Predigt vom 30. Mai 2002 (Fronleichnam)

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
Ehrfurcht vor Gott in unserer Zeit
Predigttext

Fronleichnam 2002
Ev: Joh 6,51-58

Ehrfurcht vor Gott in unserer Zeit

„Gott segne Sie.“ Mit diesen Worten beendete in der vergangenen Woche George Bush seine mit viel Lob aufgenommene Rede vor dem Deutschen Bundestag. Dass der, der als der mächtigste Mann der Welt gilt, so freimütig seinen Glauben an Gott bekennt und durch seinen Gebetswunsch die segnende Kraft Gottes im Bundestag gegenwärtig setzt, erfüllt mich mit Hochachtung und Respekt. Für unser Land und sein geistiges Klima ist das höchst ungewöhnlich. Denn hier spielt Gott öffentlich so gut wie keine Rolle mehr. Es erscheint hierzulande fast unanständig, öffentlich von Gott zu reden, es sei denn – man redet unanständig über Ihn.

Genau darum ging es in einer erst vor wenigen Wochen geführten Blasphemie-Debatte im Deutschen Bundestag,  in der die kirchenpolitische Sprecherin der F.D.P. die Zunahme der „öffentlichen Verhöhnung und Verspottung der Glaubensgemeinschaften unter dem Vorwand der Kunst- oder Satierefreiheit“ beklagte. Dass die Beleidigung religiöser Überzeugungen und sogar Gotteslästerungen auch im Fernsehen zugenommen haben, stellte erst kürzlich die „Verbrauchervereinigung Medien“ fest. Als beliebiges Beispiel sei nur das in Heilbronn und Köln aufgeführte Theaterstück „Corpus Christie“ genannt, in dem Jesus und die Apostel als eine Clique Homosexueller und das Abendmahl als eine einzige Sauf- und Fressorgie dargestellt werden. In der erwähnten Blasphemie-Debatte ging es darum, Paragraph 166 des Strafgesetzbuches zu ändern, in dem es heißt: „Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Was sich beim ersten Hören harmlos und einleuchtend ausnimmt, entpuppt sich bei tieferem Nachdenken als skandalös. Denn geschützt wird mit diesem Gesetz nicht die religiöse Überzeugung einzelner geschweige denn das religiöse Bekenntnis selbst, sondern letztlich allein der öffentliche Friede!

Liebe Gemeinde!

Mit Verlaub, mir erscheint ein solches Gesetz als ein Hohn und eines Rechtsstaates unwürdig. Denn indirekt fordert es zu Randale und Gewalt auf. Im Klartext besagt es nämlich: Wird dein Glaube öffentlich beleidigt, dann wehr dich mit wüsten Beschimpfungen, wirf Steine, droh mit Bomben – denn erst dann fängt der öffentliche Friede an gefährdet zu sein und – du kannst mit dem Schutz des Gesetzes rechnen. Aber solange du als braver Christ, vielleicht noch mit der Bergpredigt im Hinterkopf, nur lammfromm daherprotestierst – lebe die Freiheit der Kunst, mag sie noch so sehr kübelweise Unrat über religiöse Bekenntnisse ausgießen.

Der von den C-Parteien eingebrachte und in besagter Debatte diskutierte Änderungsantrag dieses Gesetzes wurde leider von der derzeitigen Bundestagsmehrheit abgeschmettert.

Am 28. November 2000 hielt Kardinal Ratzinger in der Bayerischen Landesvertretung in Berlin einen Vortrag über die geistigen Grundlagen Europas. Darin ging er auch auf die Grundrechte-Charta der Europäischen Union ein und äußerte Verständnis, dass man Gott und die Verantwortung vor ihm nicht in der Charta verankerte, weil man wohl nicht vom Staat her eine religiöse Überzeugung verordnen wollte. Allerdings fährt er fort, ich zitiere: „Aber eines hätte meines Überzeugung nach nicht fehlen dürfen: die Ehrfurcht vor dem, was dem anderen heilig ist und die Ehrfurcht vor dem Heiligen überhaupt, vor Gott, die sehr wohl auch dem zumutbar ist, der selbst nicht an Gott zu glauben bereit ist. Wo diese Ehrfurcht zerbrochen wird, geht in einer Gesellschaft Wesentliches zugrunde. In unserer gegenwärtigen Gesellschaft wird gottlob jemand bestraft, der den Glauben Israels, sein Gottesbild, seine großen Gestalten verhöhnt. Es wird auch jemand bestraft, der den Koran und die Grundüberzeugungen des Islam herabsetzt. Wo es dagegen um Christus und das Heilige der Christen geht, erscheint die Meinungsfreiheit als das höchste Gut, ... Hier gibt es einen merkwürdigen und nur als pathologisch zu bezeichnenden Selbsthass des Abendlandes, das sich zwar lobenswerterweise fremden Werten verstehend zu öffnen sucht, aber sich selbst nicht mehr mag.... Den Kulturen der Welt ist die absolute Profanität, die sich im Abendland herausgebildet hat, zutiefst fremd. Sie sind überzeugt, dass eine Welt ohne Gott keine Zukunft hat.“

Haben diese Ausführungen irgendetwas mit dem heutigen Fronleichnamsfest zu tun?

Mir scheint: indirekt sogar sehr viel. In Prozession mit dem Allerheiligsten betend und singend durch die Straßen unserer Stadt zu gehen, heißt, Gott öffentlich zu machen; heißt, dass wir gemeinsam Seine segnende Gegenwart für Gläubige und Ungläubige, Christen und Nichtchristen, Gute und Böse, kurz: für alle Menschen öffentlich bekunden.

Außerdem ist die Fronleichnamsprozession öffentlicher Ausdruck der Ehrfurcht vor Gott, vor Seiner Größe; allerdings einer Größe, die darin besteht, sich klein zu machen, sich in die Unscheinbarkeit eines Stückchen Brotes zu verfügen, um in dieser Gestalt ganz bei uns und unter uns zu sein. Wenn Gottes Größe für den Glaubenden und Sehenden am deutlichsten wird in Gottes Bereitschaft zum Kleinsein, dann muss das in gewisser Weise auch für uns Menschen gelten. Daher möchte ich behaupten: Nie ist der Mensch, nie sind wir größer, als wenn wir nicht knechtisch, wohl aber ehrfürchtig vor Gott knien. Wer vor Gott zu knien vermag, darf auch vor Ihm stehen, hoch erhobenen Hauptes; vor allem aber muss er nicht mehr und wird er auch nicht mehr vor Menschen knien oder gar kriechen. Wahre Ehrfurcht vor Gott vertreibt die Furcht vor Menschen, vertreibt die Menschenfurcht.

Wer aber Gott verspottet, ja in den Schmutz zieht, oder sich nicht entblödet sich daran zu ergötzen, offenbart meines Erachtens eigene innere Verworfenheit, ja im tiefsten einen schauerlichen Selbsthass. Denn solche Menschen ironisieren, bewusst oder unbewusst, ihre eigene tiefste Sehnsucht; sie verspotten ihre eigene Seele, die nicht von Gott loskommt, wenn auch unter negativem Vorzeichen.

Wahre Ehrfurcht vor Gott, die nie knechtisch ist, ist daher eine Weise, nicht nur Gott zu schätzen, sondern auch sich selbst, ist eine Weise, an der Größe, an der Demut, an der Güte, an der Freiheit Gottes teilzuhaben. Beten wir auch für uns selbst um diese wahre Ehrfurcht vor Gott; vor Gott in unserer Mitte, vor Jesus Christus in der Demutsgestalt des eucharistischen Brotes.

Pfarrer Bodo Windolf

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