Ostermontag 1. April
2002
Lk 24,13-35
Musik – irdisches Echo der Schönheit und Güte
Gottes
„Der Herr ist wahrhaft auferstanden.“
Dieser Satz ist der einzige Grund, warum wir heute diesen Gottesdienst feiern.
Stimmt er eigentlich, dieser Satz? Sitzen wir nicht einem Mythos auf? Feiern wir
nicht ein Märchen, das zu schön ist, um wahr zu sein?
Es wäre lächerlich, das Unbeweisbare
beweisen zu wollen. Ich begnüge mich mit einem Hinweis, einem Hinweis
ungewohnter Art, der für mich allerdings der Kraft eines Beweises zumindest
nahe kommt.
Was wohl die meisten
von Ihnen in diesen Gottesdienst geführt hat, ist eine der beliebtesten
Sakralkompositionen, die je geschrieben wurden, die Cäcilienmesse von Charles
Gounod. Die Musik, die wir heute hören, wäre ohne die Botschaft von der
Auferstehung Jesu nie komponiert worden. Ja, noch mehr, die ganze abendländische
Musik würde es ohne diese Botschaft nicht geben. Denn wie die Musik aller
Kulturen hat auch die europäische ihren Grund in der Religion, hier bei uns in
der christlichen. Die Begegnung des Menschen mit dem Geheimnis Gottes ist der
Mutterboden aller Musik. Wo der Mensch dem Unsagbaren begegnet, fängt er an zu
singen und zu musizieren, weil er darin eine Sprache findet, die diesem
Unsagbaren näher kommt als das nur gesprochene Wort.
Was zeichnet die klassische abendländische
Musik aus, die als eine zutiefst humane, d.h. dem Menschen entsprechende Musik
sich kultur- und religionsübergreifend auf der ganzen Welt ausgebreitet hat und
beginnend mit der Gregorianik über Renaissance, Barock, Klassik, Romantik und
Moderne Sterne wie Palästrina, Bach, Mozart und Bruckner hervorgebracht hat?
Wir verstehen es besser, wenn wir bedenken, was ihre Eigenart nicht ist.
In nicht wenigen Religionen und Kulturen
dient Musik besonders der bisweilen bis zur Raserei gesteigerten Ekstase.
In der Wildheit der Rhythmen, der Instrumente, des Gesangs und des Tanzes will
der Mensch nicht mehr bei sich sein, sondern er will aus den Schranken des
eigenen Bewusstseins, der eigenen Individualität und Personalität
heraustreten, sich in seiner Sehnsucht nach dem Unendlichen von seinem kleinen
Ich befreien und aufgehen im Differenzlosen und Unendlichen des All-Einen. In
profanisierter, säkularisierter Form erleben wir das heute in der
Hardrock-Szene mit all ihren Abarten, die bis hin zu satanistischen Kulten und
Musiken geht und deren oft pervers-böse-aggressive Zielsetzung die Destruktion,
die Zerrüttung und Auflösung der Person ist, was wir meines Erachtens in bezug auf
unsere Jugendlichen viel zu wenig ernst nehmen.
Die sogenannte populäre oder Popmusik stellt
in vielen ihrer Richtungen die harmlosere banale Variante des Ganzen dar, die
den Einzelnen nach den Gesetzen der Masse in eben dieser Masse gleichschaltet.
Denn wie technische Ware werden die meisten Titel in industrieller
Massenproduktion hergestellt; für Melodie, Harmonie, Orchestrierung und so
weiter stehen jeweils eigene Spezialisten zur Verfügung, die das Ganze nach
Marktgesetzen, das heißt nach Verkäuflichkeit, eben exakt nach dem Geschmack
der Masse nicht komponieren, sondern montieren. Paul Hindemith hat diese
Massenware an banalem Geräusch, die er kaum Musik nennen mag, als Gehirnwäsche
bezeichnet.
Die Musik, die wir heute hören, ist von gänzlich
anderer Art. Es ist Musik, die mich bei mir, einen jeden von uns bei
sich belässt; die mich bei mir sein lässt,
die mein Bewusstsein nicht aufhebt, sondern hebt,
die mich Person sein lässt, diese
eine unverwechselbare, die Ich bin; es
ist Musik, die das in mir tut, was wir in der Liturgie beten: „Sursum corda“,
„Erhebet die Herzen“; Musik, die mich nicht aus mir heraus, wohl aber über
mich hinaus erhebt; die mich in einem guten Sinn selbstvergessen
macht, weil sie das Gute in mir weckt, die besten Kräfte in mir auferstehen
lässt; die, wenn ich sie in dem Geist höre, in dem sie komponiert wurde, mich
über mich hinaus dem Himmel entgegen, Gott entgegen, dem Auferstandenen
entgegen hebt, den zu verherrlichen sie nicht montiert, sondern empfangen wurde. Denn genau das meint Inspiration: Inspiration ist
wie ein irdisches Echo der Schönheit und Güte Gottes, geschenkt, um das Schöne und Gute hörend in uns aufzuerwecken.
Das aber zeigt: Das, was Auferstehung
meint, die Auferstehung Jesu, die
auch meine Auferstehung werden soll: nicht
Auflösung meiner Person in die verschlingende Alleinheit der Mutter Natur
und ihre Kreisläufe, sondern Bewahrung
meiner Person selbst über den Tod hinaus, ja endgültige Erhebung
meiner Person zu dem, zu dem wir in der Liturgie die Herzen erheben, sowie
die Befreiung, Auferweckung aller
guten Kräfte in mir unter Läuterung alles Bösen und Unvollkommenen – das
alles bewirkt in uns schon heute abbildhaft Musik wie die heute zu hörende und
zeigt in der Tat, dass sie zutiefst human, uns Menschen gemäß ist, weil sie
von weiter her kommt als das von Menschen Machbare. Geschaffen wurde sie zur
Preisung und Verherrlichung des auferstandenen Jesus Christus. In denen, die zu
hören verstehen, wirkt sie, was sie preist: die
Auferstehung Jesu in uns.
Und so sei es wiederholt: Diese Musik ist
kein Beweis, wohl aber Hinweis mit annähernd der Kraft eines Beweises für das,
was die Botschaft dieses Ostertages ist: Singen wir betend, hören wir betend,
glauben wir betend, was die Musik in ihrer Sprache verkündet: Der Herr
ist wahrhaft auferstanden.
Pfarrer
Bodo Windolf
|
© copyright 2002 WebMaster: Herbert Bauernfeind
bauernfe@t-online.de
|