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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf
Thema:
"Die Kraft stellvertretenden Gebetes"
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24. Sonntag i. J.; 12.
Sept. 2004
Les: Ex 32,7-11.13-14; 1 Tim 1,12-17
Ev : Lk 15,1-32
Die Kraft stellvertretenden Gebetes
„Du sollst dir von mir kein Bild
machen“, so heißt es im 1. Gebot des Dekalogs. Nun haben wir aber alle
irgendwelche inneren Bilder, inneren Vorstellungen, mit denen wir versuchen, den
Unvorstellbaren für uns selbst vorstellbar zu machen. Und dagegen ist auch
nichts einzuwenden, solange uns bewusst bleibt, dass Gott immer noch unendlich
anders ist als wir Ihn uns denken.
Die heilige Schrift
ist dabei wie ein Haus mit unzähligen Fenstern, durch die hindurch wir immer
wieder einen neuen Blick auf Gott tun können. Und wenn wir gut schauen, dann
entdecken wir auch immer wieder etwas Neues, Überraschendes, Geheimnisvolles,
manchmal auch Erschreckendes, schwer Verständliches wie das Evangelium vom
letzten Sonntag, insgesamt aber immer Heilsames und Tröstendes.
Was lassen uns die Fenster der heutigen Lesungstexte von Gott schauen? Mir
scheint, im Blick durch das Fenster der Lesung hindurch, zunächst einmal etwas
zuhöchst Überraschendes.
Gerade erst hat Gott am Berg Sinai Seinen Bund mit dem Volk Israel geschlossen.
Nur Ihn soll Sein Volk anbeten und verehren. Er wird es dafür begleiten, beschützen
und segnen, wie Er es in der großen Befreiungstat aus der Sklaverei Ägyptens
schon gezeigt hat. Doch schon bei der ersten Prüfung versagt Israel. Mose, ihr
Anführer, auch und gerade in Sachen des Glaubens, ist weg, nämlich auf dem
Berg, und man beginnt zu meinen, er komme gar nicht mehr zurück. Aber noch bedrückender
erscheint ihnen: Wo ist denn Er selbst, dieser Unsichtbare, Gott, von dem sie
gar kein Bildnis haben und auch keines machen sollen? Ohne Bild ist Er so
unbegreiflich fern. Nein, das kann doch nicht gewollt sein! Wir wollen unseren
Gott sehen, tasten, fühlen – und schon fällt man zurück in heidnischen Götzendienst
und gießt sich Jahwe als – goldenes Kalb.
Was soll Gott tun angesichts dieses ungeheuerlichen Abfalls und Frevels? Und da
hören wir Ihn etwas Unglaubliches sagen: „Es ist ein störrisches Volk. Und
daher, Mose, lass mich, damit mein Zorn gegen sie entbrennt und sie verzehrt.“
– Haben wir da richtig gehört? „Lass mich ...“, sagt da Gott. Wer ist
denn Mose, dass Gott zu ihm so etwas sagt? Hat denn Mose die Macht Gott zu
hindern? Ihn nicht zu lassen?
Und nun das
Erstaunlichste: Ja, er scheint diese Macht tatsächlich zu haben. Gott hört auf
Mose und ihn reut das Böse.
Doch was ist das für
eine Macht, die Mose hier über Gott zu haben scheint? Es ist die Macht seiner
menschlichen Liebe, die Macht seines Gebetes, die Macht seiner Selbstlosigkeit.
„Dich, Mose, will ich zu einem großen Volk machen“, sagt Gott zu ihm. Doch
diese ihm angetragene Ehre interessiert ihn gar nicht. Für dieses armselige
Volk da unten am Fuße des Berges tritt er fürbittend ein, ins Herz hat er es
geschlossen – und er weiß: auch Gott hat es ins Herz geschlossen. Und so
appelliert Mose an eben dieses Herz Gottes, an Seine Liebe zu diesem Volk und
seinen Vätern Abraham, Isaak und Jakob. Und genau damit – mir scheint, nach
der heutigen Lesung können wir es wagen, es so zu formulieren – genau damit
überwindet, erobert er Gott.
Natürlich provoziert
das sofort die Frage: Soll das heißen, dass des Mose Liebe größer sei als die
Liebe und das Erbarmen Gottes?
Selbstverständlich nicht. Nein, Gott wollte, dass Mose so für sein Volk eintritt. Sein „lass
mich“ hat genau diese Reaktion hervorrufen wollen. Warum? Um zu zeigen, welche
Macht stellvertretendes fürbittendes Gebet hat; um zu zeigen, wie wir mitwirken
können am Heil auch anderer und wie wir Gottes Herz erobern können selbst
dann, wenn Er allen Grund hätte, Menschen zu verwerfen, und sie ihrem selbstgewählten
Schicksal zu überlassen. Genau das will Gott nicht. Nicht das Verderben,
sondern die Bekehrung und das Heil des sündigen Menschen will Er.
Genau diesen Zug Gottes bestätigt und vertieft sogar nocheinmal das Evangelium.
Zur Zeit Jesu gab es die weitverbreitete Auffassung, im Himmel herrsche große
Freude, wenn ein Gerechter in ihn eingehe; aber ebensolche Freude herrsche über
den Untergang und die Bestrafung eines Gottlosen.
Mit solchen
Vorstellungen von Gott möchte Jesus mit seinen beiden Gleichnissen radikal aufräumen.
So sehr brennt hier Gott auf das Heil des Verlorenen, Verirrten, vom Weg
Abgekommenen, dass Er sich selbst auf den Weg macht, ihn zu suchen.
Und wiederum etwas Erstaunliches, das uns der Blick durch dieses Fenster, nämlich
des Gleichnisses, auf Gott eröffnet: Hier sucht nicht der Mensch Gott, sondern
Gott sucht den Menschen. Nicht der Mensch ist hier Gottsucher, sondern Gott ist
ein leidenschaftlicher Menschensucher.
Wie tut Er das in unserem Leben? Ich will zurückgreifen auf ein tief
weisheitliches Wort unserer Sprache. Natürlich hat Gott viele Wege, uns zu
suchen. Er tut dies durch andere Menschen. Er tut dies in der Erfahrung z.B.
tiefen Glücks. Nicht selten ist es aber der Weg einer „Heimsuchung“, auf
dem er uns sucht. Wenn wir davon sprechen: Ich bin heimgesucht worden von einem
Schicksalsschlag, dann verbinden wir damit oft äußerst schmerzliche
Erfahrungen. Aber solche „Heimsuchungen“ deuten zu können als Weisen, wie
Gott mich sucht, um mich immer tiefer heimführen zu können
in das Heim und Ge-heim-nis Seiner
Gegenwart – das bedeutet, sich von Ihm wie von einem Hirten, der das
verlorene, verletzte, verirrte Schaf auf seiner Schulter trägt – ebenfalls
tragen zu lassen: tragen zu lassen in
der Heimsuchung und durch die Heimsuchung hindurch; heim, zu Ihm, Gott, unserem Hirten, der jeden von uns
sucht.
Wie Mose selbstlos betend füreinander eintreten und sich immer wieder neu von
Gott finden lassen – das bezeichnet Jesus im heutigen Gleichnis als eine der
größten Freuden Gottes und als Freude des Himmels.
Pfr. Bodo Windolf
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