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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf
Thema:
Wenn
dich dein Auge zum Bösen verführt, reiß es aus …
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26. Sonntag im Jahreskreis 28. September
2003
Les:
Num 11,25-29; Jak 5,1-6 ; Ev: Mk 9,38-43.45.47-48
« Wenn
dich dein Auge zum Bösen verführt, reiß es aus … ». Gedanken zu einem
provozierenden Evangelium
Nicht ganz leicht verdauliche Kost, die
uns das heutige Evangelium zumutet. Die Worte, die wir da aus dem Munde Jesu hören,
wollen nicht so recht passen zu jenem – man verzeihe den Ausdruck – Softi-
und Limonaden-Jesus, der sich in so manchen Christenköpfen festgesetzt hat; ein
Jesus, der alles, restlos alles mit dem Mäntelchen von (oberflächlich
verstandener) Liebe und Barmherzigkeit zudeckt, uns so sein lässt wie wir sind,
weil er uns ja sowieso liebt, ganz gleich, was wir tun, und der daher nichts und
niemandem wehtun kann.
Ich glaube, wir alle wissen im Grunde: Der wahre Jesus hat mit einem solchen
kitschigen und vor allem unverbindlichen Abziehbild-Jesus wenig bis gar nichts
zu tun. Dennoch aber fragt sich sicher so mancher von uns: Was wir da gehört
haben von um den Hals gehängten Mühlsteinen, von abgehauenen Gliedmaßen und
angedrohter Hölle – ist das nicht Drohbotschaft pur? Müssen wir den Jesus
des heutigen Evangeliums nicht doch korrigieren durch den Jesus zum Beispiel des
Gleichnisses vom verlorenen Sohn, durch den Jesus, der die Ehebrecherin
verschont ...?
Mir scheint, vernünftigerweise kann es darauf nur eine Antwort geben: Nur der ganze
Jesus des ganzen Evangeliums ist
der wahre Jesus; der Jesus, der uns
wirklich etwas zu sagen hat. Und die Frohbotschaft ist nur wahrhaft froh
machende, das heißt die Freude Gottes befördernde Botschaft, wenn auch ernste
und ernst zu nehmende Mahnungen etwa vor dem drohenden Verlust eben dieser
Freude ihren gemäßen Platz findet sowohl in der Verkündigung als auch in
unserem christlichen Bewusstsein.
Nach dieser Vorbemerkung einige Gedanken zu der geschilderten Begebenheit.
Unmittelbar vorangegangen war der lächerliche Streit der Jünger, wer von ihnen
der Größte sei. Nachdem Jesus sich solches Konkurrenz- und
Postenschacherdenken der Jünger untereinander strikt verbeten hat, soll
wenigstens die Konkurrenz von außen aus dem Feld geschlagen werden. Da hatte
sich doch tatsächlich jemand erdreistet, im Namen Jesu Dämonen auszutreiben,
ohne sich der Jüngerschar anzuschließen. Die Antwort Jesu ist, modern
gesprochen, ein Schulbeispiel recht verstandener Toleranz. Auch wenn jemand
nicht eure, sondern seine eigene Weise hat, gegen die Dämonen und das Böse
dieser Welt zu kämpfen, dann betrachtet ihn doch als euren Verbündeten.. Wenn
er nicht gegen euch arbeitet, dann sei er euch wie einer, der mit euch arbeitet.
Doch dann geht Jesus ans Eingemachte. Die recht verstandene Toleranz weicht
einer radikalen Intoleranz gegen alles Böse, angefangen innerhalb der Jüngerschar,
das heißt Kirche selbst, aber natürlich auch darüber hinaus. Jesus hatte in
die Mitte seiner um die vorderen Plätze raufenden Jünger ein Kind gestellt, um
anschaulich zu machen: Wer so klein sein kann wie dieses Kind und zum Dienst an
allen bereit ist, der ist der Größte. Vermutlich weilt das Kind noch unter
ihnen; und vielleicht auf es schauend beginnt Jesus laut zu denken: Wer einen
von diesen Kleinen zum Bösen verführt, für den wäre es besser, er würde
nicht leben. Der Zusatz: einen von diesen Kleinen, die an mich glauben.... lässt
zugleich an alle Menschen denken, die den Glauben durch das schlechte Beispiel
der Jünger Jesu, anders ausgedrückt: kirchlicher Insider – Amtsträger, aber
auch aller anderen Getauften – verlieren.
Wie muss – um nur ein Beispiel zu nennen – der Satz vom Mühlstein in den
Ohren jener Priester und Bischöfe gellen, die Kinder und Jugendliche sexuell
missbraucht, das Ganze durch Schweigen zugedeckt und durch bloße Versetzung
entsprechender Priester Wiederholungstäterschaft provoziert haben. Dass diese
entsetzliche Art der Verführung und Traumatisierung von Wehrlosen, Gott sei es
geklagt, anderswo auch, leider auch
in Familien, vorkommt, kann solche Verbrechen in keiner Weise relativieren.
Aber Verführung von Kindern und Jugendlichen gibt es natürlich auch im
geistigen Bereich. All das Unsägliche, das durch Vernachlässigung Kindern
angetan wird oder das über Fernsehen, Computerspiele, Zeitschriften und so
weiter die Gehirne und Herzen so vieler dermaßen verkleistert, dass es kaum
mehr einen Zugang des Evangeliums in das Leben dieser Menschen hinein gibt, weil
alles zu ist, besetzt von übelstem geistigen Schrott – auch für das, so sagt
Jesus im heutigen Evangelium, werden die Verführer sich einmal schwer
verantworten müssen. Aber vordringlich bleibt die Mahnung Jesu an die Adresse
seiner Jünger und damit an uns alle gerichtet: uns so zu verhalten, dass wir
nicht anderen Menschen aus unserem Verschulden heraus Anlass geben, Gott, Jesus Christus, dem
Evangelium, der Kirche den Rücken zu kehren, vom Glauben ab zu fallen oder auch
erst gar keinen Zugang zu ihm zu finden.
Zuletzt wendet Jesus sich den Verführungen zu, deren Opfer nicht andere
Menschen sind, sondern deren Opfer man selbst ist. Es gibt in uns allen das, was
uns zum Bösen verführt: Oberflächlichkeit, Bequemlichkeit, Gleichgültigkeit
Gott und Menschen gegenüber, schlechte Angewohnheiten, Charaktermängel,
verkehrte Leidenschaften, Abhängigkeiten, Süchte – alles Dinge, die wenn wir
sie laufen lassen, so eindringen können in unser Dasein, dass sie fast wie ein
Körperglied, wie ein Teil unseres Wesens werden. Und so wie es medizinisch klar
ist, dass ein verfaulendes Bein, das den ganzen Körper zu vergiften droht,
amputiert werden muss, um den ganzen Menschen
zu retten, so fordert Jesus etwas ganz Ähnliches für den geistlich-ethischen
Bereich. Es gibt eine Selbstkorrumpierung – zum Beispiel durch religiöse
Gleichgültigkeit, durch Laster, durch Böses – die so tief gehen kann, dass
sie einen Menschen auf Dauer unfähig macht, Gott und sein Reich überhaupt noch
empfangen zu können. Doch wer Gott nicht empfangen kann, wer Gott nicht wählt
als letztes und eigentliches Ziel seines menschlichen Daseins, nicht in diesem
Leben, nicht einmal spätestens im Tod, der wählt für sich selbst die Ferne
von Gott, und das ist nichts anderes als die Hölle, von der Jesus spricht.
Dabei weiß sicher auch Jesus, wie unsäglich schwer es ist, einmal zur
Angewohnheit gewordene Fehlhaltungen abzulegen. Daher will er, dass wir
rechtzeitig intervenieren. Aber wenn es schon einmal so weit gekommen ist, ist
das Mindeste, das Unrechte in uns zumindest als Unrecht wahrzunehmen, anstatt zu
sagen: So bin ich halt. Da kann man nichts machen. Sich selbst innerlich davon
zu distanzieren und zu versuchen davon los zu kommen, ist der Anfang der
Amputation. Die Beichte ist geradezu der vorzügliche Ort, wo der Arzt Jesus
selbst eine solche Amputation vornimmt, wenn notwendig, auch immer wieder.
Liebe Gemeinde!
Die erschreckend ernst klingenden Worte Jesu
aus dem heutigen Evangelium sind unverzichtbarer Teil seiner Froh-Botschaft, weil sie die Bedingungen benennen, unter denen die
Freude dieser Botschaft auch ankommen kann in unserem Leben. Drohung
sind sie nur für den, der sich ihnen mit tauben Ohren verschließt; Mahnung
für den, der schwankt zwischen Hinhören und Weghören; Verheißung ewigen
Lebens aber für den, der immer wieder neu versucht, dem Bösen zu widerstehen
und dem Guten Raum zu geben in der Kraft Jesu Christi, unserem barmherzigen
Heiland und Erlöser.
Pfr. Bodo Windolf
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