Predigt vom 26. September 2004

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
"Zumutung – ich nicht mehr als ein „unnützer Sklave“?"
Predigttext

26. Sonntag im Jahreskreis 26. Sept. 2004
Les: Am 6,1a.4-7; 1Tim 6,11-16
Ev: Lk 16,19-31

Zumutung – ich nicht mehr als ein „unnützer Sklave“?

„Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen wurde, sollt ihr sagen: Wir sind unnütze Sklaven, wir haben nur unsere Schuldigkeit getan.“

Zwei Vorbemerkungen: Ich habe mir vor meiner Priesterweihe überlegt, diesen Satz als meinen Primizspruch auszuwählen. Am Ende hatte ich doch nicht den nötigen Mut dazu und habe mich anders entschieden, weil ich mir dachte: „Das versteht niemand. Die halten dich nur für ziemlich bescheuert.“

Mark Twain hat einmal gesagt, Kopfzerbrechen würden ihm nicht die Bibelstellen bereiten, die er nicht verstehe, sondern die, die er verstehe. Offensichtlich rechnete er also damit, dass Gottes Wort manches ihm Unverständliche enthalte und das als verstanden Geglaubte noch viel mehr berge.

Nun erscheint aber ein Satz wie der zitierte Schlusssatz des heutigen Evangeliums nicht nur unverständlich, sondern darüber hinaus auch noch als eine schreiende Ungerechtigkeit. Wenn das das Reich Gottes sein soll – schuften wie ein Sklave und dann nicht einmal Dank, geschweige denn Lohn erwarten dürfen – dann sage ich doch lieber gleich: nein danke!

Aber vielleicht ist es doch lohnend, sich mit dieser jesuanischen Zumutung auseinanderzusetzen! Suchen wir für ein besseres Verständnis Hilfe bei einem anderen Jesuswort.

Jeden Tag, in jedem Gottesdienst beten wir in seinem Auftrag: „Vergib uns unsere Schuld.“ In der matthäischen Fassung des „Vater unser“ steht das griechische Wort: oφeilnma, das ursprünglich nicht Schuld im Sinne von „Sünde“ bedeutet, sondern „Schulden“, mit anderen Worten: Leistungen jedweder Art, die ich jemandem schulde, weil er mir etwas vorgestreckt, eine Huld, eine Gnade, eine Unterstützung erwiesen hat, weil ich ihm also etwas verdanke. In diesem Sinn kann man dann die Bitte: „Vergib uns unsere Schuld“ auch so umschreiben: Vater, wir stehen restlos in deiner Schuld; denn nichts, schlechthin nichts gibt es, das wir nicht dir zu verdanken hätten: unser ganzes Leben mit allem was wir sind und was wir haben.

(Deshalb feiern wir auch wie am heutigen Tag Erntedank.) Und weil das so ist, sieh uns nach, vergib uns, dass wir immer hinter dem zurückbleiben, was wir dir (und in deinem Auftrag einander) eigentlich schuldig wären. Nie können wir sagen: Ich habe genug getan, genug geglaubt, genug gehofft, genug geliebt; ich habe genug aus meinem Leben gemacht. In aller Demut und Bescheidenheit müssen wir, wenn wir uns nicht hochmütig vor Gott selbst überheben und selbst überschätzen wollen, sagen: Es ist eigentlich nur meine Schuldigkeit, nein, eigentlich noch viel weniger als meine Schuldigkeit, was ich dir Gott, vorweisen kann.

Und damit, liebe Gemeinde, sind wir beim heutigen Evangelium: Jesu Worte sind keine Abhandlung über die Dankes- und Lohngepflogenheiten im Reich Gottes. Vielmehr will er seinen Jüngern und uns eine bestimmte Haltung vor Augen führen und uns darin einüben: Wir sollen, wir dürfen, nein eigentlich schulden wir es Gott, am Aufbau seines Reiches mitzuwirken. Er ist der Herr, dem zu dienen eigentlich nur recht und billig ist. Aber wir sollen es nicht als Lohnknechte machen, die etwas nur tun, weil sie Dank und Lohn erwarten. „Wenn ich das tue, lieber Gott; jeden Tag das Vater unser beten, an Weihnachten etwas spenden, in die Kirche gehen, nicht klauen, und auch sonst brav sein – dann muss ich aber auch etwas von dir erwarten können.“

Wer so mit Gott das Rechnen anfängt, wird am Ende immer als unendlicher Schuldner dastehen. Nein, die Haltung soll eine andere sein: Du Gott, könntest eigentlich, wenn Du alles alleine machen würdest, alles unendlich viel besser machen. Aber Du willst das nicht. Du willst, dass ich mit meinen kleinen und größeren Talenten, mit meinen manchmal guten, manchmal stümperhaften Fähigkeiten, dass ich selbst mit meinen Fehlern und Schwächen, mitarbeite,  mit Dir mitarbeite, und zwar in der einfachen, schlichten Haltung dessen, der sagt: Herr, wenn mir etwas gelungen ist, dann war es immer auch mit Deiner Gnade – und: ich habe insgesamt nicht mehr als meine Schuldigkeit getan.

Wer so in großer Schlichtheit und Demut vor Gott steht, ist jenseits des Rechnens und Berechnens von Lohn; und der weiß: auch Gott rechnet nicht, sondern gibt, schenkt, schüttet über uns aus, unendlich viel mehr als das, was wir uns je würden verdienen können.

Pfr. Bodo Windolf

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