Predigt vom 5. September 2004

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
"Alles gering achten um Jesu willen – ist das nicht zu viel verlangt?"
Predigttext

23. Sonntag i. J.; 5. Sept. 2004
Les: Weish 9,13-19; Phlm 9b-10.12-17
Ev: Lk 14,25-33

Alles gering achten um Jesu willen – ist das nicht zu viel verlangt?

Nie hat Jesus die Bedingungen der Nachfolge so radikal formuliert wie im heutigen Evangelium. Warum diese geradezu befremdliche Radikalität? Sie ist wohl nur aus der Situation heraus zu verstehen. Führen wir sie uns zunächst einmal einfach vor Augen:
Jesus ist in Begleitung einer größeren Menge von Menschen; und – er ist auf dem Weg nach Jerusalem. Wir können uns vorstellen, wie Er die Menschen betrachtet; vielleicht wird er  überfallen von einem Gefühl äußerster Diskrepanz zwischen denen, die Ihn begleiten und sich selbst. Er hat alles verlassen: die Geborgenheit der Familie, der dörflichen Gemeinschaft, Beruf, Besitz, die Heimat. Allen Versuchen der Familie, ihn zurückzuholen, ein „normales“ Leben zu führen, wie alle anderen auch, hat er widerstanden – und Er ahnt oder weiß sogar, wohin Er unterwegs ist: wenn Er nach Jerusalem geht, dann in den sicheren Tod.

Dagegen die Menge: aus einer augenblicklichen Begeisterung heraus – weil Er so begnadet spricht, weil er Unzählige heilt, weil er ein solches Charisma hat – begleiten sie Ihn, suchen sie Seine Nähe.

Wir können uns nun weiter vorstellen, wie Er sich fragt: Aber wissen sie auch, was es in Wirklichkeit heißt – mir zu folgen; nicht mit den Füßen, sondern mit dem Leben; was es heißt, in meiner Nähe zu sein, wiederum nicht nur körperlich, sondern mit der ganzen Existenz? Wissen sie, was Jüngerschaft heißt? – Und wir müssen weiter fragen: Wissen wir, was es heißt, Jünger und Jüngerin Jesu zu sein?

Es scheint als wolle Jesus der etwas oberflächlichen Begeisterung der Menschen ein Fundament geben, sie erden. Er mahnt zu einer sachlichen und radikalen Nüchternheit. Jüngerschaft, Nachfolge, das Hineingelangen in das Reich Gottes – all das lässt sich nicht bauen auf einem augenblicklichen Enthusiasmus oder mal so nebenbei – nebenbei auch noch ein bisschen Religion im Leben; der liebe Gott soll auch noch ein kleines Plätzchen in meinem Leben haben; - nein: Jesus fordert letztlich alles, den ganzen Einsatz – so wie Er selbst sich ganz eingesetzt und alles gegeben hat. Die Bedingungen, die genannt werden, sind einfach schockierend: sich selbst und auch die nächsten Angehörigen gering achten, auf allen Besitz verzichten, die Brutalität der Kreuze des Lebens auf sich nehmen.

So erschreckend das klingt, was Jesus hier fordert – in anderen Zusammenhängen ist es uns durchaus vertraut und geläufig. Denken wir zum Beispiel an einen Leistungssportler: wer gut sein will, besser als die anderen, vielleicht sogar der Beste, der muss seine Vorlieben beim Essen, seine Freizeitgestaltung, seine menschlichen Beziehungen und Freundschaften, letztlich seine ganze Lebensführung diesem einen Ziel unterordnen – nämlich etwa, die Goldmedaille zu gewinnen. Wenn ihm auch nur ein Lebensbereich, der zu diesem Ziel im Widerspruch steht, wichtiger ist, wird er das Ziel nicht erreichen.

Das Seltsame ist, dass unzählige Menschen (und vielleicht auch wir?) viel eher bereit sind, einen solchen radikalen Einsatz für eine Goldmedaille oder Weltmeisterschaft, für einen musikalischen, künstlerischen, beruflichen oder welchen Erfolg auch immer zu akzeptieren als für das, was Jesus anzubieten hat.

Aber was hat Er anzubieten? Die heutige Lesung begann mit der Frage: „Wer begreift, was der Herr will?“ Begreifen wir, was Jesus will, worum es Ihm geht? Nicht um irgend etwas –  und mag es noch so groß sein – neben anderem, sondern um alles, um das Gelingen unseres, meines Lebens insgesamt; und begreifen wir, dass er nur deswegen solch radikale Forderungen stellt, weil es um Gott geht und eben darum um alles.

Was sind das für Forderungen? Wenn ich merke, etwas Materielles oder anderes dergleichen oder sogar auch eine menschliche, freundschaftliche, ja familiäre Bindung schiebt sich wie ein Keil zwischen mich und Gott, zwischen mich und meine Beziehung zu Jesus Christus und verunmöglicht, als Jünger Jesu zu leben und Ihm nachzufolgen, dann muss ich beginnen, Verzicht zu üben, die rechte Rangordnung einzuüben. Denn wo es um Gott, wo es um Jesus Christus geht, da geht es um nicht weniger als um alles. (Ist Gott nicht mehr wert, als selbst viele Goldmedaillen?) Und alles andere muss sich diesem Alles ein- und unterordnen, wenn ich es nicht verlieren will.

Weil es um alles, um das Wertvolle schlechthin geht, will Jesus, dass wir nicht mit kleiner, sondern mit großer Münze zahlen, so großzügig wie Er selbst. Alles, was unser Dasein ausmacht und zu unserem Leben gehört, unterordnen und hinordnen auf Jesus Christus, und darauf verzichten, wo es Ihm entgegensteht – das bedeutet Jüngerschaft und Jesusnachfolge. Billiger ist diese nicht zu haben, weil Gott uns nur so alles schenkt, alles schenken kann, nämlich Sich Selbst und damit das Gelingen unseres Lebens.

Pfr. Bodo Windolf

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