Predigt vom 26. Februar 2006   Faschingssonntag

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
Das "Narrentum Gottes"
Predigttext

8. Sonntag i. J. (Faschingssonntag) 26. Februar 2006
Les: Hos 2,16b.17.21-22; 2 Kor 3,1b-6
Ev: Mk 2,18-22

Das „Narrentum“ Gottes

Fasching – Narrenzeit. Die Narren halten das Szepter fest in der Hand. Man nimmt andere auf die Schippe. Man nimmt sich selbst auf die Schippe. Der feinste Witz ist immer der, bei dem man vor allem über sich selbst, über die eigenen Fehler, Macken und Unzulänglichkeiten herzhaft lachen kann. Und so trifft es sich gut, dass auch die heutigen Lesungstexte bei näherem Hinsehen vom Narrentum handeln; von einem ganz besonderen Narrentum, nämlich vom „Narrentum“ Gottes.

Wie das? Versetzen wir uns für einen Augenblick in das Jahr 750 vor Christus. Der Baalskult, den Israel im Land Kanaan vorfand, war zu großen Teilen ein Fruchtbarkeitskult, zu dem auch eine ausladende Tempelprostitution gehörte. Offensichtlich übte dieser Kult, diese kultisch bemäntelte Unzucht eine solche Faszination auf Israel aus, dass es sich durch den Abfall zu diesen Fruchtbarkeitsgöttern in einem geradezu wörtlichen Sinn von Jahwe weggehurt hat. „Ehebrecherisches Volk“, „Dirne Israel“, „Hure Israel“, nennt Hosea - und mit ihm andere Propheten - das Gottesvolk.

Wie reagiert Jahwe auf diesen Abfall, Bundesbruch, Ehebruch Israels? Kaum ein Prophet lässt uns einen solch tiefen Blick in das Herz, in das Herz der verletzten Liebe Gottes tun wie Hosea. Härteste Anklage, Verurteilung, Strafandrohung wechselt mit zärtlichsten Bildern für das Erbarmen und der „Trotzdem–Liebe“ Jahwes. Es ist ein dramatischer Kampf im Innersten Gottes selbst. Er kann diese Treulosigkeit nicht einfach durchgehen lassen, auf sich beruhen lassen, beschwichtigend bemänteln. Er muss strafen, damit Israel nicht ganz ins Verderben rennt; um die Entsetzlichkeit und das zutiefst Abstoßende dieser Sünde und der Sünde überhaupt aufzudecken. Zugleich aber wendet sich alles in Ihm dagegen. „Wie könnte Ich dich preisgeben, wie dich aufgeben, Israel?" (Hos 11,8) Könnte ich je wie ein Mann sein treuloses Weib oder eine Frau ihren treulosen Mann verlässt, Israel fallen lassen, jenes Israel, das ich zärtlicher liebe als Eltern ihre Kinder und ein Bräutigam seine Braut je lieben kann? Daher: „Mein Herz wendet sich gegen mich, mein Mitleid lodert auf!“ (11,8)

Wer bleibt Sieger im Widerstreit dieser (menschlich gesprochen) Gedanken und Gefühle im Herzen Gottes selbst? Sieger bleibt die „Torheit“, die „Narrheit“ der Liebe und des Erbarmens in Gott.

Über sie schreibt Hosea im selben Kapitel, aus dem wir die Lesung gehört haben: Obwohl Israel anderen Liebhabern folgt und mich, Jahwe, vergessen hat, will ich Israel, meiner treulosen Braut, folgen bis in die Wüste, bis in die wüsteste Wüste der Gottlosigkeit, um sie erneut zu locken und zu umwerben. Hier wird in Bildern eine Verdemütigung der verschmähten Liebe Gottes offenbar, die dem untreuen Weib nachläuft und nachläuft, die nach menschlichen Maßstäben in der Tat nur noch als Torheit und Narrheit bezeichnet werden kann.

Zur Vollendung dieser „Narrheit“ der Liebe Gottes kommt es allerdings erst im Neuen Testament, in Jesus Christus. Wie im Alten Testament Jahwe, so ist nun Er der Bräutigam, der sich aufmacht in die Glaubens-, Hoffnungs- und Liebeswüste unserer Welt, um nun nicht mehr nur Israel, sondern die Menschheit insgesamt gleichsam als Braut heimzuführen in den Liebesbund mit Gott. Nackter Hass und bodenlose Gleichgültigkeit, Treulosigkeit und Feigheit, Häme und Spott, Verrat und Verleugnung werden immer nur mit einem beantwortet: mit einer Liebe, die stärker, tiefer, erbarmender ist als alles Böse dieser Welt zusammen.

Was bedeutet es, angesichts dieser (mit Paulus gesprochen (vgl. 1 Kor 1)) „Torheit“ der Liebe Gottes, Christ zu sein? Es kann nur bedeuten (um es ebenfalls mit Paulus auszudrücken), in der Nachfolge dieser Liebe selbst ein „Narr Christi“, ein „Narr um Christi Willen“ (1 Kor 4,10) zu werden. Wer sich auf diese Liebe wirklich einlässt, kann gar nicht mehr anders als sich von dieser „Torheit“ der Liebe Gottes und Jesu Christi so „betören“ zu lassen, dass ich versuche, selbst da noch zu lieben, wo die Gesetze und die Logik unserer Welt nur noch mit Hass, Vergeltung, Abkehr, Gleichgültigkeit glaubt, antworten zu können – das heißt: wo ich versuche, selbst ein „Narr“ in der Nachfolge der „Narrheit“ der Liebe Jesu Christi zu werden.

Die närrischen Tage des Fasching sind, wie ich finde, ein guter Anlass, sich einmal in diese ganz andere Art von Narrentum zu vertiefen und hineinzumeditieren - und sich zu fragen: Bin ich bereit, wenn es notwendig ist, in den Augen der Welt auch als Narr zu gelten - um Christi Willen; nämlich gerade dann, wenn es gilt, die Liebe Christi auch gegen die gewöhnlich geltenden Maßstäben aufzurichten in unserer Welt?

Pfr. Bodo Windolf

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