Predigt vom 1. Januar 2006

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
"Kann Folter ein erlaubtes Mittel sein ?"
Weltfriedenstag 1. Januar"
Predigttext

Weltfriedenstag 1. Januar 2006
Kann Folter ein erlaubtes Mittel gegen Terror sein?

Das Motto des diesjährigen Weltfriedenstages lautet: „In der Wahrheit liegt der Friede.“

In seiner Botschaft zum Weltfriedenstag betont Papst Benedikt, dass Friede nicht auf das bloße Nichtvorhandensein bewaffneter Konflikte zu reduzieren ist, sondern verstanden werden muss als Frucht der Ordnung, des Rechts und der Gerechtigkeit, die der göttliche Gründer selbst in die menschliche Gesellschaft eingestiftet hat als deren Fundament. Und er führt weiter aus, „dass der Friede, um dauernd und anhaltend zu sein, auf dem Fels der Wahrheit Gottes und der Wahrheit der Menschen aufgebaut sein muss.“

Friede ist also nur wahrer Friede, wenn er einhergeht mit Recht und Gerechtigkeit. Wo ungerechte Strukturen, auch und gerade ungerechte Wirtschaftsstrukturen, zu Armut, Verelendung und Unterdrückung führen, die sich nicht selten in gewaltsamem Kampf entladen, da sind Verursacher, Verteidiger und Nutznießer solcher Strukturen mitschuldig am Krieg, selbst dann, wenn sie nicht direkte Verursacher sind.

Dass Frieden nur auf der Einhaltung des Rechts gründen und wachsen kann - dieser Grundsatz hat eine ganz neue Brisanz in der Gegenwart erhalten, nämlich in der Frage nach der Legitimität von Folter.

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass das neuartige Phänomen des Terrors, der nicht lokal begrenzt ist, sondern weltweit zuschlägt, der keine Fronten mehr kennt, auch keinerlei Unterscheidung von Schuldigen und Unschuldigen, von Kämpfenden und Zivilisten – zu einer Art von neuem Weltkrieg geworden ist. Das besonders Perfide des derzeitigen fast ausschließlich muslimischen Terrors ist, dass die Bereitschaft zur Selbstzerstörung ein Grundelement seiner Macht und Wirksamkeit ist – und, dass er zum Martyrium verklärt wird.

Die Stimmen aus dem Islam, die dies leugnen, gibt es zwar, sind aber leider noch viel zu leise gegenüber dem viel lauteren „beredten Schweigen“, das überwiegend zu beobachten ist.

Wie soll und darf dieser neuartige Terror bekämpft werden?

Im Februar 1946 hatte der US-Amerikaner George F. Kennan in einem Telegramm an Washington von einer „schlimmsten Gefahr“ gesprochen und dazu unter anderem ausgeführt: „Wir müssen an unseren eigenen Werten festhalten und dürfen nicht so werden wie unsere Gegner.“

Die derzeitige Debatte in Amerika hat genau das zum Thema: es geht um die Legitimität und den Einsatz von Folter als einem Mittel zur Bekämpfung des Terrorismus.

Die Tatsache, dass darüber überhaupt diskutiert wird, zeigt den riesigen Unterschied zwischen Amerika und den unzähligen Staaten der Erde, wo dies kein Diskussionsgegenstand innerhalb der politischen und staatlichen Organe ist, sondern einfach gewöhnliche Praxis. Dennoch gibt es Tendenzen in der derzeitigen diesbezüglichen Praxis, die zu ernstester Sorge Anlass geben.

Senator John McKain – der selbst vierjährige Folterhaft in Nordvietnam erlebt hat – forderte in diesen Tagen ein allgemeines Verbot der Folter als Verhörmethode. Diese ist schon seit Jahrzehnten allgemeine Praxis in Amerika, und zwar in Anlehnung an ein Verhörhandbuch mit Namen Kubark Counterintelligence Interrogation..

Dieses wurde erst 1992 vom damaligen Verteidigungsminister Dick Cheney eingezogen. Wiederum erst 1994 trat die Clinton-Regierung der Genfer UN-Konvention gegen Folter von 1985 bei.

Nach dem 11. September wurde die UN-Konvention allerdings als nicht mehr gültig und anwendbar für Mitglieder von Al-Kaida und Taliban bezeichnet; äußerst schmerzhafte Misshandlungen von Gefangenen Amerikas mit bleibenden psychischen Schäden und Todesfolge waren das Ergebnis.

Um Folter zu rechtfertigen, ist v.a. das Konstruieren von Grenzfällen, z.B. von Gefangenen, die um eine schon tickende Bombe wissen, ein probates Mittel; die Praxis zeigt aber, dass es niemals bei solchen Grenzfällen bleibt. Was einmal möglich ist, ist es auch ein zweites Mal, und die Grenze der Bereitschaft, solche Mittel einzusetzen, verschiebt sich sehr schnell zuungunsten eines potentiellen Folteropfers.

Es ist eine äußerst bedenkliche Richtung, die die US-Politik der letzten Jahre (und teils auch davor) verfolgt. Leider kommt man sich selbst ausgesprochen ohnmächtig vor gegenüber solchen Entwicklungen. Dennoch sollten auch wir fragen: Was können wir machen? Sicher nicht viel, aber immerhin das eine: nicht zu Gesinnungsgenossen zu werden. Und – dem Frieden überall dort dienen, wo es an uns liegt, ihn zu bewahren, auch und gerade im Kleinen unserer eigenen Alltagswelt.

Pfr. Bodo Windolf

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