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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf
Thema:
Fastenzeit – die jährliche
Innovationsoffensive der Kirche
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Erster Fastensonntag 29. Februar 2004
Les:
Dtn 26,4-10; Röm 10,8-13
Ev: Lk 4,1-13
Fastenzeit – die jährliche
Innovationsoffensive der Kirche
Innovation, Innovationsoffensive, Jahr der Innovation – Schlagworte, mit denen
unser Bundeskanzler zu Beginn dieses Jahres unsere behäbige Republik auf Trab
bringen wollte. Wie Innovation – made in Germany, durch eine Mischung aus
Dummheit, Schlampigkeit, deutscher Arroganz und Besserwisserei, Gerissenheit und
Betrug eine Bauchlandung der Güteklasse A hingelegt hat, ist uns in den letzten
Tagen und Wochen mit dem Maut-Desaster vorzüglich vor Augen geführt worden.
„Lachnummer Deutschland“ – wie der Spiegel letzte Woche titelte – was ja
gar nicht so schlimm wäre, wenn einem nicht alles Lachen verginge angesichts
der Tatsache, dass die Zeche einmal mehr wohl nicht die Verantwortlichen in
Politik und Wirtschaft zahlen werden, sondern der geduldige deutsche Michel als
Steuerzahler, als zusätzlicher Arbeitsloser am Bau, usw.
Innovation – zu deutsch: Erneuerung.
Ein Mitglied aus unserer Pfarrei hat mir die Anregung gegeben, einmal darauf
aufmerksam zu machen, dass dieses neueste politische Schlagwort für die Kirche
eine uralte Angelegenheit ist. Innovation ist im Grunde ein Urwort des
Evangeliums, ein neues Wort für eine alte Sache, nur ein anderes Wort für
jenen grundlegenden Ruf Jesu: Kehrt um, und glaubt an das Evangelium! Was nichts
anderes bedeutet als: Kehrt um, und erneuert euch! Kehrt um, und werdet neue
Menschen! Kehrt um, und betreibt Innovation für euer Leben! Kehrt um, und lasst
euch von Gott neu machen! Kirche, die das nicht tut, ist nicht Kirche. Der
Christ, der dazu nicht bereit ist, ist nicht wirklich Christ. Die Fastenzeit ist
daher die jährliche Innovationsoffensive der Kirche. Die Frage an uns
ist: Will ich mich anschließen – oder will ich alles beim Alten lassen?
Geradezu programmatische Anregungen geben die heutigen Lesungstexte. Beginnen
wir mit dem alttestamentlichen: Er gibt uns das Stichwort Freiheit,
Befreiung mit auf den Weg. Ihr Hintergrund ist das jüdische Erntedankfest,
an dem der gläubige Jude nach Darbringung seiner Opfergaben u.a. das so
genannte „kleine heilsgeschichtliche Credo“ betete: „Mein Vater war ein
heimatloser Aramäer. Er zog nach Ägypten, lebte dort als Fremder.... Doch der
Herr führte uns mit starker Hand ... aus (der Sklaverei) Ägypten heraus ... in
das Land (der Freiheit), in dem Milch und Honig fließen.“
Fasten und Verzicht als Exodus, Befreiung aus unnötigen Abhängigkeiten. Nennen
wir manche von ihnen ruhig beim Namen: Essen, Alkohol, Nikotin, Fernsehkonsum, Süßigkeiten,
und vieles mehr. Die Sklaverei Ägyptens ist mitten in unserem Leben. Innovation
als Herausführung in die Freiheit des
Verzichtenkönnens.
Die zweite Lesung stellt uns wiederum ein Credo vor, eines, das noch in
neutestamentliche Zeit zurückreicht: „Wenn du mit deinem Mund
bekennst: Jesus (und niemand sonst) ist der (wahre und wirkliche) Herr und in
deinem Herzen glaubst: Gott hat ihn
von den Toten auferweckt, so wirst du gerettet werden.“ Verinnerlichung, Einpflanzung, Erneuerung des Glaubens in unserem Herzen
gibt uns dieser Text mit auf den Weg. Gott, Jesus Christus will leben in
unserem Herzen, will Herr sein auch in meinem Herzen.
An dieser Frage: Wer ist der wahre Herr in meinem Leben, in meinen Gedanken, wer
oder was hält mein Herz gefangen, wem diene ich letztlich:
mir selbst?, dem schnöden Mammon?, oder darf immer mehr der Herr selbst Herr
in meinem Leben sein – daran entscheidet sich die Innovationsfähigkeit
unseres Christseins immer wieder neu.
Und damit wären wir schon bei der Versuchungsgeschichte Jesu.
Versuchung könnte man ganz allgemein als den Versuch des Versuchers
beschreiben, Gott beiseite zu schieben und jemand oder etwas anderes an Seine
Stelle zu rücken.
In der ersten Versuchung, auf die ich mich beschränken möchte, geht es um den
Götzen Bauch. „Befiehl diesem Stein, zu Brot zu werden.“ Mach dich satt und
alle anderen dazu, und du wirst sehen: sie liegen dir zu Füßen. Die souveräne
Antwort Jesu: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern (wesentlicher noch)
auch vom Brot des Gotteswortes.
Aber seltsam: Hat nicht derselbe Jesus später bei der Brotvermehrung, als er
Tausende speiste, genau das getan, was Er hier als Versuchung zurückwies? Nein,
die Situation war bei dieser Begebenheit eine ganz andere. Sie alle waren
gekommen, um Gottes Wort aus dem Mund Jesu zu empfangen und hatten dafür alles
stehen und liegen gelassen. Nicht einmal etwas zu essen hatten sie mitgenommen.
Und genau so, nachdem sie sich ganz für Gott und das Brot seines Wortes geöffnet
hatten, waren sie auch in der Lage, das tägliche, irdische
Brot in rechter Weise zu empfangen – und zu genießen. Die rechte
Lebensordnung, dass also Gott, unser Broterwerb und so vieles andere unseres
Daseins den jeweils angemessenen Ort
in unserem Leben erhalten – das will uns dieser Text für die Innovation
unseres Christseins mitgeben.
Gott in dieser Fastenzeit für die Erneuerung unseres Christseins mehr Raum geben – wie könnte das
geschehen? Einige Vorschläge: Vielleicht durch eine längere persönliche Zeit
des Gebetes, daheim oder in einer Kirche, zehn Minuten, eine viertel, eine halbe
Stunde lang. Oder durch eines der vielfältigen Angebote in unserer Pfarrei:
neben Werktagsmessen, Rosenkranz, Morgen- und Abendlob, Kreuzweg, stille Zeit
vor dem Allerheiligsten, Exerzitien im Alltag möchte ich in besonderer Weise
noch auf ein Angebot aufmerksam machen. Ab Freitag, 12. März, werde ich an vier
aufeinander folgenden Freitagen Fastenpredigten zum Vater unser halten;
mit Gesang, Stille, Musik und Gebet. Wer interessiert ist, kann sie sich anhören;
wer darüber hinaus das Gehörte in einer persönlichen Gebeteszeit
weiterbetrachten und vertiefen möchte, für den gibt es eine Gebetsanregung für
jeden Tag zum Mitnehmen.
Innovation in der Kirche – sie beginnt
immer beim Einzelnen, sie beginnt bei mir – oder auch nicht. Bin ich bereit,
mich erneuern zu lassen?
Pfr. Bodo Windolf
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