32.
Sonntag im Jahreskreis .Lj. C
2001
2
Makk 7,1-2.7a.9-14; Lk 20, 27-38
Bodo
Windolf: Auferstehung
Wer waren die Sadduzäer, die mit dieser grotesk konstruierten Heiratsorgie
einer Frau Jesus eine Falle stellen und den Auferstehungsglauben lächerlich
machen wollten? Unter den vier Hauptgruppierungen des damaligen Judentums, also
unter den Pharisäern, Zeloten und Essenern kann man, wenn man so will, die
Gruppe der Sadduzäer als die der Traditionalisten, in einem gewissen Sinn als
die Fundamentalisten der damaligen Zeit bezeichnen. Denn sie anerkannten nur die
Tora, d.h. die ersten fünf Bücher Mose, und sie lehnten alles ab, was darin
nicht ausdrücklich bezeugt ist, also jede Art des Glaubensentwicklung; unter
anderem eben den Glauben an die Auferstehung.
Dieser
Glaube stammt in der Tat aus einer sehr späten Zeit des Judentums. Die Makkabäerbücher
– geschrieben um 160 v.Chr. – aus
denen wir vorhin in der Lesung einen Abschnitt gehört haben, gehören zu den
ganz wenigen Zeugnissen eines alttestamentlichen Auferstehungsglaubens. Zuvor
war eine solche Hoffnung gar kein Thema. Alle Hoffnung des gläubigen Juden
war auf das Diesseits gerichtet, auf ein gesundes, wohlhabendes, langes,
erfülltes und mit Kindern gesegnetes Diesseits. Der Tod bedeutete dagegen
definitiven Ausschluss aus dem Bereich der Glücksfähigkeit; denn er war
gleichbedeutend mit dem Ausschluss aus dem Bereich Gottes. Er gilt natürlich
nicht als Vernichtung, denn der Tote existiert weiter, führt aber nur noch ein
nichtiges Schattendasein in der Scheol. In sie muss er hinabsteigen. Und diese
Scheol ist ein Ort restloser Freudlosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Einsamkeit,
Kommunikationslosigkeit; denn Jahwes Anwesenheit reicht nicht bis zu ihr hinab.
Sie ist der Ort, wo Gott einfach nicht ist. Ps 88 und Jesaja drücken die ganze
Trostlosigkeit und Gottferne der Scheol so aus: „An sie (die Toten) denkst du
nicht mehr, sie sind deiner Hand entzogen.“ „Ja, in der Unterwelt dankt man
dir nicht, die Toten loben dich nicht, wer ins Grab gesunken ist, kann nichts
mehr von deiner Güte erwarten.“
Nun
hat sich gegen diese zunächst selbstverständlich hingenommene absolut
trostlose Jenseitsvorstellung über Jahrhunderte hinweg allmählich in Israel
doch eine Auferstehungshoffnung ihren Weg gebahnt. Wie kam es dazu?
Wo
sich alle Glaubenshoffnung auf das Diesseits richtet, muss geradezu die Überzeugung
entstehen: Lebst du gut, dann geht`s dir auch gut, und zwar hier und jetzt; das
heißt: dann schenkt dir Jahwe ein schönes Leben. Lebst du dagegen schlecht,
dann geht`s dir auch schlecht.
Gerade die heutige Lesung zeigt nun aber, dass diese simple Gleichung oft nicht
aufgeht; dass es stattdessen das maßlose Unglück und Leid der Gerechten gibt
und zugleich den Triumph der Übeltäter, der Mörder, der Ungerechten. Dieses
Problem des leidenden Gerechten thematisiert
im Alten Testament als erstes das Buch Hiob; das Buch Kohelet verzweifelt an
dieser zu beobachtenden Tatsache und erklärt, weil der Glaube an eine jenseitige
Gerechtigkeit fehlt, überhaupt alles Geschehen unter der Sonne für eitel
und sinnlos.
Doch
durch diese Fragen, Probleme, Krisen hindurch klärt sich auch einiges im
Gottesbild Israels. Es lernt die Konsequenzen
seines Gottesglaubens tiefer zu verstehen. Denn wie sollte die universale Macht
des Gottes des Himmels und der Erde im Tod eine Schranke haben können? Es
bricht sich die Überzeugung Bahn: eine letzte Gerechtigkeit erfahren wir hier auf Erden nicht. Es gibt
Auschwitz; es gibt den 11. September; ... Es scheint oft so, dass die Täter
gegenüber den Opfern die Lachenden sind; die, die das letzte Wort haben und
scheinbar Recht behalten. Doch das kann nicht sein, wenn Gott ein Gott des Rechts ist. ER ist es allein, der den Opfern
zu ihrem Recht verhelfen kann; der ein Menschenleben, das durch Bosheit,
Krankheit, Leid zerstört wurde, dennoch erfüllen kann; der den Gottlosen
verwandeln kann.
Schauen
wir von damals auf heute: Immer mehr Menschen verneinen, dass es eine Hoffnung
über dieses irdische Leben hinaus gibt. Was macht den Unterschied aus
zwischen dem Glaubenden und dem Nichtglaubenden? Letzterer muss all
sein Hoffen auf Glück und Erfüllung aufs Diesseits setzen. Und heißt das
nicht in den meisten Fällen: er verurteilt sich selbst dazu , schon hier und
jetzt alles haben zu müssen. Wer den
Himmel nicht im Himmel lässt, sondern ihn unbedingt auf die Erde herabzwingen
will, ist er nicht geradezu verdammt, das letzte Glück schon hier in diesem
Leben haben zu wollen? Und kann, ja muss das nicht zu Frustration und Enttäuschung
führen? Die Ansprüche und Erwartungen an das Leben, oft vor allem auch an die
Partnerschaft, werden sie nicht oft so hoch geschraubt, dass diese
hochfliegenden Pläne und Erwartungen scheitern müssen, dass deswegen auch so
viele Ehen scheitern, weil man voneinander geradezu das letzte Glück erwartet und so den Partner überfordert.
Wie
aber ist es mit dem der hoffen kann, der eine tiefverwurzelte Hoffnung hat, dass
die eigentliche Zukunft noch aussteht, dass ich das letzte Glück
mir nicht selbst geben kann, sondern es mir von Gott schenken lassen
muss? Wird solcher Mensch nicht viel gelassener in dieser Welt leben, da er
Dinge lassen kann, nicht an ihnen klebt, da er sich freuen kann über das, was
ihm das Leben gewährt, aber auch verzichten kann auf das, was ihm das Leben
vorenthält oder wieder nimmt?
Ist
das nicht Vertröstung! Nein, es ist
ein Trost, der uns Realismus und
Gelassenheit für dieses Leben schenkt und eine Hoffnung auf einen Gott, den
Jesus als den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, d.h.: als den Gott jedes
einzelnen, bei seinem Namen gerufenen
Menschen bezeichnet hat. Nur wer seine letzte und eigentliche Hoffnung und
Sehnsucht, die uns alle erfüllt, nicht auf etwas
in dieser Welt, sondern auf IHN, meinen
Gott richtet, wird nicht enttäuscht. Denn ER allein ist der Gott, der
einmal alle Mühsal von uns nehmen und alle Tränen trocknen wird, wenn wir ihn
schauen dürfen von Angesicht zu Angesicht.
Pfarrer
Bodo Windolf
|
© copyright 2002 WebMaster: Herbert Bauernfeind
bauernfe@t-online.de
|