St. Severin Garching Les: Ex 24,3-8; Hebr 9,11-15 Nun lernen aber doch schon Kinder, dass man andere nicht ausschließen soll! Mir scheint, dass es ein Gedankengang etwa dieser Art ist, aus dem heraus ein allgemeines Unverständnis der katholischen Position gegenüber entsteht. Doch vielleicht liegen die Dinge etwas komplizierter. Es war eine ausgesprochen faire Geste, als der Präses der Evangelischen Kirche Deutschlands Manfred Kock feststellte, dass es sich die Angreifer katholischer Positionen manchmal doch zu leicht machten, indem sie oberflächlich argumentierten statt in die Tiefe zu gehen. Um zu einem fundierten Urteil zu kommen, ist es vielleicht einmal gut, den derzeitigen Stand der Ökumene vor allem hier in Deutschland aufzuzeigen. Das herausragende ökumenische Ereignis der letzten Jahre war ohne Zweifel die am 31. Oktober 1999 erfolgte Unterschrift unter die "Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre" durch den Lutherischen Weltbund und Rom. Einer der größten Stolpersteine, der zur Reformation geführt hatte, schien aus dem Weg geräumt. (Es ging dabei, in aller Kürze, um die Frage, ob unser ewiges Heil Gott allein wirkt und schenkt ohne jedes menschliche Zutun oder ob der Mensch hierbei mitwirkt, was die katholische Position war und ist.) Diese Sache hatte und hat allerdings einen Schönheitsfehler. Von den deutschen evangelischen Landeskirchen hatte nur eine, die bayerische, uneingeschränkt zugestimmt, drei hatten die "Gemeinsame Erklärung" rundweg abgelehnt, die übrigen sagten nur ein eingeschränktes Ja: ein Ja dazu, dass die Lehrverurteilungen der Reformationszeit die heutige katholische Kirche nicht mehr treffen, aber Nein dazu, dass ein Grundkonsens in der Rechtfertigungslehre erreicht worden sei. Bestärkt wurde dieses aus deutscher evangelischer Sicht insgesamt eher negative Votum zur "Gemeinsamen Erklärung" durch den vehementen Protest gegen sie von 243 evangelischen Hochschulprofessoren und -lehrern, also den wichtigsten Multiplikatoren evangelischer Theologie, die ihren Protest per Unterschrift unter eine Gegenerklärung bekräftigten. Im Jahr 2000 kam dann ein "Hammer" aus Rom: "Dominus Iesus". Jeder wahre Ökumeniker hätte sich diese Enzyklika im Ton freundlicher und sensibler gewünscht. Inhaltlich aber brachte sie nichts Neues; weder einen ökumenischen Fortschritt noch einen Rückschritt. Denn sie wiederholte nur und bekräftigte, was das II. Vatikanische Konzil über das Selbstverständnis der katholischen Kirche im Vergleich zur orthodoxen und evangelischen Kirche gesagt hatte. Im Klartext: Die katholische Kirche hat ein anderes Kirchenverständnis als die evangelische und erkennt sie daher nicht in vollem Sinn als Kirche an. Kurze Zeit später kam die evangelische Replik mit dem EKD-Papier "Kirchengemeinschaft nach evangelischem Verständnis", die das andere Kirchenverständnis bestätigt. Katholischen Lehren wurde ein klares "wir widersprechen" entgegengehalten, das übrigens hinter schon erreichten Annäherungen weit zurückblieb. Kardinal Walter Kaspar, ein Ökumeniker von Kopf bis Fuß, äußerte dazu, dass es "so schroff, aber auch so undifferenziert" gesagt sei, dass "Dominus Iesus" demgegenüber "geradezu als ein freundlicher ökumenischer Text erscheint." Fast zur selben Zeit wie "Dominus
Iesus" wurde ein weiteres Verständigungspapier veröffentlicht: "Communio
Sanctorum". Darin werden Annäherungen versucht in den bislang am
heftigsten umstrittenen Fragen: es geht um Marien- und Heiligenverehrung, um das
Verhältnis von Schrift, Tradition und Lehramt, um die Frage nach dem Priester-
und vor allem auch dem Papstamt. Während die (katholische) deutsche
Bischofskonferenz bei ihrem letzten Treffen in Freising das Dokument in einer
Stellungnahme insgesamt ausgesprochen positiv gewürdigt hat, fallen die
bisherigen Stellungnahmen von evangelischer Seite geradezu vernichtend aus; am
gewichtigsten ist darunter die der theologischen Kammer der Evangelischen
Kirche Deutschlands. Liebe Gemeinde An diesem Punkt frage ich mich
nun aber: Wie kann man auf der einen Seite katholischen Positionen immer wieder
so heftig widersprechen und sie teils indirekt, teils auch direkt als nicht
evangeliumsgemäß, und das heißt: als im Widerspruch zur Lehre Jesu
bezeichnen, und zugleich zum Abendmahl einladen? Auf Martin Luther kann man sich
diesbezüglich in keiner Weise berufen. Als es 1529 zum so genannten
"Marburger Gespräch" Luthers mit dem schweizerischen Reformator
Huldrych Zwingli kam, bei dem man sich nicht einigen konnte, zerbrach die
reformatorische Bewegung erstmals just am unterschiedlichen
Abendmahlsverständnis. Die Einheit in der Lehre war aber auch für Martin
Luther so wichtig, dass es in der Folge über vierhundertvierzig Jahre hinweg
keine Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft selbst innerhalb der verschiedenen
evangelischen Kirchen gab. Dies änderte sich aufgrund erzielter
Übereinstimmungen in wichtigen Fragen der Abendmahlslehre erst vor genau
dreißig Jahren, nämlich mit der 1973 verabschiedeten so genannten "Leuenberger
Konkordie", aufgrund derer sich inzwischen 103 evangelisch-lutherische,
reformierte, unierte und andere evangelische kirchliche Gemeinschaften Kanzel-
und Abendmahlsgemeinschaft gewähren. Ähnliche Übereinkkünfte gibt es mit der
anglikanischen und altkatholischen Kirche. Warum es mit uns Katholiken nicht
notwendig erscheint, betrachte ich zumindest als verwunderlich. An diesem Punkt macht die Eucharistie-Enzyklika übrigens einen deutlichen Schritt ökumenischen Entgegnkommens, indem der Papst ausführt: Wer auch als Nichtkatholik aus einem tiefen geistlichen Bedürfnis heraus nach der Eucharistie verlangt, kann herzutreten, wenn er diesbezüglich den katholischen Glauben bekennt. Kaspar nennt als Kriterium, zum eucharistischen Hochgebet das "Amen", das "Ja, ich stimme zu" sagen kann. Fairerweise wäre das allerdings in einem Gespräch mit dem zuständigen Pfarrer zu klären. Zum Schluss eine Anregung: In den skandinavischen Ländern ist es üblich, dass Katholiken bis hin zum Bischof, die einen evangelischen Abendmahlsgottesdienst mitfeiern, mit verschränkten Armen nach vorne treten, um so anzuzeigen, dass sie sich vom evangelischen Pfarrer segnen lassen wollen. Und umgekehrt wird dasselbe praktiziert. Mir scheint: Von diesem respektvollen und zugleich wahrhaftigen Umgang miteinander können wir deutschen Christen durchaus lernen. Und so gilt: Was wir gemeinsam tun können, sollten wir noch viel intensiver miteinander tun, durchaus auch zahlenmäßig intensiver, denn ökumenische Gottesdienste sind bisweilen sehr kläglich besucht. Was nicht geht, hoffentlich noch nicht, sollten wir nicht in respektlosem Sturm nehmen, sondern uns bei allem notwendigen menschlichen Bemühen von dem schenken lassen, der in eucharistischer Gestalt unter uns weilt und den wir heute in der Prozession verehren und anbeten: Jesus Christus, der unser Friede und unsere Versöhnung ist und das Ziel aller Einheitsbemühungen der Christenheit. Pfr. Bodo Windolf |