Predigt vom 14. November 2004

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
"Die drei evangelischen Räte der Armut, des Gehorsams und der Ehelosigkeit"
Predigttext

33. Sonntag i. J. 14. Nov. 2004 (Volkstrauertag)
Les: Mal 3,19-20b; 2 Thess 3,7-12
Ev : Lk 21,5-19

Die drei evangelischen Räte der Armut, des Gehorsams und der Ehelosigkeit

Wenn wir auf das vergangene Jahrhundert zurückblicken – was wir in besonderer Weise am heutigen Volkstrauertag tun – dann könnte man meinen, die Prophezeiungen Jesu aus dem Evangelium haben sich darin erfüllt. Zwei Weltkriege apokalyptischen Ausmaßes haben das 20. Jahrhundert wie kaum etwas anderes geprägt. Zum neunzigsten Mal jährt sich der Beginn des Ersten Weltkriegs. Der schmähliche Frieden von Versailles trug schon den Keim des noch furchtbareren Zweiten Weltkriegs in sich. Neben den Millionen von Opfern, Soldaten und Zivilisten und nicht zu vergessen, Juden, Sinti und Roma, ist das vergangene Jahrhundert auch ein Jahrhundert der Märtyrer. „Um meinetwillen werdet ihr von allen gehasst werden“, so haben wir vorhin im Evangelium gehört. Nie in der Kirchengeschichte haben so viele Christen die traurige Wahrheit dieses Satzes an sich selbst erfahren und ihr Hab und Gut, ihre Ehre und ihr Leben verloren.

Mit großer Dankbarkeit werden wir nun aber schon im nächsten Jahr auf sechzig Jahre Frieden in unserem Land zurückschauen und auch als Christen dürfen wir dankbar sein, wegen unseres Bekenntnisses zu Christus nicht um unser Leben fürchten zu müssen.

Nichts desto trotz hat das Zeugnis für Ihn heute seine ganz eigenen Schwierigkeiten. Unter den Bedingungen einer durch und durch säkularisierten Gesellschaft mit dem eigenen, ganzen Leben Zeugnis zu geben für den Glauben an Jesus Christus ist nicht unbedingt einfacher als unter der Bedingung von Verfolgung.

Um so schöner ist es, dass wir schon bald ein solches Lebenszeugnis hier unter uns erleben werden. Eine junge Garchingerin, Schwester Martina Neuhauser, wird am nächsten Sonntag in unserer Pfarrkirche St. Severin ihre ewige Profess ablegen und auf diese Weise endgültig ihr Leben Gott weihen, indem sie die drei evangelischen Räte der Armut, des Gehorsams und der Ehelosigkeit verspricht. Ich will das zum Anlass nehmen, einmal über diese Lebensform zu sprechen, die ja in unserer Zeit auf eher wenig Verständnis stößt.

Zunächst einmal ist es wohl gut, hinzuweisen auf die allgemein-menschlichen Grundlagen der evangelischen Räte; eine Grundlage, ein Wissen, eine Intention, die es eigentlich in allen Religionen, selbst den sog. primitivsten gibt: dass es nämlich notwendig sein kann oder sogar ist, um höherer Werte willen auf unmittelbare irdische Genüsse oder Vorteile zu verzichten. Verzicht auf Besitz, Ehe und Selbstbestimmung indem man sich einem geistlichen Führer anvertraut, gibt es daher in vielen Religionen. Oft allerdings hat es da den Charakter von Weltflucht und Verachtung des Irdischen.

Für Christen ist das Urbild dieser Lebensweise kein anderer als Jesus selbst, der arm wurde buchstäblich arm, um uns den Reichtum der göttlichen Erlösungsgnade zu schenken; der ehelos lebte, um Gottes Liebe zu allen Menschen zu offenbaren; der gehorsam war bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz, um den Ungehorsam der sündigen Menschheit zu sühnen.

Gehorsam nämlich dem Vater gegenüber: „Meine Speise ist es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat.“ (Joh 4)

Dies alles hat Er nicht getan, weil Er die irdischen Güter geschweige die Ehe verachtet hätte; dies hat Er auch nicht getan, um Sich selbst religiös zu verwirklichen – gleich einem buddhistischen Mönch – oder um sich abzukehren von der bösen Welt, sondern Er hat es getan für andere, für die Welt, für die Menschen, für einen jeden von uns – nicht weltflüchtig, sondern aus Liebe zur Welt. „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gesandt hat, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern gerettet wird.“ (Joh 3)

Und – Er hat einzelne gerufen und berufen, dass auch sie eintreten in diese Seine Lebensweise; dass sie alles verlassen, um ihr Leben ganz Ihm und Seiner Sendung zur Verfügung zu stellen. Das ist der Grund, warum es diese Lebensform bis heute gibt: wiederum nicht zur eigenen religiösen Selbstverwirklichung, nicht aus Weltflucht, nicht aus Verachtung des Irdischen, sondern um sich zu schenken; sich ganz – für die Absichten Gottes und Jesu Christi.

Dabei sollte klar sein, dass die evangelischen Räte in einem bestimmten Sinn alle Christen angehen. Alle nämlich sollen ihrer Gesinnung nach arm sein – und nicht an den irdischen Reichtümern hängen und kleben. Auch die Verheirateten sollen – um ein veraltetes Wort zu gebrauchen – ihre eheliche und geschlechtliche Liebe keusch leben, d.h.: das andere Geschlecht niemals zum reinen Objekt sexueller Begierde degradieren und sie daher zum körperlichen Ausdruck echter gegenseitiger Liebe machen. Und alle sollen bereit sein, die Vater-unser-Bitte zu sprechen: „Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden“, das heißt auch unter manchmal hartem Verzicht auf den eigenen Willen.

Aber daneben gibt es die Einladung und Berufung an Einzelne, die genannten Verzichte auch buchstäblich zu vollziehen – in Nachahmung Jesu selbst.

Selbstverständlich kann und soll das nicht heißen, dass solchermaßen Berufene deswegen auch schon bessere Christen wären. Wie schrecklich ist es, wenn Priester, Ordensleute oder Gottgeweihte zwar äußerlich in den Räten, aber nicht innerlich in der Liebe leben. Die Liebe allein zählt letztlich bei Gott, ganz gleich, in welcher Lebensform wir sie leben. Und daher sind die evangelischen Räte nur sinnvoll und auch nur lebbar und ein echtes Zeugnis für Christus, wenn man sie aus demselben Grund eingeht wie eine Ehe: nämlich aus Liebe; und das heißt: als Ausdruck einer brennenden Liebe zu Gott und den Menschen, zu denen Gott einen sendet.

Warum gerade diese drei: Armut, Gehorsam, Ehelosigkeit? Einfach deswegen, weil sie die drei Bezirke menschlichen Lebens umfassen, über die wir verfügen können: Geist, Leib, die äußeren Güter. Das zu geben heißt „alles“ zu geben; um es mit dem Nachfolgeruf Jesu zu sagen: „alles zu verlassen“.

Vollkommen gelungen ist es außer Jesus nur Maria. Alle anderen versprechen mehr, als sie halten können. Aber das gilt ja durchaus auch für das Eheversprechen; denn wem gelingt es schon mit letzter Konsequenz, den anderen „zu lieben und zu achten und zu ehren alle Tage meines Lebens“? Ja, es gilt für unser Christsein und unser damit verbundenes Taufversprechen insgesamt. Aber nicht die 100prozentige Erfüllung des Versprechens ist das, worauf es vor Gott ankommt ist, sondern es ist das Bemühen, es mehr und mehr zu versuchen, dem (versprochenen) Ideal nahezukommen.

Kann man es heutzutage überhaupt noch wagen, eine solche Lebensform einzugehen? Wer weiß denn schon, ob jemand die Kraft dazu noch in zehn oder zwanzig Jahren hat.

Die Antwort kann nur dieselbe sein wie auf die Frage, ob man sich heute noch ewige eheliche Treue versprechen kann. Wenn man nur auf die eigene Kraft vertraut, müsste man sagen: nein, es geht nicht. Aber im Vertrauen auf Gott und Jesus Christus, der beruft und auch die Kraft gibt zur Treue, kann man sagen: Ja, es ist möglich.

Ich bin sicher, dass es auch in unserer Zeit viele solcher Berufungen gibt. Es liegt nicht zuletzt am Klima und am Gebet einer Pfarrei, ob in ihr solche Berufungen wachsen können, geweckt und gefördert werden. Für jetzt aber freuen wir uns darüber, dass eine junge Frau aus unserer Pfarrei diesen Weg für sich gewählt hat, besser: dass sie Ja gesagt hat zum Ruf Gottes.

Pfr. Bodo Windolf

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