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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf
Thema:
Der
Mensch lebt nicht vom Brot allein
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St. Severin Garching
Heilig Abend 2002
Les:
Jes 9,1-6; Tit 2,11-14
Ev: Lk 2,1-14
Der Mensch lebt nicht vom Brot allein
Was feiern wir an Weihnachten? Jüngsten
Umfragen zufolge wächst in Deutschland rapide die Zahl derer, die auf diese
Frage keine Antwort mehr wissen, besonders unter der jungen Generation. Eine
neue Art von Analphabetismus macht sich unter uns breit. Man kann virtuos den
Computer bedienen. Man kennt noch den achten Mann auf der Reservebank des 1. FC
Bayern. Aber Schweigen im Walde, wo es um die einfachsten Grundkenntnisse
unseres christlichen Glaubens geht. Religiöser Analphabetismus. Es sind nicht
nur Christen, sondern auch Ungläubige, die etwas tiefer nachdenken, denen diese
Entwicklung große Sorge bereitet: dass nämlich die Wurzeln unserer Kultur,
unseres Gemeinwesens, unseres abendländischen Humanismus mehr und mehr einfach
abgeschnitten werden.
Und weit und breit nichts in Sicht, das an die Stelle treten könnte; das das
entstandene Vakuum ausfüllen könnte, außer in der Regel dem banalen
Materialismus unserer Konsum- und Spaßgesellschaft. (Natürlich machen wir uns
berechtigte Sorgen über die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land und
damit über die materiellen Grundlagen unseres Daseins. Aber können wir es uns
auf Dauer leisten, darüber die geistigen und religiösen Grundlagen unseres
Lebens und unserer Kultur so zu vernachlässigen, wie es zur Zeit der Trend ist?
Wo wir das Wort: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein“, nicht mehr ernst
nehmen und so tun, als sei es uns doch genug satt zu werden und Spaß zu haben
– wird das nicht auf Dauer zu seelischen Verwüstungen beginnend unter Kindern
und Jugendlichen führen, die sich heute schon abzeichnen?)
Noch ein weiteres Kennzeichen unserer Zeit, ebenfalls eine Folge mangelnder
Kenntnis des eigenen christlichen Glaubens: Es wird immer schicker zu sagen: Die
Religionen – ob Christentum oder Judentum oder Islam oder Buddhismus oder
Hinduismus – seien letztlich ja doch alle gleich. Ungefähr, so wird
behauptet, sagten sie alle dasselbe, nur die einen formulieren es so und die
anderen ein wenig anders.
Liebe Schwestern und Brüder!
Ich behaupte: Wer so redet, weiß in der Tat nicht, was wir heute feiern und was
Weihnachten letztlich und eigentlich bedeutet. Ich will versuchen, es in ein
paar Sätzen zu skizzieren.
Was feiern wir Weihnachten? Selbstverständlich: Wir feiern Gott. Doch was für
einen Gott? Und genau hier sind wir am springenden Punkt; da, wo der Unterschied
zu allen anderen menschheitlichen Religionen aufreißt; wo, wie der Schweizer
Dichter Kurt Marti schreibt, „Gott die Gottesbilder, die wir uns von ihm
machen, zerschlägt“. Es hört sich ganz einfach an und revolutioniert doch
unser Gottesbild. Denn wir feiern einen Gott, der die Liebe – tut.
Der es leid ist, nur Sprüche über
die Liebe zu machen, wie es in einem gewissen Sinn noch im Alten Testament der
Fall ist, wo es immer wieder heißt: Spruch des Herrn. Der Gott, den wir heute
an Weihnachten feiern, wollte es nicht dabei bewenden lassen, uns seine Liebe
immer nur mündlich zu beteuern. Er
wollte nicht nur ein Gott sein, der sagt: Ja, ich liebe dich zwar, aber das
Leiden, das Sterben, das, was dir das Leben oft so schwer macht – damit will
ich nichts zu tun haben. Vielmehr wollte er ein Gott sein, der solchen Einwürfen
den Wind aus den Segeln nimmt.
Wir alle wissen: Liebe
erweist sich nicht in noch so schönen Worten, sondern in Taten. Offensichtlich gilt dies auch für Gott. Und so entschloss Er
sich, seine Liebe in der Tat zur
Tat werden zu lassen. Er entschloss sich, eine menschliche Gestalt
anzunehmen mit restlos allen Konsequenzen.
Er entschloss sich, ein Mensch wie wir zu werden. Die Menschwerdung des ewigen
Sohnes Gottes im Menschen Jesus Christus ist daher die Praxis
der göttlichen Liebe zu uns.
Theopraxie anstelle von nur Theologie;
Gottes-Tun statt nur Gottes-Rede.
Dass an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt der Geschichte der
Ewige selbst in die Zeit eintritt; dass der unendliche Gott, ein endlicher
Mensch wird; dass der Leidlose leidensfähig, der Unsterbliche sterblich, der göttlich
Reiche arm und elend wird; dass der Allgewaltige und Allmächtige als
gewaltlos-ohnmächtiges Kind in der Armseligkeit eines lausigen Stalles geboren
wird, und dass Er
bei all dem nicht nur so tut als ob, sondern sich wirklich und wahrhaftig
bis ins Letzte schicksalhaft-tragisch einlässt auf unser menschliches Leben;
dass Gott sich einmenscht in unsere
Welt, einwurzelt bis zur letzten Konsequenz seiner Entwurzelung am Kreuz, mit
dem wir Ihn damals wie heute hinauswerfen wollen aus dieser unserer Welt, damit
Er, Gott, unsere Kreise nicht stört – all das zeigt uns einen Gott, wie ihn
keine andere Religion auch nur von ferne kennt. Vor allem aber zeigt uns dieser
Gott, der solchermaßen seine Liebe tut –
was wir Menschen ihm wert sind. Er
zeigt uns, was ich, Mensch, Ihm,
Gott, wert bin. Dass Gott Sich
würdigt, mein Bruder zu werden im Geburtstagskind dieser Nacht; dass ich
Ihm Schwester und Bruder sein darf; und dass Er mein Schicksal auf sich nehmen
und mit mir teilen will, um mich zu erlösen, um mich in die Freude, in den
Frieden und in die Freiheit der wahren Kinder Gottes zu führen, dass Gott dies
für den Menschen, für jeden Menschen tut, - das ist eine der entscheidenden
Wurzeln unseres abendländischen Humanismus; hier wird auch die Botschaft
unserer Menschenwürde geboren.
Die Botschaft der
Weihnacht zu kennen, noch mehr, an sie zu glauben; noch mehr: aus ihr zu leben,
das heißt, sich in jenen Gott einwurzeln, der sich durch seine Menschwerdung
schon in mich und mein Menschsein eingewurzelt hat.
Diese Botschaft aber braucht Zeugen. Sie trägt sich nicht von selbst weiter.
Wer sind diese Zeugen heute? Wer anders sollten sie sein als Sie, die Sie zu
dieser Christmette gekommen sind. An dieser Stelle ein persönliches Wort an
Sie. Ich finde es wunderbar, wie gefüllt die Kirche heute ist. Aber ich fände
es mindestens so wunderbar, wenn dies nicht nur an einem Tag wie heute so wäre,
sondern auch unterm Jahr. Jeder möge einmal in sich gehen und bei sich selbst
überlegen, was ihm persönlich dieser Gott und diese Botschaft bedeutet und
welchen Platz im Leben er Ihm einzuräumen bereit ist – diesem Gott, der so
viel für uns getan hat. Nun aber wollen wir ihn feiern, ihn, der menschwerdend
seine Liebe zu einem jeden von uns
getan hat.
Pfr. Bodo Windolf
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