Predigt vom 18. Dezember 2005   4. Advent

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
"Maria – die Begnadete"
Predigttext

Vierter Adventsonntag 18. Dezember 2005
Les: 2 Sam 7,1-5.8b-12.14a.16; Röm 16,25-27
Ev : Lk 1,26-38

Maria – die Begnadete

Maria – eine der beiden großen Gestalten, die uns die Adventszeit Jahr für Jahr vor Augen führt. Auf der einen Seite Johannes der Täufer, der große Prophet, Asket und wortgewaltige Prediger. Auf der anderen Seite sie, die Frau, Mutter, Jungfrau, die Stille, die Zurückhaltende, und doch als Mutter Gottes die Größte unter allen Geschöpfen Gottes. In den letzten Jahren ist es still um sie geworden innerhalb deutscher katholischer Frömmigkeit. Maiandachten zu Ehren der Mutter Gottes gehörten bis in die sechziger Jahre zu den bestbesuchten Gottesdiensten des Jahres. Unzählige, Männer wie Frauen, beteten ganz selbstverständlich den Rosenkranz. Bis auf Reste ist hier ein ganz wichtiger Teil alter katholischer Spiritualität weitgehend weggebrochen.

Mancher mag sagen: In heutiger Zeit der Ökumene doch ganz zu Recht. Steht Maria dem  ökumenischen Gespräch nicht eher im Wege, da sie ja einfach keinen Platz hat innerhalb protestantischer Spiritualität? Nun ja, diese Aussage stimmt nicht ganz. Immerhin war Martin Luther selbst Zeit seines Lebens ein glühender Marienverehrer. Und auch heute gibt es gar nicht so wenige unter unseren evangelischen Brüdern und Schwestern., die einen neuen Zugang zu Maria finden. Wenn man es recht bedenkt, kann man sogar sagen: Maria ist das Urbild dessen, was der Kern evangelischer Theologie ist. Das, was Martin Luther sicher nicht neu entdeckt hat – denn es war immer schon Lehre der Kirche - aber was er mit leidenschaftlicher Kraft neu ins Bewusstsein seiner Zeit gehoben hat, ist: Kein Mensch kann sich den Himmel selbst verdienen. Keiner kann sich vor Gott hinstellen und auf dieses oder jenes verweisen, weswegen er einen Anspruch auf himmlischen Lohn hätte, sondern: was immer uns zum Heil dient, alles, restlos alles ist Gnade, ist Geschenk Gottes an uns Menschen.

Aber genau diese urlutherische Überzeugung ist auch urkatholisch, wird geradezu urbildlich in Maria sichtbar. „Du bist voll der Gnade“, so begrüßt der Engel Maria und so grüßen wir Katholiken sie in jedem Ave Maria. Das bedeutet: Was immer du, Maria, bist, sagst, tust – es ist Frucht der Gnade Gottes, die in dir wirkt und der du dich in keinem Moment deines Lebens entgegengesetzt oder verweigert hast. Du bist jenes Gefäß, in dem Gottes Gnade restlos ankommen konnte; „voll der Gnade“, einfachhin die „Begnadete“.

Und das gilt in besonderer Weise für den, der sich als göttliche Person in ihr eingesenkt hat; der Maria erwählt hat, „Gefäß“ der Menschwerdung zu sein. Das Kind, das in ihr heranwächst, ist nicht Frucht männlicher Zeugungskraft, wie Lukas und Matthäus übereinstimmend bezeugen. Und das hat nichts mit Sexualfeindlichkeit zu tun, was ein ziemlich unerleuchteter Einwand immer wieder vorbringt. Sexualfeindlichkeit ist der Bibel vollkommen fremd. Nein, die jungfräuliche Empfängnis Jesu hat – um es ein wenig salopp auszudrücken – etwas damit zu tun, dass Josef und überhaupt jeder Mann nicht potent genug ist, den Sohn Gottes zu zeugen. Sie hat damit zu tun, dass hier tatsächlich restlos alles Gnade, Geschenk ist; nicht erklärbar aus den natürlichen Kräften der Welt oder des Mannes, sondern Geschenk des Himmels, das sich gnadenhaft einsenkt in den Schoß Mariens, die ihrem Geist und ihrem Leib nach gänzlich offen ist für das Wirken Gottes an ihr und in ihr.

Freilich, und das ist nun der eher katholische Aspekt bei der Deutung dieses Geschehens: Gott tritt nicht und will nicht eintreten in unsere Welt ohne das Einverständnis des Menschen. Es ist hier alles Gnade, aber unter Mitwirkung des Menschen, unter Einbeziehung seines freien Willens. Maria ist alles andere als nur ein passives Gefäß für die Gnade Gottes; vielmehr stellt sie sich mit all ihren menschlichen Kräften zur Verfügung in einer Lebendigkeit und einem aktiven Mittun, durch das die Gnade überhaupt erst ankommen kann. Gnade ersetzt niemals menschliches Tun, sondern sie setzt es frei und bringt sie zu letzter Kraft und Erfüllung.

Dabei könnte man sagen, dass alle Verheißungen des Alten Testamentes, nämlich die Frage, ob sie Wirklichkeit werden, an dem seidenen Faden des Ja-Wortes Marias hingen. Nur mit ihrem Einverständnis – und dies gibt sie stellvertretend für alle Menschen; sie ist die Frau, die in der damaligen Stunde von Nazareth uns alle vertreten hat – betritt Gott in Jesus Christus die Bühne unserer Welt.

Frage: Hätte Maria auch „Nein“ sagen können? Die Antwort kann nur lauten: die Frage ist falsch gestellt. Sie unterstellt, dass „Nein“ sagen zu Gott und Seinen Plänen mit uns ein Können, ein Vermögen sei. Aber genau das ist es nicht. Es ist ein Nicht-Können, ein Versagen aus Schwäche. Und so muss man sagen: Maria hat es gekonnt, aus einer innersten Freiheit heraus ohne jeglichen Zwang „Ja“ zu sagen, und zwar ohne jede Vermischung mit einem „Nein“. Nie war ein Mensch freier als Maria in jener Stunde, als Sie sagte: „Siehe, ich bin ...“ Sicher ahnend, was dieses „Ja“ alles umfassen und einschließen würde, nämlich viele Kreuze bis hin zu jenem schlimmsten, an dem ihr Kind sterben wird.

Weil nie ein der Erlösung bedürftiger Mensch – und das war auch Maria – ein vollkommeneres und vorbehaltloseres „Ja“ zu Gott gesagt hat, deshalb verehren wir Katholiken zusammen mit den Orthodoxen und auch einigen evangelischen Christen sie. Weil sie das Urbild der Christen ist, ist sie auch das Vorbild und Helferin für die, die sich an sie wenden, dass auch wir einstimmen in ihr Ja-Wort und so Gottes Gnade in uns wirken lassen.

Wer das tut, hat Teil an der Freude Marias. Genau mit diesem Wort begrüßt sie der Engel: „Cheire, freue dich, Maria, du Begnadete, der Herr ist mit dir!“

Den Willen Gottes zu tun ist nicht immer leicht. Aber die Frucht ist die Freude, jene Freude, die in Maria war, als sie Jesus, Gottes Sohn, empfing, als sie ihn gebar, ja die ihre Trauer trug, als sie unter dem Kreuz ihres Sohnes stand. Und so werden auch wir um so mehr teilhaben an dieser Freude, je mehr auch wir mit Maria sagen: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn., mit geschehe nach deinem Wort.“

Pfr. Bodo Windolf

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