St. Severin Garching Zur "Woche des Lebens": Spätabtreibungen Aus Anlass der "Woche für das Leben" möchte ich heute über ein Thema sprechen, über das zu sprechen mir nicht leicht fällt, weil es zu den bedrückendsten und grausamsten Seiten unseres so genannten Rechtsstaates gehört; ich spreche im Zusammenhang dieses Themas vom so genannten "Rechtsstaat", weil das, was jährlich hundertfach ganz legal, vom Gesetzgeber gedeckt, unter uns geschieht, nicht das geringste mit wahrer Rechtsstaatlichkeit zu tun hat, sondern Rückfall in grauenhafte inhumane Barbarei ist: ich meine das Problem der Spätabtreibungen. Kurz zur Geschichte: Bis zur Neuregelung des Paragraphen 218 gab es die so genannte "embryopathische Indikation", die besagte, dass ein ungeborenes Kind bei einer festgestellten oder oft auch nur vermuteten Behinderung bis zur 22. Schwangerschaftswoche abgetrieben werden darf. Da gesunde Kinder aufgrund einer anderweitigen Indikation nur bis zur 12. Schwangerschaftswoche abgetrieben werden durften, stellte dies eine offensichtliche Benachteiligung behinderter Kinder dar; eine Benachteiligung, die der Gesetzgeber verbietet und auch den Protest der Behindertenverbände und Kirchen hervorrief. Die vor diesem Hintergrund erfolgte Neuregelung kann man nun aber nur als einen kaum mehr zu überbietenden Zynismus derjenigen Bundestagsabgeordneten bezeichnen, die dem neuen Gesetz zustimmten, das letztlich eine mörderische Mogelpackung ist. Wie ging man vor? Ganz einfach: Man schaffte die Behinderte diskriminierende "embryopathische Indikation" ab, aber nur scheinbar, denn man ließ sie aufgehen in der so genannten "medizinischen Indikation". So lautet diesbezüglich die neue Fassung von § 218a Absatz 2 StGB: "Der mit Einwilligung der Schwangeren von einem Arzt vorgenommene Schwangerschaftsabbruch ist nicht rechtswidrig, wenn (er)... angezeigt ist, um...die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden." Was hat sich geändert? Was sind die praktischen Auswirkungen des neuen Gesetzes? 1.) Die Beratungspflicht, die sonst bei Abtreibungen gilt, entfällt. 2.) Während der Gesetzgeber alle anderen Abtreibungen als rechtswidrig, aber straffrei ausweist, erklärt er die an behinderten Kindern vorgenommene Abtreibung für rechtens. 3.) Auch bei relativ harmlosen Behinderungen wie Hasenscharte, Klumpfuß und ähnlichem können, wenn Eltern dies als eine unzumutbare seelische Belastung ausgeben, Abtreibungen nicht mehr nur bis zur 22. Schwangerschaftswoche, sondern bis zur Geburt durchgeführt werden. Wie sieht eine solche Abtreibung ab etwa der 20. Schwangerschaftswoche aus? Die gängigste Methode ist die sog. Prostagladinmethode. Der Arzt spritzt der Mutter ein Wehen auslösendes Mittel. Dann liegt die Frau im Bett, starrt auf die weißen Wände, und wartet, bis ihr Baby geboren wird – zehn Stunden, manchmal bis zu vierundzwanzig. Still ist es zu dieser Zeit nur im Zimmer, denn im Bauch der Mutter spielt sich ein Todeskampf ab. Das Kind ahnt sein Schicksal, gerät in Todesangst, fängt an verzweifelt gegen die Bauchwand der Mutter zu treten, um sich gegen die Frühgeburt zu wehren. Die Mutter erlebt alles mit, ohne Narkose, nur mit Schmerz- und Beruhigungsmitteln versehen, da sie bei der Frühgeburt bei Bewusstsein sein muss und um ihre eigene ohnmächtige Panik auszuhalten. Wenn das Kind dann ausgestoßen ist, ist der Kampf für viele dieser Kleinen noch nicht beendet; dreißig Prozent überleben die Prozedur, die Mutter kann sie schreien hören; die meisten sterben dann rasch, manche werden stundenlang liegengelassen, wie es zum Beispiel bei dem bekannten Oldenburger Baby Tim der Fall war, oder, wie in Chemnitz geschehen, erstickt. Um das Überleben der Frühgeburt zu verhindern, gibt es noch eine andere Vorgehensweise, nämlich die Kaliumchloridmethode. Durch die Bauchdecke der Mutter hindurch sucht der Arzt unter Ultraschallsicht mit einer Nadel das Herz des Kindes und spritzt ihm Kaliumchlorid ein, das sofort zum Herzstillstand führt. Als letzte Information noch eine Zahl: Nach Auskunft von Dr. Frank Montgomery, dem Vorsitzenden der Ärztevereinigung Marburger Bund sind durch das Gesetz von 1995 die Spätabtreibungen von zwei bis drei Dutzend auf jährlich etwa achthundert angestiegen. Was kann man tun? Ich möchte zwei Dinge nennen: 1.) Ich habe hinten zwei Briefe gleichen Inhalts ausgelegt, einen an Frau Dr. Angela Merkel adressiert, den anderen an Dr. Martin Mayer, den Bundestagsabgeordneten unseres Wahlkreises. Beiden würde ich gerne eine Unterschriftenliste zukommen lassen mit der Bitte, sich dieses furchtbaren Problems anzunehmen. 2.) Nicht nur Spätabtreibungen, sondern Abtreibungen überhaupt sind für unzählige Frauen und zunehmend auch Männer ein oft lebenslanges Trauma. Lebenslange Schuldgefühle, Depression, Selbstmordgedanken, Frigidität, Hass auf den eigenen Mann, Zerbrechen der Ehe sind nur einige der Folgen, die unter dem Namen Post-Abortion-Syndrom bekannt sind. Ich selber habe schon einige Male betroffenen Frauen ein wenig helfen können und möchte Sie bitten, diese Möglichkeit weiterzugeben, wenn Sie jemand Betroffenen kennen. Neben der oft notwendigen psychologischen Betreuung wäre das eine auch geistliche Hilfe. Ich nenne das Ganze eine "Feier des Abschieds" von dem Kind. Die Frau, die in eine solche Feier des Abschieds einwilligt, sucht sich einen Doppelnamen aus, einen weiblichen und männlichen, da ja das Geschlecht in der Regel nicht bekannt ist. Z.B. hatte eine der Frauen, mit der ich diese Feier begangen habe, ihr Kind Maria-Josef genannt. Zum vereinbarten Termin wird alles zunächst in ein Beichtgespräch hinein genommen. Nach einer kurzen Schriftlesung und einigen Gedanken dazu richtet die Mutter ein Gebet an Gott. Sein Inhalt ist, dass sie ihr Kind nun annehmen, dass sie es zugleich aber auch an Gott zurückgeben möchte. Das Annehmen und Loslassen des Kindes ist etwas sehr, sehr Wichtiges. In einem zweiten Gebet wendet sich dann die Mutter an ihr Kind selbst, um ihm auch selbst zu sagen, dass sie es nun annehmen möchte; sie spricht eine Bitte um Verzeihung an ihr Kind aus und sagt auch ihm, dass sie es loslassen und Gott zurückgeben wolle. Das alles eingebettet in eine ganz schlichte gottesdienstliche Feier mit Lied, Schrifttext und Gebet ist sehr ergreifend und vor allem heilend. Wie gesagt habe ich diese "Feier des Abschieds" schon mit mehreren Frauen feiern dürfen. So schrecklich Abtreibungen sind – es kann Befreiung von diesem oft lebenslangen Trauma geben. Ich selber habe es miterleben können. Zuletzt sei noch der Brief angefügt, der an die genannten Politiker gesendet werden soll. Pfr. Bodo Windolf |