Predigt vom 15./16. April 2006  Osternacht

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
"Ostern - Befreiung zur wahren Freiheit"
Predigttext

St. Severin Garching
Osternacht 15./16. April 2006
Les: Gen 1,1-2,2; Gen 22,1-18; Ex 14,15-15,1 ; Jes 55,1-11
Ev: Mk 16

Ostern – Befreiung zu wahrer Freiheit

In einer uralten Osterpredigt aus dem 4. Jahrhundert, zugeschrieben dem Mönch und späteren Bischof Epiphanios von Salamis, ruft dieser jedem einzelnen seiner Zuhörern zu: „Wach auf vom Schlafe und steh auf von den Toten. Christus wird dich erleuchten. Er hat dich ja nicht geschaffen, damit du für immer im Gefängnis seist. Er hat dich nicht für das Gefängnis gemacht.“ Mit anderen Worten: Lass dich befreien durch das Geheimnis dieser österlichen Nacht. Freiheit, Befreiung zu wahrer Freiheit – das ist das Stichwort, unter dem Epiphanios das österliche Geschehen deutet.

Buchstabieren wir die gehörten Lesungstexte einmal durch unter dem Stichwort Freiheit.

Gott erschafft die Welt und darin uns Menschen. Nicht als Seine Marionetten, vielmehr entlässt Er die Welt und uns in unser Eigensein, in die Eigengesetzlichkeit der Natur und in das Eigensein des Menschen. In diesem Eigensein enthalten ist die Gabe der Freiheit – die größte Mitgift an uns Menschen, die allerdings auch zur Aufgabe wird: in Freiheit das Gute zu tun, zu lieben wie das Urbild, Gott, liebt und so die Erde zu kultivieren.

Was tut der Mensch? Seine erste Freiheitstat ist der gierige Griff nach der Freiheit von Gott, nach der Emanzipation von seinem Ursprung, seinem Schöpfer. In diesem Augenblick, da der Mensch nur noch sein eigener Herr sein möchte, wird der Grundstein gelegt zu sämtlichen Gefängnissen auf unserer Erde, den inneren und den äußeren Gefängnissen. Wo der Mensch sich von seinem Ursprung lossagt, der nichts anderes als freigebende und freigebige Liebe ist, verliert er mit der Liebe die Freiheit selbst. Niemand ist freier und glücklicher als der, der wahrhaft liebt; niemand ist versklavter – versklavt an sich selbst, an seinen Egoismus, seine Triebe, Süchte, Unversöhnlichkeiten, als wer nicht in der Liebe ist. Die Gefängnisse, die Menschen durch Gier, Ausbeutung, Unterdrückung, Feindschaft, Unversöhnlichkeit, Hass und Gewalt sich selbst und einander bauen, haben ihren letzten Ursprung im Verlust jener Liebe, zu der uns unser Schöpfer in Freiheit berufen hat.

Wie soll Gott die Heilung der Welt von diesen ihren Wunden anstellen?

Es beginnt so klein wie ein Samenkorn. Abraham, mit dem die Heils- und Heilungsgeschichte ihren Anfang nimmt, vollbringt in äußerstem Gehorsam gegen Gott eine Tat fast übermenschlicher Freiheit. Das Liebste, was er hat, sein Kind, mehr noch: den Sohn göttlicher Verheißung, Isaak, hält er nicht fest, sondern kann er loslassen, auf diesen Gott hin loslassen – und er empfängt ihn gerade darin endgültig wieder zurück. Was Abraham der Vater, der Vater des Glaubens, hier tut, wird durchsichtig auf jenen anderen Vater, den im Himmel, der in göttlicher Freiheit seinen Sohn loslässt für das Heil und die Heilung der Menschen. Jenes Lamm, das Abraham anstelle Isaaks opfert und mit dem er ihn aus dem Tod auslöst und so erlöst, wird in Wahrheit einmal Christus, das Lamm Gottes sein, der sich in restloser Freiheit den furchtbarsten Gefängnissen unserer Erde ausliefert: der Bosheit, dem Leid, dem Tod der Menschen.

Doch zurück zu unseren Lesungen: Das Bundesvolk, Heilsvolk Israel, aus dem Jesus hervorgehen wird, wird begründet durch eine Befreiungstat Jahwes aus dem unterdrückenden Staatsterror Ägyptens.

Die Aufgabe der Propheten, etwa eines Jesaja, den wir in der vierten Lesung gehört haben, wird es sein, Israel durch mahnende, richtende, aufrichtende, verheißende Worte auf der Höhe dieses Befreiungsgeschehens zu halten. Das Problem, bis heute: die Schwerkraft, die den Menschen immer wieder auf sich selbst zurückfallen lässt , die ihn auf sein Ich und in die Tiefe seiner Abgründe stürzen lässt ist stärker als die Fliehkraft der Liebe auf Gott und den Nächsten hin. Einer, ein Einziger, hat sich zu keiner Sekunde seines Lebens eingeschlossen in das Gefängnis seines Ego, seines Egoismus.

Einer hat geliebt bis ans äußerste Ende, nicht an der Oberfläche des Daseins, sondern mitten in den Abgründen und den tiefsten Kerkern unserer menschlichen Gefängnisse aus Bosheit, Spott, Folter, Leid, Tod. Und allein diese Liebe hat die verschlossenen Türen all dieser Kerker nicht von außen, sondern von innern aufgesprengt. Weil Er sich dahin begeben hat, wo wir die Gefängnisse, die selbst- und die fremdverschuldeten Freiheitsberaubungen unseres Daseins erleiden, deswegen kann Er uns und will Er uns an Seiner ausgestreckten Hand hinausziehen in die Freiheit der Kinder Gottes, in die Freiheit jener, die an diese Liebe Jesu Christi glauben und sich von ihr verwandeln lassen, indem sie aus ihr leben, betend, anbetend und dankend; diese Liebe im Gottesdienst feiernd, im Alltag sie zur liebenden Tat werden lassend.

„Wach auf vom Schlafe, steh auf von den Toten, Christus wird dich erleuchten. Er hat dich ja nicht für das Gefängnis gemacht.“ Auferstehung von den Toten, Befreiung aus unseren Gefängnissen geschieht für den wahrhaft Glaubenden schon hier und jetzt. Christus, der Auferstandene, unser Erlöser, Befreier, will Sein Werk, der befreienden Liebe, in jedem von uns schon hier und jetzt tun und beginnen, um es durch unseren physischen Tod hindurch einmal zu vollenden. Er steht vor der Tür, klopft an, damit wir Ihn eintreten lassen in unser Haus, auf dass es kein Gefängnis, sondern ein gastfreundliches Haus für Gott und Mitmensch sei: Wenn wir nachher unser Taufgelöbnis erneuern, könnten wir ganz bewusst sagen: Ja, Herr, Du Auferstandener aus dem Gefängnis des Todes, tritt ein in das Haus meines Lebens und erfülle es mit Deiner befreienden Liebe.

Pfr. Bodo Windolf

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