Predigt vom 14. April 2002

St. Severin Garching

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Prediger:
Priesteramtskandidat Wernher Bien


Thema: 
Woche für das Leben: „Vom Anfang an das Leben wählen statt auswählen“
Predigttext

Predigt am Sonntag, den 14.4.02:
Woche für das Leben: „Vom Anfang an das Leben wählen statt auswählen“ 

Zielsatz: Ich will die Hörer dazu ermuntern, für die Unverfügbarkeit des Lebens einzutreten.

Woche für das Leben

Liebe Schwestern und Brüder,

gestern hat die „Woche für das Leben“ begonnen, die von der deutschen Bischofskonferenz und von der evangelischen Kirche in Deutschland durchgeführt wird. Das Thema lautet: „Von Anfang an das Leben wählen statt auswählen.“ Es geht dabei vor allem um den Protest gegen eine menschenverachtende Biopolitik.

In unserer Zeit werden geradezu atemberaubende Eingriffe in dem Bereich der Entstehung des menschlichen Lebens möglich, so etwa in der Präimplantationsdiagnostik oder in der embryonalen Stammzellenforschung. Da stellt sich dann mit besonderer Brisanz die Frage nach den ethischen Normen für solche Eingriffe. Und in dieser Debatte haben wir als Kirche, als Christen einen wichtigen, ja unverzichtbaren Beitrag zu liefern:

Der Wert des Menschen

Wir müssen immer wieder und unermüdlich den unverfügbaren Wert des Menschen betonen und dafür eintreten, dass die Würde des Menschen von Beginn seines Lebens an geachtet wird.

Der Apostel Petrus schreibt an seine Gemeinde:

„Ihr wurdet nicht um einen vergänglichen Preis losgekauft, nicht um Silber oder Gold, sondern mit dem kostbaren Blut Christi.“

Als Christen wissen wir: Jeder Mensch ist unendlich wertvoll. Der Wert eines Menschen ist nicht mit Silber oder Gold aufzuwiegen, sondern der Grund, warum wir da sind, ist, weil Gott will, dass wir da sind, und wir sind für ihn so wichtig, dass er für uns sogar seinen einzigen Sohn in den Tod gibt.

Nicht umsonst haben sich die Menschenrechte im christlichen Abendland entwickelt: Aus dem Bewußtsein, daß jeder Mensch ein geliebtes Geschöpf Gottes ist, hat sich dann die Erkenntnis entwickelt, dass der Mensch einen Wert in sich hat, dass er unserer Verfügung entzogen ist.

Das ist meines Erachtens der eigentliche Knackpunkt an den Menschenrechten: Dass der andere Mensch für mich unverfügbar ist.

Stammzellforschung

Was mit diesem Wort „unverfügbar“ gemeint ist, möchte ich am Beispiel der Stammzellforschung erläutern.

Bei der Stammzellforschung geht es darum, dass Embryonen, die im Reagenzglas erzeugt wurden, nicht in die Gebärmutter einer Frau eingesetzt werden, sondern verbraucht werden, das heißt, die Zellen werden zu Forschungszwecken verwendet, und dabei wird das Embryo getötet.

Nun sind diejenigen, die Stammzellforschung befürworten, ja nicht einfach Bösewichter, aber ich bin doch der Meinung, dass sie eben die Unverfügbarkeit des menschlichen Lebens zu wenig achten.

abgestufter Lebensschutz

Zum einen wird argumentiert, dass man bei einem solchen Zellhaufen doch noch nicht von einer menschlichen Person sprechen könne: Menschliche Personalität beginne erst mit der Einnistung in die Gebärmutter oder mit der Entwicklung des Gehirns.

Wer aber so argumentiert, der achtet gerade nicht die Unverfügbarkeit des menschlichen Lebens, weil er selbst auf willkürliche und oft auch noch interessengeleitete Weise den Zeitpunkt des Beginns des menschlichen Lebens festlegt. Die einzige Möglichkeit, die Unverfügbarkeit des Lebens zu respektieren besteht darin, für den Beginn des Lebens den frühest möglichen Zeitpunkt anzunehmen, eben die Verschmelzung von Samen und Eizelle.

Gebote einer Ethik des Heilens

Zum anderen wird argumentiert, man müsse da eine Güterabwägung vornehmen: Wir hätten nicht nur die Pflicht, Embryonen zu schützen, sondern auch, die medizinische Forschung voranzutreiben. Also sei es erlaubt, ja sogar geboten, einige Embryonen zu töten, um dann durch die Heilmethoden, die durch die Forschung an den so gewonnenen Stammzellen entwickelt werden, vielen Menschen Gesundheit schenken zu können.

An dieser Argumentation wird noch einmal deutlich, was mit der Unverfügbarkeit des menschlichen Lebens gemeint ist: Eben dass der Mensch einen Wert in sich hat, über den wir nicht verfügen dürfen, und den wir keinem wie immer gearteten höheren Ziel opfern dürfen.

Den Kampf für das Leben nie aufgeben

Angesichts der gegenwärtigen Entwicklung stellt sich aber doch die Frage: Was bringt eigentlich der Einsatz für das ungeborene Leben?

Die vielen überzähligen Embryonen lassen sich ja doch nicht mehr retten. Der Gang der Wissenschaft läßt sich auch nicht aufhalten. Wenn wir in Deutschland die Stammzellenforschung verhindern, dann wird eben in anderen Ländern geforscht und unsere Wissenschaftler wandern ins Ausland ab – und wenn dann diese Forschung neue Heilmethoden erbringt, dann werden diese selbstverständlich auch in Deutschland angewandt werden.

Die Bemühungen der Kirche, die Stammzellenimporte zu verhindern, sind gescheitert. Eine Grenze nach der anderen wird durchbrochen.

Woher können wir überhaupt die Kraft gewinnen, in diesem aussichtslos erscheinenden Rückzugsgefecht für das Leben den Mut nicht zu verlieren?

Ich möchte antworten: Von Gott.

Als Christen haben wir ein unerschöpfliches Kräftereservoir. Wir wissen, dass diese Welt, in der der Kampf für das Leben so aussichtslos scheint, nicht die letzte Wirklichkeit ist:

Dahinter steht Gott, der will, dass jeder Mensch gerettet wird, der für uns sogar seinen Sohn gibt, und der die Geschichte sicher zu einem Ende führen wird, in der jeder Mensch in seinem unverfügbaren Wert geachtet wird.

Liebe Schwestern und Brüder, die Debatte um die Bioethik in Deutschland wird weitergehen – auch in Ihrem Umfeld. Ich bitte Sie, hier nicht zu resignieren oder sich auf eine abwartende Position zurückzuziehen, sondern immer wieder den Blick auf Gott zu richten, sich zu vergewissern, dass jeder Mensch für ihn unendlich wertvoll ist und dann für den Schutz des menschlichen Lebens in Ihrem Umfeld, mit Ihren Möglichkeiten beherzt einzutreten. Amen.

Wernher Bien

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