Predigt vom 11. Januar 2004

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf

Thema: 
Unsere Erlösung - nicht machbar, vielmehr schon geschenkt 

Diese Predigt wurde live vom Radio Horeb ausgestrahlt.
Predigttext

Taufe des Herrn 11. Januar 2004
Les: Jes 42,5a.1-4.6-7; Apg 10,34-38
Ev: Lk 3,15-16.21-22

Unsere Erlösung – nicht machbar, vielmehr schon geschenkt

„Chromo-soma“ – so der Name eines netten kleinen Ladens im Bremer Ostertor-Viertel. Faszinierend das Sortiment. Zum Beispiel: „Gen-maxx“ in kleinen Tüten. Ein Tropfen genügt, um die Sinne von allen genetischen Blockaden zu befreien und das Lebensgefühl um ein Vielfaches zu steigern, erklärt ein freundlicher Verkäufer. Ein anderer zeigt, wie man per „book a baby“ das perfekte Designer-Kind ganz nach eigenen Wünschen bestellen kann. Durch eine zertifizierte Präimplantationsdiagnostik seien selbstverständlich alle genetisch bedingten Gesundheitsrisiken auszuschließen. Neben so manchem anderen ist schließlich noch das Genetic-horo-scope absolut  erwähnenswert; nützlich zum Beispiel bei der Partnerwahl. Mit Hilfe eines Genabdrucks – ein Haar oder eine Speichelprobe genügen – können Spezialisten des Ladens rasch Eigenschaften wie Humor, Herzenswärme, Leidenschaft, Sparsamkeit, sogar Neigung zur Untreue bestimmen. Lieber so schon im Vorhinein die verborgenen Besonderheiten von ihr oder von ihm herausfinden als schmerzhafte Trennungen durchleiden zu müssen.


Liebe Gemeinde!

Zuerst die schlechte Nachricht. Diesen Laden – Chromo-soma – hat es tatsächlich gegeben: in Bremen, für zehn Tage mit ca. eintausend Besuchern und dreihundertfünfzig Käufern, ohne irgendwelche nennenswerten Proteste. Nun die gute Nachricht: Die Angebote waren fiktiv, der Laden Teil einer Studie im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung in Bonn sowie der Landeszentrale Bremen. Holger Ehmke, der Leiter der Studie, sagte in einem Interview: „Wir haben durchweg Genprodukte angeboten, die nach dem derzeitigen Stand der Technik noch gar nicht auf dem Markt sind. Sie zeigen aber, wie die Welt in naher Zukunft aussehen könnte.“ Und er fährt fort: „Ich hätte nicht erwartet, dass viele Menschen......sich so leicht verführen lassen. Wir rechneten ... eher damit, dass Pflastersteine gegen den Laden fliegen könnten, doch gerade das Gegenteil geschah. Fast niemand stellte eine kritische Frage oder fühlte sich in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt, obwohl wir bewusst „Bruchstellen“ in unserer Aktion geschaffen haben, um die Leute zum Nachdenken zu bringen.

Was hat diese Studie mit dem heutigen Fest „Taufe des Herrn“ zu tun? Ich will versuchen, eine Brücke zu schlagen. Wir Menschen alle, ob gläubig oder ungläubig, wissen und spüren sehr genau: Vieles in unserem Leben ist nicht so, wie es sein sollte. Ich bin nicht perfekt. Mein Ehepartner und meine Kinder sind nicht perfekt. Überhaupt sind meine Mitmenschen nicht perfekt. Das Leben insgesamt ist nicht perfekt. Der theologische Ausdruck für diese Grundbefindlichkeit, die wir alle mehr oder weniger stark empfinden, lautet: Ich, wir alle sind erlösungsbedürftig. Das Erschreckendste nun an der zitierten Studie scheint mir zu sein, wie hier an einem kleinen Beispiel deutlich wird, wie weit vorangeschritten der Machbarkeitswahn, auch der Machbarkeitswahn von so etwas wie Erlösung schon ist; wie schnell Menschen bereit sind, sich selbst und andere zu manipulieren, um das Nichtperfekte unseres Daseins möglichst aus der Welt zu schaffen.

Was zeigt uns dagegen das heutige Fest? Es zeigt, dass wir unsere eigentliche Erlösung nicht selbst machen, sondern sie uns letztlich nur schenken lassen können. Noch mehr: In der Taufe Jesu, die Vorausbild unserer eigenen Taufe ist, sehen wir, dass die Erlösung uns schon geschenkt ist, und zwar schon inmitten der Unvollkommenheiten unseres Daseins. Wir sind schon eingetaucht, stehen schon mitten drin in der Erlösungswirklichkeit – so wie Jesus mitten im Jordan stand – weil sich auch über uns in unserer Taufe der Himmel geöffnet, der Heilige Geist sich auf uns gesenkt und die Stimme des Vaters auch uns zugesprochen hat: Du bist mein geliebter Sohn, meine geliebte Tochter. Dich habe ich erwählt.

Das Einzige, das wirklich erlösende Kraft hat, ist uns hier schon geschenkt: Liebe. Nicht menschliche Liebe. Die vermag vieles, auch viel Erlösendes. Aber sie vermag nichts etwa gegen die Wunde des Todes. Nein, geschenkt ist uns die göttliche Liebe; die Liebe, die allein die Bruchstellen unseres Lebens – die von Sünde, Leid und Tod – zu heilen und zu erlösen vermag.

Sie vermag es durch den, der die Liebe Gottes in Person ist, durch Jesus Christus, dessen zentrale Botschaft gerade nicht aus Leidvermeidungsstrategien besteht. Im Gegenteil: Er ist der, der die perfekte Welt des Himmels verlassen hat, um unser unperfektes Dasein in restloser Solidarität mit uns zu teilen, wiederum theologisch ausgedrückt: das Dasein von uns Sündern, von uns Leidgeplagten, von uns Todverfallenen. Er stellt sich in eine Reihe mit uns, wenn Er, der Sündelose, die Johannestaufe zur Vergebung der Sünden empfängt. Vollenden wird sich dieses Geschehen, wenn Er am Kreuz für uns leiden und sterben wird zur Vergebung unserer Sünden, für unsere Heilung und Erlösung.

Diese sich uns zuneigende, sich für uns hingebende, uns aufrichtende, kurz: uns erlösende Liebe Gottes ist uns in der Taufe ein für alle Mal geschenkt. Die Frage ist nur: Haben wir sie uns auch so schenken lassen, dass sie ihre erlösende Kraft auch wirklich in uns entfalten kann?

Nur zwei Beispiele zum Schluss: Du bist mein geliebter Sohn, du bist meine geliebte Tochter! Glaube ich das eigentlich wirklich? Nicht im Sinn von: Gott liebt ja sowieso alle Menschen und dann wohl irgendwie auch mich; sondern im Sinne von: Du, Gott, liebst mich!?? (ein Satz, der für viele Menschen wohl mehr Frage- aus Ausrufezeichen hat). Mich?, der ich mich selbst oft nicht richtig leiden kann. Mich mit meinen Fehlern und Mängeln? Kannst Du mich, so wie ich bin, eigentlich lieben? Wie viele mögen immer wieder so fragen?

„Ja, ich kann! Ich liebe dich!, das ist die Antwort Gottes auf diese Fragen, mir in der Taufe von Gott her unwiderruflich zugesagt.

Wer das glaubt, wer sich dies immer wieder neu bewusst macht, wer um das Vertrauen auf diese Liebe ringt, wenn Zweifel aufsteigen, der wird nie verzweifeln.

Das Zweite: Taufe ist Taufe zur Vergebung der Sünden, ist Empfang auch der vergebenden Liebe Gottes. In einem leider vergessenen Bußsakrament wird sie uns in ihrer erlösenden, heilenden und befreienden Kraft immer wieder neu angeboten. Es ist – auch und gerade, wie ich selbst es immer wieder erfahre – jenes Sakrament der Barmherzigkeit Gottes, durch das ich mich gleichsam immer wieder zu Jesus in den Jordan stellen und die Stimme hören darf: Auch du bist mein geliebtes Kind; du bist es immer auch in deiner Gebrechlichkeit, in deinen Ängsten, in deiner Schuld; ganz und gar bist du umfangen von meiner Barmherzigkeit, durch die auch du mein Wohlgefallen findest.

Pfr. Bodo Windolf

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