Predigt vom 23. Februar 2003

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
Buddhismus und Christentum – Wollen alle Religionen letztlich das gleiche?
Predigttext

Siebter Sonntag im Jahreskreis 23. Februar 2003
Les: Jes 43,18-19.21-22.24b-25; 2Kor 1,18-22
Ev: Mk 2,1-12

Buddhismus und Christentum – Wollen alle Religionen letztlich das gleiche?

„Die verschiedenen Religionen, die wir kennen, mögen ja im Detail unterschiedlich sein, aber das, was sie letztlich wollen und anstreben, ist doch eigentlich dasselbe.“ Diese Ansicht liebe Gemeinde wird heute von vielen Menschen, auch gläubigen Christen vertreten. Doch stimmt das auch? Wollen alle Religionen wirklich letztlich dasselbe?

Ich möchte die heutige Lesung aus dem 2. Korintherbrief zum Anlass nehmen, einmal ein wenig nachzudenken über eine der faszinierendsten außerchristlichen Gestalten der Religionsgeschichte, über Siddharta Gautama, wie er mit bürgerlichem Namen hieß, besser bekannt unter dem Namen (der eigentlich ein Titel ist) Buddha. Romano Guardini, der große Religionsphilosoph des letzten Jahrhunderts, hat sich immer wieder voller Bewunderung, aber auch kritisch – was allerdings seine Bewunderung in keiner Weise beeinträchtigte – mit ihm auseinandergesetzt. Ich möchte eine kurze Passage aus seinem Buch „Der Herr“ zitieren: „Einen Einzigen gibt es, der den Gedanken eingeben könnte, ihn in die Nähe Jesu zu rücken: Buddha. Dieser Mann bildet ein großes Geheimnis. Er ist in einer erschreckenden, fast übermenschlichen Freiheit, zugleich hat er dabei eine Güte, mächtig wie eine Weltkraft. Vielleicht wird Buddha der Letzte sein, mit dem das Christentum sich auseinanderzusetzen hat“ (S. 360). Mit großer Hellsicht hat Guardini Ende der 40er Jahre diese Sätze geschrieben. In der Tat sind Buddha und der Buddhismus für viele religiös Suchende unserer Tage die große Alternative zu Jesus und dem Christentum geworden.

So möchte ich einmal fragen: Was war es denn eigentlich, was Buddha wollte, was er suchte, was er lehrte, was ihm für sich und seine Schüler als Ziel des Lebens vor Augen stand? Buddha war, um ein ganz zentrales Element seiner Lehre zu nennen, zutiefst durchdrungen von der Vergeblichkeit unseres menschlichen Daseins. Wie vielleicht kaum ein anderer vor und nach ihm hat er diese Vergeblichkeit unserer Existenz, dass es also keine letzte Erfüllung gibt, erlebt, erfahren, erlitten. Aus dieser Erfahrung heraus wusste er um den tiefen Durst in uns allen; um den Durst, das Begehren, die Sehnsucht unseres Herzens nach Existenz, nach Dasein und Leben, nach Glück, Freude, Erfüllung, Liebe. Doch zugleich mit diesem Durst in uns erkannte er; dass nichts, aber auch gar nichts in dieser Welt ihn zu stillen vermag. Was immer wir erlangen ist zu klein für diesen großen Durst; und außerdem wird es uns immer wieder entrissen: durch Lebensumstände, Schicksalsschläge, ganz sicher durch den Tod. Weil unsere Sehnsucht nach Glück einer letzten Vergeblichkeit unterliegt, deswegen sah Buddha das Leben als insgesamt leidhaft an. „Leben ist Leiden“, ist die Erste der Vier Edlen Wahrheiten und gleichsam die Diagnose unseres Zustands. Das Leiden aber resultiert aus dem Durst, der nie gelöscht wird und nicht löschbar ist und gleichsam das Symptom unserer „Krankheit" darstellt. Daher liegt Erlösung nicht in der Stillung, sondern in der Zerstörung des Durstes; diese Zerstörung, diese Loslösung von allem Begehren, diese Loslösung von der Welt, von Mitmenschen und von sich selbst gelingt auf dem Achtfachen Pfad, in dem uns gleichsam die Therapie angeboten wird. Alles in allem sind das die „Vier Edlen Wahrheiten“, die Buddha im Tierpark von Benares das erste Mal gelehrt hat und die bis heute der Kern des Buddhismus sind.

Was daraus resultierend buddhistische Religiosität bei all ihrer Bewunderungswürdigkeit kennzeichnet, ist ein dreifaches Nein. Ein erstes Nein zu einem persönlichen Gott, der unseren Durst stillen könnte. Buddha selbst hat die ganze hinduistische Götterwelt beiseite gestellt als belanglos für den Erlösungsweg.

Ein zweites Nein wird, daraus resultierend, gesagt zur Personalität des Menschen. Dass ich ich bin, ist eine Illusion. In Wirklichkeit ist der Mensch an-atman, übersetzt: ohne Seele, ohne Individualität und Personalität; ich bin eine Abfolge von Zuständen, und nur mein Begehren hält die Illusion meiner Individualität aufrecht.

Und ein drittes Nein ist das zu einem persönlichen ewigen Leben. Erlösung besteht nicht in der Auferstehung und damit in der liebenden Gemeinschaft mit Gott und allen Miterlösten, sondern im Nirvana, wörtlich: im Verlöschen, gleich dem Verlöschen einer Flamme. Paul Claudel, der große französische Dichter der als Diplomat in Fernost das tägliche Läuten eines nahe gelegenen buddhistischen Klosters hörte, schrieb einmal darüber: „Die Glocke, die so bitterlich Nein sagt.“

Was haben wir demgegenüber in der heutigen Lesung gehört? „Gottes Sohn Jesus Christus... ist nicht als Ja und Nein zugleich gekommen, (vielmehr) ist in ihm das Ja verwirklicht. Er ist das Ja zu allem, was Gott verheißen hat.“


Liebe Schwestern und Brüder,

ich möchte diesen Satz des Apostels Paulus so deuten: Jesus ist die Antwort auf jene Frage, die dem Erlösungsweg Buddhas zugrunde liegt; eine Antwort, die er nicht kennen konnte, weil er Jesus Christus nicht kannte. Weil es Christus gibt, ist das Christentum keine Religion des Nein, sondern eine Religion des Ja; voll bejahender Kraft für uns selbst, für den Durst in uns und für die ganze Schöpfung. Als Christen wissen wir so wie Buddha, dass wir den Durst in uns nicht selbst und durch nichts in der Welt endgültig zu stillen vermögen. Wenn, dann kann es nur von außerhalb dieser Welt als unvermutetes Geschenk gewährt werden. Weil wir daher Ja sagen zu einem Gott, der in Jesus Christus Ja zu all seinen Verheißungen gesagt hat, deswegen können wir glauben und hoffen, dass unsere Erlösung nicht in der Ausmerzung, sondern in der Stillung unseres Durstes liegt. Weil wir Ja sagen zu einem Gott, der zu jedem von uns Ja sagt, deswegen können auch wir zu uns selbst Ja sagen als einmalige, kostbare, von diesem Gott geliebte Person. Und weil wir Ja sagen zu einem Gott, der uns nicht nur für die kurze Dauer eines irdischen Lebens bejaht und liebt, sondern uns in Christus erlöst hat zu einem ewigen Leben hin, darum können wir auch Ja sagen zu einer persönlichen Auferstehung, in der durch Reinigung und Läuterung hindurch all unser Egoismus und falsches An-uns-selber-Haften verlöscht sein wird, nicht aber wir selbst als Person.


Liebe Gemeinde!

Ich bin ausgegangen von der Frage, ob nicht alle Religionen letztlich dasselbe wollen und erstreben. Was ich ausgeführt habe, beeinträchtigt in keiner Weise die tiefe Spiritualität und die großartige Menschlichkeit, der man in Menschen begegnen kann, die ernsthaft den buddhistischen Erlösungsweg beschreiten. Mir ging es ausschließlich um das letzte Ziel der beiden Erlösungswege, auf der einen Seite Buddhas, auf der anderen Seite Jesu, also um die Frage: Was dürfen wir hoffen? Für unser Dasein jetzt und vor allem jenseits der Schwelle des Todes. Für uns Christen ist nie ein größeres Ja zu uns Menschen, zu mir als einzelner Person und zur Schöpfung insgesamt gesagt worden als durch die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus. „Denn er ist nicht als Ja und Nein zugleich erschienen; vielmehr ist Er das Ja Gottes zu aller Wirklichkeit und all seinen Verheißungen.“ Und darum rufen wir durch ihn, wie Paulus schreibt, zu Gottes Lobpreis auch das Ja, das Amen, das Ich glaube.

Amen.

Pfr. Bodo Windolf

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