|
Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf
Thema:
Warum
ich die Kirche liebe
|
Neunundzwanzigster
Sonntag im Jahreskreis 19. Oktober 2003 (Kirchweihfest)
Les: Jes 53,10-11; Hebr 4,14-16
Ev: Mk 10,35-45
Warum ich die Kirche liebe
Die Kirche – sie steht nicht hoch im
Kurs, zumindest nicht hier bei uns in Deutschland. In anderen Ländern ist das
durchaus anders. Aber hierzulande landet sie im Wettbewerb der Institutionen um
die Gunst des Publikums nach jüngster Meinungsumfrage ziemlich weit
abgeschlagen auf einem der hinteren Plätze. Ich will jetzt nicht
Ursachenforschung betreiben, sondern einmal darüber, warum ich selbst zu dieser
katholischen Kirche, der ich angehöre und deren Diener ich bin, stehe. Warum
mich sogar Liebe mit dieser Kirche verbindet; mit dieser Kirche, die wie ein
riesiges Boot nun schon zweitausend Jahre auf dem Meer der Zeit und der
Geschichte einherfährt.
Warum liebe ich diese Kirche? Ein entscheidender Grund: Ich liebe sie, weil sie
und niemand anders mir Jesus Christus geschenkt hat und immer wieder neu
schenkt, nämlich Ihn, Gott, in einem menschlichen Antlitz; Ihn, den Mensch
gewordenen Gott, der mitfühlen kann mit unseren Versuchungen, wie wir es in der
Lesung gehört haben; Ihn, Christus, in seinem Wort, in seinem Evangelium; Ihn
Christus, im Sakrament der Eucharistie, als Brot des Lebens für mein Leben;
Ihn, Christus, auch in den Menschen, denen ich begegne.
Wie könnte ich an der Leiter der Kirche hinaufsteigen zum Glauben an Christus,
Ihn mir durch sie schenken lassen – und diese Leiter dann von mir stoßen oder
mich innerlich distanzieren, wie viele sagen und tun, die meinen: Ich kann auch
ohne die Kirche an Gott glauben und Christ sein. Kann ich auf Dauer wirklich?
Oder wird das dann nicht ganz schnell ein selbst gebastelter Glaube, ein selbst
gebastelter Gott: ein Schuss Evangelium, ein Schuss Buddhismus, ein Schuss
Esoterik, das Ganze möglichst unverbindlich, wobei dann am Ende halt doch nur,
eben weil selbst gebastelt, ein Götze herauskommen kann, aber sicher nicht der
wahre Gott und Vater aller Menschen, der mir im menschlichen Antlitz Jesu
begegnet; eine Begegnung, die mir die Kirche ermöglicht.
Natürlich weiß ich: unter den Kapitänen, Steuermännern, Matrosen und
Passagieren des Kirchenbootes gab und gibt es zwar auch viele herausragende
Gestalten, aber rein zahlenmäßig viel mehr Mittelmass, und leider auch, leider
viel zu viele Verräter am Evangelium; es gibt Machtmissbrauch, entgegen dem
heutigen Evangelium: „Bei euch soll es nicht so sein“, und noch so manches
Unerquickliche mehr. Das Seltsame allerdings ist – ich benutze ein kräftiges
Wort eines der ganz großen Theologen des letzten Jahrhunderts, Hans Urs von
Balthasar – dass wir Idioten sie allesamt während nun zweitausend Jahren
Kirchengeschichte nicht umzubringen vermocht haben. Die Kriminal-, die
Negativgeschichte der Kirche ist für mich kein Beweis gegen
sie, sondern im Gegenteil, ein Beweis für
sie. Dass sie sich, für mich offensichtlich, nicht aus eigener menschlicher
Kraft, sondern aus der Kraft des Heiligen Geistes immer wieder in ihrer
Geschichte zu reformieren und zu erneuern vermocht hat, ist für mich ein klarer
Hinweis, dass der eigentliche Kapitän des Kirchenschiffes immer mitgefahren und
nie von Bord gegangen ist, nämlich wiederum Er, Jesus Christus. Wenn Er, der
dieses Schiff gebaut hat und unsichtbar begleitet, es liebt und damit auch alle,
die darauf mitfahren: die Großen und Kleinen, die Reichen und Armen, die Guten
und Bösen, die Mittelmäßigen und Begeisterten, die Prälaten mit dickem Bauch
und die Asketen, die mit einem religiösen Tick und die, in denen Christus
wirklich brennt und überhaupt alle die oft normalen und manchmal auch seltsamen
Gestalten, die sich hier herumtummeln und allesamt die Kirche bilden – wie
sollte ich hinten anstehen und diese Liebe Jesu zu Seiner Kirche nicht mit Ihm
teilen?
Was mich fasziniert – die innere Vielfalt
dieser Kirche in einer doch weltumspannenden Einheit;
denn wahre Vielfalt ist kein Widerspruch zur Einheit. In ihr gibt es die
unterschiedlichsten Spiritualitäten, unzählige und verschiedenartigste Orden
und geistliche Gemeinschaften. Es gibt die Sinnlichkeit der Sakramente, die der
Kirchenbauten, der christlichen Malerei, die der geistlichen Musik, überhaupt
die der christlichen Kunst insgesamt.
Über all das hinaus ist das Schöne dabei, dass diese Kirche mir nicht nur
Christus schenkt, sondern auch beispielhafte
Menschen, in denen wirklich das Feuer der Liebe Jesu brennt und mit denen
zusammen ich Kirche sein darf: hier in der Gemeinde in Garching, aber auch
weltweit. Lassen sie mich aus einer Unzahl von möglichen Beispielen nur zwei
nennen: Zuerst will ich unseren Heiligen Vater, Papst Johannes Paul, erwähnen,
der in diesen Tagen das fünfundzwanzigjähriges Jubiläum seines Pontifikats
feiert: ein sicher nicht immer bequemer, aber authentischer Zeuge der Wahrheit
Gottes, ein Mahner für Frieden und Versöhnung zwischen Konfessionen,
Religionen und Völkern, ein Botschafter des christlichen Humanismus im
Eintreten für Menschenrechte und Menschenwürde vom Anfang bis zum Ende
menschlichen Lebens; in seiner Krankheit ein lebendiger Zeuge des Satzes, dass
Gott seine Kraft auch und gerade in zerbrechlichen Gefäßen erweist.
Eine anders Lichtgestalt der Kirche: Mutter Theresa, die heute vom Papst selig
gesprochen wird. Über das heutige Evangelium hat sie nicht geredet,
sie hat es getan. Damals, als sie zum
ersten Mal eine Sterbende, die im Straßenschmutz Kalkuttas dalag und an deren Füssen
bereits Ratten nagten, auflas, in einen Seitentrakt des Kalitempels trug und ihr
dort ein menschenwürdiges Sterben ermöglichte. Als aufgrund von Protest gegen
ihre Arbeit nahe beim Kalitempel ein Polizeikommissar sie hinauswerfen sollte,
schaute er ihr zunächst bei der Arbeit zu und sagte dann zu den umstehenden Männern:
„Ich habe mein Wort gegeben, dass ich diese Frau hinauswerfen werde, und ich
will es auch halten. Aber ehe ich es wahr mache, müsst ihr eure Mütter und
Schwestern dazu bringen, die Arbeit, die sie verrichtet, zu übernehmen.“ Und
er fügte hinzu: „Hinter diesem Ort befindet sich eine Statue der Göttin Kali
aus schwarzem Stein. Hier ist die lebendige Kali.“
Als Mutter Theresa einmal von einem Journalisten gefragt wurde: „Was sollte
sich in der Kirche ändern?“, war ihre einfache Antwort: „Sie und ich!“
Diese Antwort widerspricht nicht dem, dass die Kirche in ihren Amtsträgern und
in all ihren Gliedern immer auch eine aufmerksame Zuhörerin sein muss, hörend
auf die Menschen, die aus einem inneren Verstehen des Evangeliums heraus auf
Missstände aufmerksam machen. Sie muss sich bewusst sein, dass sie immer eine
„ecclesia semper reformanda”, eine sich immer wieder erneuern müssende
Kirche ist. Konstruktive Kritik, die aus der Liebe kommt, ist für sie notwendig
und gut. Aber in der Regel verändern Worte, mit denen ich sage: das und das und
das müsste anders sein, wenig. Wo ich Kirche verändern kann,
ist vor allem anderen der Ort, wo ich selbst Kirche bin, wo ich meinen Platz in der Kirche auszufüllen habe, wo ich mich selbst ändern
kann und es auch tue – mit Gottes Hilfe, und nicht zuletzt auch mit Hilfe der
Kirche selbst; denn im durch sie verkündeten Wort und in ihren Sakramenten
hilft sie selbst mir dabei.
Pfr. Bodo Windolf
|
© copyright 2003
WebMaster: Herbert Bauernfeind webmaster@bauernfeind-web.de
|