfer; die Vergegenwärtigung des einen und einzig gültigen Selbstopfers Gottes in Jesus Christus am Kreuz. Dieses eucharistische Opfer ist Dankopfer – Eucharistie bedeutet Danksagung – feiernder Dank für die Erlösung aus Sünde, Schuld, Gewalt, Hass, Tod, zu einem Leben in Jesus Christus. 

Wenn wir am Erntedanktag Dank sagen für die Gaben der Schöpfung, die uns Gott schenkt zur Erhaltung unseres Leibes, dann ist dies ein Moment an jenem umfassenden Dank, den die Kirche sonntäglich, ja täglich zu Gott im Himmel aufsteigen lässt zur Nahrung unserer Seele, dann nämlich, wenn sie Eucharistie feiert. Wir können als Menschen Gott keinen tieferen Dank sagen, als wenn wir aus innerstem Herzen sonntags die Eucharistie mitfeiern. Denn es steigt dabei nicht nur unser eigener menschlicher Dank zum Himmel, sondern wir vereinigen uns mit dem Dank, mit dem Dankopfer, mit dem Christus selbst sich allezeit dem Vater darbringt für uns Menschen.

Das ist auch der Grund, warum die Sonntagsmesse durch nichts zu ersetzen ist, warum es ein Verstoß gegen die Gebote Gottes ist, sie ohne gewichtigen Grund zu versäumen, und warum sie jedem gläubigen Christen so selbstverständlich sein sollte, wie es selbstverständlich ist, Danke zu sagen, wenn man etwas empfängt (entgegen dem zu Beginn zitierten Werbespot. Erntedank – eucharistischer Dank, Dank für die Ernte und die Gaben der Schöpfung und des Schöpfers – Dank für das Erlösungsopfer Jesu Christi: am heutigen Tag klingt all das zusammen.

Pfr. Bodo Windolf

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