29. Sonntag i. J.; 17.
Okt. 2004 (Kirchweih) Frage: Wohin sind wir
mit unserer westlichen säkularisierten, mehr und mehr Gott verlierenden
Zivilisation unterwegs? Müssen wir nicht feststellen, dass inmitten des
Wohlstands unseres Landes doch immer mehr Menschen so etwas wie Hölle erleben:
die Hölle von Vereinsamung unzähliger Singles und alter Menschen, die Hölle
von Depression und Nervenkrankheiten, die Hölle von Alkoholismus und
Drogensucht, die Hölle der Verwahrlosung besonders von Kindern und
Jugendlichen, die Hölle eines gnadenlosen Konkurrenzkampfes, in dem der Große
den Kleinen, der Starke den Schwachen frisst; die Hölle von Langeweile und
Sinnleere, in die ein ausschließlich auf Spaß und Genuss setzendes Leben fast
zwangsläufig führt. Und ist nicht gerade auch der Verlust und die weitgehende
Abwesenheit Gottes im Leben so vieler Menschen ein nicht unwesentlicher Grund für
all diese Höllen? Ich weiß: Mit dieser Behauptung provoziere ich Widerspruch. In Gesprächen vor allem mit aus der Kirche Ausgetretenen kann ich nämlich immer wieder hören: Ich glaube; und ich kann glauben, auch ohne in der Kirche zu sein. Doch das ist ein
fulminanter Irrtum. Warum? Weil auch diese Menschen überhaupt erst durch die
Kirche zum Glauben gelangt sind. Nur weil es Eltern, Lehrer, Pfarrer usw. gibt,
die ihrerseits wiederum von Eltern, Lehrern, Pfarrern und so fort, also von der
Kirche, den Glauben gelernt haben, gibt es den Glauben auch heute noch. Nur stoßen
die Betreffenden die Leiter, auf der sie zum Glauben an Gott und Jesus Christus
hochgestiegen sind, oben angelangt einfach von sich. Und so ist es eine reine
Selbsttäuschung, zu meinen, ohne die Kirche, in der der christliche Glaube
gelebt, gefeiert, gebetet und
überliefert wird, könne es auf Dauer Glauben geben. 1. „Mein Sohn, lerne aus den heiligen Schriften, die dir Weisheit verleihen“, hieß es in der Lesung. Man könnte auch sagen: „... die deine Vernunft vernünftig machen“. Es ist ein leider weitverbreitetes, aber wie ich finde, eher einfältiges Klischee, dass die moderne Wissenschaft und ihr Weltbild keinen Platz mehr lasse für Gott und den Glauben. Muss man die Vernunft ablegen, um glauben zu können? Papst Johannes Paul hat dieser Frage eine ganze Enzyklika gewidmet, betitelt „Fides et ratio“, „Glaube und Vernunft“, und darin schreibt er: „Der Glaube ist nicht Gegner der Vernunft, sondern Anwalt ihrer Größe.“ Es gilt gerade heute zu zeigen, dass es im Einklang mit modernsten wissenschaftlichen Erkenntnissen weitaus vernünftiger ist zu glauben, als nicht zu glauben. Und es gilt zu zeigen, dass Glaube und Vernunft aufeinander angewiesen sind. Denn wo sie sich trennen, erkranken beide. Die Vernunft wird kalt und verliert ihre Maßstäbe. Sie steht in Gefahr, etwas nicht deswegen für gut zu befinden, weil es gut ist, sondern weil es nützlich ist. Das Gute nach dem Kriterium der Nützlichkeit für eigene Zwecke zu bestimmen und damit nach der Devise zu handeln, der gute Zweck heilige auch schlimme Mittel, erleben wir augenblicklich z.B. im Bereich des beginnenden und endenden menschlichen Lebens auf eine geradezu bestürzende Weise. Aber auch der rein
irrationale Glaube, der die Vernunft beiseite setzt, wird krank und macht krank.
Welche Zerstörungen von kranker Religiosität ausgehen kann, erleben wir leider
auch immer wieder und gerade auch in der Gegenwart. Und diese Wahrheit ist
immer modern und unmodern gleichzeitig. Modern, weil sie die notwendige und
notwendende Medizin einer jeden Zeit ist. Unmodern, weil sie immer auch ein
Stachel im Fleisch jeder Epoche ist. Eine Kirche, an der sich der Zeitgeist
nicht mehr reibt, weil sie sich ihm schon gänzlich gleichgeschaltet hat,
verdient nicht mehr den Namen Kirche Jesu Christi. Auch Christus ist gekreuzigt
worden, weil er für seine Zeit zu unmodern war. Wenn die Kirche auf Ablehnung
stößt, weil sie unzähligen Unsinn und viel Krankes unserer Zeit nicht gutheißt
und nicht mitmacht, ist sie daher in bester Gesellschaft. Persönliches und
gemeinschaftliches Gebet in der Messfeier, im Abend- und Morgenlob, in der
stillen Anbetung, wie es in unserer Pfarrei angeboten wird, öffnet den Himmel.
Die Nichtbeter leben vom Gebet der Beter. Dies ist stellvertretender Dienst der
betenden und Gottesdienst feiernden Kirche für die Menschheit insgesamt. |
|||||||||