Predigt vom 22. Mai 2005

St. Severin Garching

[Zurück zu Predigten/Sakramente] 
Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
"Gott, der Dreifaltige – Urbild menschlicher Liebe"
Predigttext

Dreifaltigkeitssonntag 22. Mai 2005
Les: Ex 34,4b.5-6.8-9; 2Kor 13,11-13
Ev: Joh 3,16-18

Gott, der Dreifaltige – Urbild menschlicher Liebe
Gedanken zu Gott, Familie und Homosexualität

An einem Sonntag wie diesem, dem Dreifaltigkeitssonntag, an dem Gott als der Eine und zugleich Dreifaltige in der Mitte der Feier steht, kann ich kaum anders als zu versuchen, mit Ihnen ein wenig Theologie zu treiben; wobei ich zugleich versuchen will, diese Theologie auf sehr praktische Konsequenzen für unser Leben durchsichtig zu machen. Dabei werde ich auf eine Konsequenz kommen, mit der ich bzw. die Kirche ganz eklatant gegen heutige political correctness verstoßen.

Zuerst ein wenig Theologie. Wenn wir auf die Menschheitsgeschichte zurückblicken, entdecken wir kein einziges Volk und keine Kultur, in der die Menschen atheistisch, das heißt gottlos gelebt hätten. Oft war es so, dass man einen Hochgott verehrte, der allerdings umgeben war von vielen weiteren Göttern und göttlichen Wesen, denen man Gebete, Opfer und Verehrung darbrachte. Nun gehört es geradezu zu den Wundern der Geschichte Israels, dass uns hier ein kleines, politisch absolut bedeutungsloses Volk begegnet, das im Verlauf von Jahrhunderten gelernt hat, sich nur und ausschließlich einem einzigen Gott anzuvertrauen. Religionsgeschichtlich ist dies eine – nach menschlichen Maßstäben nicht gut zu erklärende – Einmaligkeit. (In Israel ist gleichsam der Himmel leergefegt von allen Göttern; denn es ist gerade nicht so, dass man alle beiseite getan hätte bis auf einen. Vielmehr ist keiner der Götter der Völker der Gott Israels, da sie alle letztlich Teil unserer Welt, unseres Kosmos sind, personifizierte himmlische Projektionen innerweltlicher Kräfte ( wie die des Wachstums, der Schönheit, der Liebe, des Eros, des Hasses, des Krieges, des Todes usw.). An deren Stelle rückt allein der schlechthin transzendente (weltjenseitige) Gott, der Schöpfer des Himmels und der Erde.)

Allerdings gibt es eine in einem Punkt ähnliche Entwicklung auch in anderen Völkern. Wo immer der Mensch tiefer nachgedacht hat, hat er erkannt: die letzte Wirklichkeit, der Grund, der Ur-Grund von allem, kann nur Einer sein. Wo mehrere Götter sind, begrenzen sie sich gegenseitig; die letzte Wirklichkeit aber muss unbegrenzt, unendlich, daher das grenzenlose Eine sein.

Der entscheidende Unterschied zu Israel ist nun - und zwar ganz gleich, ob es die Neuplatoniker Griechenlands das Hen, der Hinduismus Brahman, der (Mahayana-) Buddhismus Sunyata nennen – dass aus Gott das Göttliche, aus dem persönlichen Gott das unpersönliche Göttliche aus dem Du ein namenloses Es wird. Dieses unpersönliche Göttliche kann von Menschen geliebt und erstrebt werden, aber es kann nicht selbst lieben, wie Aristoteles es ausdrückt.

Genau das ist in Israel grundlegend anders. „Mit ewiger Liebe habe ich dich geliebt“, hören wir Jahwe, den Gott Israels sagen. Hier liebt nicht in erster Linie der Mensch. Im Gegenteil: Gott liebt zuerst und menschliche Liebe ist nur die Antwort auf die stets zuvorkommende Liebe Gottes.

Und doch entsteht auch hier eine Schwierigkeit. „Mit ewiger Liebe habe ich dich geliebt“ – dieser Satz meint uns Menschen, uns insgesamt und darin jeden einzelnen. Die sich daraus ergebende unausweichliche Frage lautet nun aber: Braucht Gott, braucht Jahwe uns Menschen, um überhaupt lieben zu können? Muss der Einpersonale Gott Israels allererst ein Du erschaffen, um sich selbst aus Seiner göttlichen Einsamkeit zu erlösen und endlich ein Du zu haben, auf das hin Er sich liebend beziehen kann? Gott, ein einsamer Robinson Crusoe, der sich seinen Freitag selbst erschafft?

Aus diesem Dilemma, in dem sowohl der jüdische wie auch der moslemische Gottesglaube stehen, führt uns erst die Selbstoffenbarung Gottes heraus, wie sie uns in Jesus Christus begegnet. Gott war nie einsam, nur mit sich selbst beschäftigt, sondern ist in sich selbst als der Eine zugleich Gemeinschaft. Er ist in sich selbst lebendige Beziehung, Austausch, gegenseitiges sich Verschenken, eine Dynamik gegenseitiger Liebe, für die uns jede Vorstellung fehlt.

Warum drei Personen? Hätten nicht Vater und Sohn gereicht? Der mittelalterliche Theologe Richard von Sankt Viktor hat eben diese Frage gestellt, ob denn nicht schon die Liebe zu zweit – wie die zwischen Vater und Sohn oder, auf Erden, die zwischen Mann und Frau – die Vollgestalt der Liebe sein könne. Seine Antwort: Nein, hier liebt jeder jemand anderen – der Vater den Sohn, der Sohn den Vater, der Mann die Frau, die Frau den Mann. Was dieser Liebe zu zweit fehlt, ist der „condilectus“, wie Richard von St. Viktor ihn genannt hat, der (von beiden) „gemeinsam Geliebte“; noch mehr: der, auf den beide gemeinsam schauen als die Frucht ihrer beider Liebe.

In Gott ist die Frucht der ewigen Liebe zwischen Vater und Sohn eine dritte Weise, Gott zu sein, nämlich die göttliche Person des Heiligen Geistes. Beim Menschen in der Liebe von Mann und Frau ist dieser Condilectus als Frucht der ehelichen Liebe das Wunder einer neuen menschlichen Person, das Kind. Im geschöpflichen Bereich nehmen also das Kind bzw. die Kinder gleichsam den Ort ein, der im dreifaltigen Gott dem Heiligen Geist zukommt. Damit ist also das vornehmste und ausdrucksstärkste Abbild des dreifaltigen Gottes in der Schöpfung die Familie.

Nicht zuletzt das ist daher auch der Grund, warum nach katholischem Verständnis eine Ehe nur dann gültig zustande kommt, wenn beide offen sind auf Nachkommenschaft hin.

Erst kürzlich sagte eine Teilnehmerin eines Ehevorbereitungskurses in die Runde hinein, es sei ganz schön intolerant von der Kirche, dies zur Bedingung einer gültigen Ehe zu machen; das müsse doch ein Paar selber wissen, ob es Kinder haben möchte oder nicht.

Gegen diese Haltung eines Egoismus zu zweit, der sich gegen die Fruchtbarkeit der Liebe und damit gegen die Zukunft entscheidet – denn Kinder bedeuten Zukunft und natürlich noch viel mehr; gegen eine solche Haltung, die außerdem beiträgt zum kollektiven Selbstmord unserer Gesellschaft, wie wir es im Moment erleben – kann die Kirche nur auf das Urbild aller wahren Liebe verweisen, auf den dreifaltigen Gott: In Ihm wird deutlich, was erst die Vollgestalt ehelicher Liebe ist.

Und das ist auch ein entscheidender Grund, warum – und nun mein Verstoß gegen heutige political correctness – warum die Kirche Homosexualität ablehnt. Die Ehe kann manchmal trotz Kinderwunsch unfruchtbar bleiben und verliert auch dann selbstverständlich nichts von ihrer Gültigkeit und Würde. Die sogenannte „Homoehe“ aber ist von ihrem Wesen her steril, unfruchtbar. Auch wenn jedem Menschen, der homosexuell empfindet, mit derselben Achtung zu begegnen ist wie jedem anderen Menschen auch, auch wenn keinem von uns ein Urteil über seine Person zusteht, auch wenn es ohne Zweifel echte und tiefe Liebe zwischen Homosexuellen gibt, wobei freilich auch die extrem hohe Promiskuität vor allem unter Männern erwähnt werden muss – all dem steht nicht entgegen, zu sagen, dass praktizierte Homosexualität eine von Gott nicht gewollte Weise der Sexualität und daher objektiv Sünde ist. In diesem Punkt ist die heilige Schrift absolut eindeutig; und wo eine kirchliche Gemeinschaft dies anders sieht und Homoehen einsegnet, steht sie nicht mehr auf dem Boden der Bibel. Leider Gottes geht deswegen mitten durch die anglikanische und andere protestantische Kirchen ein tiefer Riss; und wo bis vor wenigen Jahren noch ein selbstverständlicher Konsens bestand, ist ein neuer ökumenischer Riss zwischen Katholiken und Orthodoxen auf der einen und Protestanten auf der anderen Seite entstanden. Ich selbst glaube, Martin Luther würde sich im Grabe umdrehen.

Zuletzt noch eine kurze Bemerkung zur aktuellen Politik. Dass diese in einer Zeit, in der wir alle miteinander sehenden Auges auf eine demographische Katastrophe zusteuern, nichts Besseres zu tun hat, als die „Homoehe“ durchzupeitschen, kann nur noch als reine Verantwortungslosigkeit höchsten Grades bezeichnet werden und ist für mich ein Zeichen dafür, wie krank unsere Zeit ist. Dass homosexuelle Paare z. B. im Krankheitsfall Auskunftsrecht bekommen, erbrechtlich gleichgestellt werden usw. – dagegen ist sicher nichts einzuwenden. Aber für sie eine Pseudo-Ehe mit entsprechenden Privilegien bis hin zum Adoptionsrecht zu forcieren, hat keinerlei Logik, das ist reine Ideologie.

Denn die auf Kinder hin angelegte Ehe steht unter dem privilegierten Schutz des Staates, weil sie unverzichtbar ist für die Zukunft einer Gesellschaft. Was aber die „Homoehe“ betrifft, gibt es diesbezüglich kaum etwas Überflüssigeres.

Wie wenig Logik tatsächlich dahinter steht, zeigt folgende Überlegung. Als ich Musik studierte, habe ich eine sechzigjährige alleinstehende Dame unterrichtet, die seit Jahren mit einer ebenfalls unverheirateten Freundin zusammenlebte. Sie waren echte Freundinnen, unterstützten sich gegenseitig, wären aber nie im Leben auf die Idee gekommen, miteinander Sex zu haben geschweige denn zu „heiraten“.

Solchen Menschen – und das gilt auch für andere Lebensgemeinschaften, z.B. für eine Mutter, die ihren Junggeselle gebliebenen Sohn versorgt, die Frau oder der Mann, die/der sich um den verwitweten Vater oder die verwitwete Mutter kümmert, usf. – solchen Menschen Privilegien vorzuenthalten, sie aber zu gewähren unter der Voraussetzung, dass ein Paar homosexuellen Verkehr hat und daher heiratet – ist, wie gesagt, nicht logisch, sondern ideologisch.

Ich habe einen großen Bogen geschlagen von spekulativer Theologie hin zu sehr konkreten ethischen Fragen unserer Zeit. Ich bin mir bewusst, dass ich mit diesen Gedanken auch heftiger Ablehnung begegnen werde. Aber wir können das Evangelium nicht je nach unserem aktuellen Geschmack umdeuten; und auch dieses stößt ja nie auf ungeteilte Zustimmung.

Es war jedenfalls der Versuch zu zeigen, dass das christliche Gottesbild Konsequenzen für unser Leben hat, nicht zuletzt in Bezug auf die Frage, wie Beziehung unter Menschen, gerade auch die eheliche Beziehung sein soll und wie nicht.

Pfr. Bodo Windolf

Seitenanfang
© copyright    2005       WebMaster: Herbert Bauernfeind   webmaster@bauernfeind-web.de