Predigt vom Juni 2002

St. Severin Garching

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Prediger:
Priesteramtskandidat Wernher Bien


Thema: 
Dreifaltigkeitssonntag - Trinitatis 2002
Predigttext

Predigt am Sonntag Trinitatis 2002

Sehnsucht nach Liebe

Liebe Schwestern und Brüder,

am heutigen Dreifaltigkeitssonntag versucht die Kirche zu beschreiben, wie Gott ist. Es handelt sich dabei nicht um irgendwelche Spekulationen: Darin, wie wir Menschen uns Gott vorstellen, drücken sich unsere Sehnsüchte und Hoffnungen aus. Wenn etwa die Anhänger von New Age und Esoterik sich die Gottheit als universelle Energie vorstellen, so kommt darin ihre Sehnsucht nach Harmonie zum Ausdruck. Andere wiederum suchen in Gott den allmächtigen Weltherrscher, der ihnen mit klaren Lehren und Geboten Sicherheit gibt.

Wir Christen reden vom dreifaltigen Gott um zu sagen, dass Gott Liebe ist: Der Vater liebt den Sohn, der Sohn liebt den Vater, einer schenkt sich dem anderen ganz hin ohne etwas von sich zurückzuhalten und ohne andererseits sich selbst dabei zu verlieren, und dieses Band der Liebe zwischen Vater und Sohn ist der Heilige Geist.

Ich bin überzeugt, dass diese Vorstellung, dass Gott, der letzte Grund der Welt, Liebe ist, unseren eigenen tiefsten Sehnsüchten entspricht: Wir sehnen uns danach, bedingungslos geliebt zu sein, jemanden zu haben, der zu uns sagt: „Ich stehe zu dir, nicht nur insofern du dies oder jenes tust, sondern weil du’s bist.“ Und wir sehnen uns danach, zu lieben, jemand zu haben, dem wir uns hingeben können ohne Angst haben zu müssen, ausgenutzt zu werden.

Jesus: Wir haben es mit Gott zu tun

All das, lieben und geliebt werden, gab es nun auch schon im Alten Testament: In der Lesung haben wir gehört, dass Gott beschrieben wird als „ein barmherziger und gnädiger Gott, langmütig, reich an Huld und Treue“. Und das Hauptgebot lautet: „Du sollst den Herrn deinen Gott lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft.“ Was hat also Jesus Neues gebracht? Und wie kamen die Christen dazu, auf einmal anzunehmen, Gott sei dreifaltig? Dazu zunächst eine kleine Geschichte:

Der Kriminalpsychologe und Hobbyautor N.N. liebte es, sich in seiner Phantasie alle möglichen Mordfälle auszumalen. Eben war er auf dem Heimweg von der Arbeit nach Hause und er stellte sich vor, wie hinter der Tür ein Mörder auf ihn lauern und mit dem Messer auf ihn einstechen würde. Er sperrte die Tür auf - und da war der Mörder, und er stach auf ihn ein. Zu Tode getroffen, kam ihm ein letzter Gedanke: „Dimension! Es ist eine andere Dimension, ob man sich etwas nur vorstellt oder ob man es wirklich erlebt.“ „Das muß ich mir merken“, dachte er sich und starb.

Jesus hat ja nicht von sich selbst gesagt, er sei die zweite Person aus der göttlichen Trinität, gezeugt nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater - aber die Menschen merkten: Es ist eine andere Dimension. Wenn die Schriftgelehrten von Gott erzählen, dann stellen wir uns vor, wie barmherzig und gnädig er ist. Aber bei Jesus, da erleben wir hautnah die Liebe Gottes, wie er Kranke heilt, Ausgestoßene annimmt, Mutlosen neue Hoffnung gibt. Das war die Erfahrung der ersten Christen: In diesem Jesus haben wir es mit Gott selbst zu tun.

Wenn wir also sagen, dass Jesus der Sohn Gottes ist, so bedeutet das, dass wir glauben, dass wir es in unserem Glauben nicht nur mit unserer Vorstellung von Gott zu tun haben, sondern mit Gott selbst.

Und Jesus zeigt uns, wie Gott zu uns steht:

„So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn für uns hingab.“

Für Gott sind wir unendlich wertvoll, so wertvoll, dass er sogar das Kostbarste was er hat, nämlich seinen eigenen Sohn, hingibt.

Der Heilige Geist: Du hast es in dir

Das zu wissen ist ja tröstlich, aber oft ist es doch leider so, dass die Liebe Gottes an uns abperlt wie Regen an einem Regenschirm und unser Leben nicht verändert. Wie schaffen wir es, uns von der Liebe Gottes durchdringen zu lassen, so dass wir selbst mit ganzem Herzen und ganzer Kraft Gott und unsere Mitmenschen lieben?

Wie schaffen wir es, mit anderen Worten, vom Geist der Liebe, vom Heiligen Geist erfüllt zu werden, so wie Jesus vom Heiligen Geist erfüllt war?

Im vierten Jahrhundert gab es Mönche, die sich mit großer Entschiedenheit um ein Leben in der Nachfolge Jesu bemühten. Diese Mönche glaubten, wir könnten es aus eigener Kraft schaffen, den Geist der Liebe, den Heiligen Geist in uns zu erwecken.

Dagegen haben die großen Kirchenväter der damaligen Zeit festgestellt, dass wir es aus eigener Kraft niemals schaffen können, uns zu Gott zu erheben. Der Heilige Geist ist eben nicht etwas, was wir aus eigener Kraftanstrengung hervorbringen können, sondern er ist das Geschenk Gottes, er ist Gott selbst, der in unseren Herzen wohnt.

Das zu wissen ist etwas unglaublich Tröstliches. Ich nehme an, Sie kennen Situationen, wo Sie gar kein Zutrauen mehr in sich selbst haben. Dann hilft es uns sehr, wenn ein anderer Mensch in uns Zutrauen setzt und sagt: „Komm schon! Du schaffst es! Du hast es in Dir!“ Genau das tut auch Gott. vielleicht fühlen wir manchmal in uns nur noch einen Geist von Niedergeschlagenheit oder Bosheit. Dann sagt Gott zu uns: „Du hast in dir auch meinen Heiligen Geist, den Geist der Hoffnung und der Liebe.“

Trinität: Hineingenommensein in die Liebe

Diesen Geist der Liebe auszubreiten in der Welt, das ist unsere Aufgabe als Christen. In den 68er Jahren des vorigen Jahrhunderts waren viele junge Menschen überzeugt, dass es uns gelingen wird, eine bessere, liebevollere Welt zu schaffen. Heute scheint dieser euphorische Geist eher einer nüchternen Stimmung gewichen zu sein: Die Menschen sind heute kaum mehr überzeugt, dass es uns gelingt, etwas Großes und Gutes zustandezubringen. Zweitausend Jahre Christentum haben die Welt kaum spürbar gebessert.

Wir sehnen uns nach Liebe, aber es scheint mit der Liebe kaum voranzugehen. Es sieht so aus, als würde es Gott und uns nicht gelingen, den Geist der Liebe über die ganze Welt auszubreiten.

Wenn nun diese Liebe, die uns mit Gott verbindet, nur etwas wäre, was sich zwischen Gott und der Welt abspielt, dann sähe es tatsächlich schlecht aus um unsere Erlösung.

Wenn wir sagen, dass Gott dreifaltig ist, so bedeutet das auch, dass die Liebe, die unsere Erlösung ist, nicht zuerst ein Geschehen zwischen uns und Gott ist, sondern zuerst in Gott selbst konstituiert ist, und wir werden in diese Liebe hineingenommen.

Dieses Hineingenommenwerden in die Liebe zwischen Gott Vater und Sohn erfahren wir am deutlichsten in der Feier der Eucharistie. In jeder Heiligen Messe wird ja auf geheimnisvolle Weise das gegenwärtig, was damals vor zweitausend Jahren geschah:

Indem Jesus den Kreuzestod auf sich nimmt, legt er sein Leben restlos in die Hände des Vaters. Und indem er uns in der Heiligen Eucharistie sein Fleisch zu essen gibt, gibt er uns Anteil an diesem höchsten Akt der Liebe, der Ganzhingabe an den Vater. Somit ist die Eucharistie für uns eine Quelle der Kraft, in der wir uns hineinnehmenlassen können in diese liebevolle Hingabe zwischen Vater und Sohn.

Wernher Bien

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