Predigt am Sonntag Trinitatis 2002 Wir Christen reden vom dreifaltigen Gott um zu sagen, dass Gott Liebe ist: Der Vater liebt den Sohn, der Sohn liebt den Vater, einer schenkt sich dem anderen ganz hin ohne etwas von sich zurückzuhalten und ohne andererseits sich selbst dabei zu verlieren, und dieses Band der Liebe zwischen Vater und Sohn ist der Heilige Geist. Ich bin überzeugt, dass diese Vorstellung, dass Gott, der letzte Grund der Welt, Liebe ist, unseren eigenen tiefsten Sehnsüchten entspricht: Wir sehnen uns danach, bedingungslos geliebt zu sein, jemanden zu haben, der zu uns sagt: „Ich stehe zu dir, nicht nur insofern du dies oder jenes tust, sondern weil du’s bist.“ Und wir sehnen uns danach, zu lieben, jemand zu haben, dem wir uns hingeben können ohne Angst haben zu müssen, ausgenutzt zu werden. Jesus: Wir haben es mit Gott zu tun All das, lieben und geliebt werden, gab es nun
auch schon im Alten Testament: In der Lesung haben wir gehört, dass Gott
beschrieben wird als „ein barmherziger und gnädiger Gott, langmütig, reich
an Huld und Treue“. Und das Hauptgebot lautet: „Du sollst den Herrn deinen
Gott lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft.“ Was hat
also Jesus Neues gebracht? Und wie kamen die Christen dazu, auf einmal
anzunehmen, Gott sei dreifaltig? Dazu zunächst eine kleine Geschichte: Wenn wir also sagen, dass Jesus der Sohn Gottes ist, so bedeutet das, dass wir glauben, dass wir es in unserem Glauben nicht nur mit unserer Vorstellung von Gott zu tun haben, sondern mit Gott selbst. Und Jesus zeigt uns, wie Gott zu uns steht: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn für uns hingab.“ Für Gott sind wir unendlich wertvoll, so wertvoll, dass er sogar das Kostbarste was er hat, nämlich seinen eigenen Sohn, hingibt. Der Heilige Geist: Du hast es in dir Das zu wissen ist ja tröstlich, aber oft ist es doch leider so, dass die Liebe Gottes an uns abperlt wie Regen an einem Regenschirm und unser Leben nicht verändert. Wie schaffen wir es, uns von der Liebe Gottes durchdringen zu lassen, so dass wir selbst mit ganzem Herzen und ganzer Kraft Gott und unsere Mitmenschen lieben? Wie schaffen wir es, mit anderen Worten, vom Geist der Liebe, vom Heiligen Geist erfüllt zu werden, so wie Jesus vom Heiligen Geist erfüllt war? Im vierten Jahrhundert gab es Mönche, die sich mit großer Entschiedenheit um ein Leben in der Nachfolge Jesu bemühten. Diese Mönche glaubten, wir könnten es aus eigener Kraft schaffen, den Geist der Liebe, den Heiligen Geist in uns zu erwecken. Dagegen haben die großen Kirchenväter der damaligen Zeit festgestellt, dass wir es aus eigener Kraft niemals schaffen können, uns zu Gott zu erheben. Der Heilige Geist ist eben nicht etwas, was wir aus eigener Kraftanstrengung hervorbringen können, sondern er ist das Geschenk Gottes, er ist Gott selbst, der in unseren Herzen wohnt. Das zu wissen ist etwas unglaublich Tröstliches. Ich nehme an, Sie kennen Situationen, wo Sie gar kein Zutrauen mehr in sich selbst haben. Dann hilft es uns sehr, wenn ein anderer Mensch in uns Zutrauen setzt und sagt: „Komm schon! Du schaffst es! Du hast es in Dir!“ Genau das tut auch Gott. vielleicht fühlen wir manchmal in uns nur noch einen Geist von Niedergeschlagenheit oder Bosheit. Dann sagt Gott zu uns: „Du hast in dir auch meinen Heiligen Geist, den Geist der Hoffnung und der Liebe.“ Trinität: Hineingenommensein in die Liebe Diesen Geist der Liebe auszubreiten in der Welt, das ist unsere Aufgabe als Christen. In den 68er Jahren des vorigen Jahrhunderts waren viele junge Menschen überzeugt, dass es uns gelingen wird, eine bessere, liebevollere Welt zu schaffen. Heute scheint dieser euphorische Geist eher einer nüchternen Stimmung gewichen zu sein: Die Menschen sind heute kaum mehr überzeugt, dass es uns gelingt, etwas Großes und Gutes zustandezubringen. Zweitausend Jahre Christentum haben die Welt kaum spürbar gebessert. Wir sehnen uns nach Liebe, aber es scheint mit der Liebe kaum voranzugehen. Es sieht so aus, als würde es Gott und uns nicht gelingen, den Geist der Liebe über die ganze Welt auszubreiten. Wenn nun diese Liebe, die uns mit Gott verbindet, nur etwas wäre, was sich zwischen Gott und der Welt abspielt, dann sähe es tatsächlich schlecht aus um unsere Erlösung. Wenn wir sagen, dass Gott dreifaltig ist, so bedeutet das auch, dass die Liebe, die unsere Erlösung ist, nicht zuerst ein Geschehen zwischen uns und Gott ist, sondern zuerst in Gott selbst konstituiert ist, und wir werden in diese Liebe hineingenommen. Dieses Hineingenommenwerden in die Liebe zwischen Gott Vater und Sohn erfahren wir am deutlichsten in der Feier der Eucharistie. In jeder Heiligen Messe wird ja auf geheimnisvolle Weise das gegenwärtig, was damals vor zweitausend Jahren geschah: Indem Jesus den Kreuzestod auf sich nimmt, legt
er sein Leben restlos in die Hände des Vaters. Und indem er uns in der Heiligen
Eucharistie sein Fleisch zu essen gibt, gibt er uns Anteil an diesem höchsten
Akt der Liebe, der Ganzhingabe an den Vater. Somit ist die Eucharistie für uns
eine Quelle der Kraft, in der wir uns hineinnehmenlassen können in diese
liebevolle Hingabe zwischen Vater und Sohn. |