Predigt vom 25. Dez. 2001 (2. Weihnachtstag)

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
Religiöser Wahrheitsanspruch und Toleranz – Christentum und Islam
Predigttext

Zweiter Weihnachtstag 2001
Evang:Mt10,17-22

Mord, Lynchjustiz durch einen religiös fanatisierten Mob unter Einwilligung der religiösen Elite, und zwar an jemandem, der den Hass der religiösen Eiferer nur deswegen auf sich zog, weil er anders glaubte als sie – das ist in verallgemeinerter Formulierung der Hintergrund des heutigen Stephanusfestes. Millionen von Christen sind bis heute wie der Erz-Märtyrer Stephanus Opfer solcher Gewalt geworden. Leider wurden Christen in späterer Zeit auch zu Tätern religiös motivierter Gewalt.

Was damals war, ist heute, und versetzt in furchtbar gesteigerter Form Menschen in Angst und Schrecken. Ein unentwirrbares Gemisch aus religiösem Eiferertum, politischem Machtstreben und sozialem Aufbegehren führt zu den abscheulichen Verbrechen, die besonders seit den letzten Monaten die Schlagzeilen füllen. Dabei ist die religiöse Motivation die ohne Zweifel am meisten fanatisierende. Denn nur die Religion reicht tief genug hinab in unsere Seele, um unseren natürlichen Selbsterhaltungstrieb zu überwinden und die Bereitschaft zu wecken, alles, selbst das eigene Leben, zu opfern. Denn niemand sprengt sich selbst in die Luft, nur um andere zu töten, es sei denn, er halte es für einen göttlichen Auftrag und er dürfe dafür jenseitigen Lohnes gewiss sein, mag solches Denken auch noch so pervers sein. 

Wenn es so ist, ist dann nicht die Religion als solche des Übels Wurzel? Zumindest jede Religion, die mit einem absoluten Wahrheitsanspruch auftritt, wie dies sowohl für das Judentum wie auch den Islam wie auch für das Christentum zutrifft? Kann eine Religion wie diese drei überhaupt auf Dauer tolerant sein? Sollte an deren Stelle nicht ein aufgeklärter und pluralistischer Humanismus treten, der die Gottes- und Wahrheitsfrage einfach ausklammert und erst so Toleranz garantiert, wie dies in Leserbriefen der Süddeutschen Zeitung und in anderen Kommentaren der letzten Zeit zu lesen und zu hören war?

Als Antwort möchte ich eine These aufstellen: Um eben der Toleranz willen und um auf Dauer dem Islam standhalten zu Können, brauchen wir in unserem Land nicht weniger an Christentum, sondern mehr Christentum. Ich versuche in aller gebotenen Kürze eine Begründung. 

Der praktische Atheismus in seiner simpelsten Art, wie er hierzulande immer mehr um sich greift, bei dem Gott so gut wie keine Rolle mehr spielt für das eigene Leben und Fitness, gestyltes Aussehen, Körperkult und Spaß zur banalen Ersatzreligion werden – ist keine Alternative. Der horror vacui der Physik trifft auch auf den Bereich der Religion zu. Wo heute unzählige Kinder und Jugendliche weitestgehend in einem religiösen Vakuum heranwachsen, da wird sich auf Dauer dieses Vakuum mit anderem, unter Umständen mit abstrusestem Zeug füllen.

Will man das nicht, bietet sich als wirkliche Alternative ein authentisch gelebtes Christentum an. Dabei ist mir bewusst: Es gibt wohl kaum ein Verbrechen, das von Christen oder sogar im Namen der christlichen Religion nicht begangen worden wäre. Doch es gibt einen entscheidenden Unterschied zu einer Religion wie etwa den Islam, den ich aus aktuellem Anlass nenne. Nie konnte man sich bei all diesen Taten auf die Gründergestalt Jesu und sein Evangelium berufen. Zwar gibt es sein Wort: „Ich bin nicht gekommen, den Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“ Doch hier ist nicht ein Schwert gemeint, das er selbst in die Hand genommen hätte, um seine Botschaft mit Gewalt zu verbreiten, sondern ein Schwert, das gegen ihn selbst als ersten geschwungen wurde und dessen erstes Opfer er war. Denn er wusste, dass er und die Seinen auch auf viel Hass, Feindschaft und Verfolgung stoßen würden, wie es das heutige Evangelium so realistisch ausgeführt hat.

Ganz anders, bei allem Respekt, die Gründergestalt Mohammed. In diesem Punkt ist der Unterschied am augenfälligsten, da Mohammed selbst mit Schwert und Blut für seine Botschaft gestritten hat. Mag auch im Koran der oft zitierte Satz stehen: „Im Glauben sei kein Zwang“ (2,256); dieses Wort hat leider keine größere göttliche Autorität als jenes aus Sure 47,4 und anderen Koranstellen: „Wenn ihr die Ungläubigen seht, dann herunter mit dem Haupt, bis ihr ein Gemetzel unter ihnen angerichtet habt.“ Mögen die allermeisten Muslime in unserem Land ebenso friedliebend sein wie andere Deutsche – es wird wohl immer auch die geben, die sich auf die göttliche Autorität solcher und etlicher anderer Stellen des Korans berufen können und berufen werden. Den Beweis, wie friedliebend der Islam grundsätzlich sei, müsste er im übrigen nicht hier bei uns, wo er keine politische Macht besitzt, führen, sondern in all jenen Ländern, wo er regiert und zehntausende besonders Christen unterdrückt oder blutig verfolgt. 


Liebe Gemeinde!

Was beabsichtige ich mit diesen Ausführungen:

Zum einen möchte ich betonen:

Der Urimpuls, den das Christentum von seinem Gründer her empfangen hat, ist ein strickt gewaltloser. Wer authentisch als Christ leben will, muss darin seinem Meister folgen. Und daher steht wahres Christentum gerade aufgrund seines Wahrheitsanspruches von Christus selbst her für Toleranz, Gewaltlosigkeit und Respekt vor der Überzeugung anderer.

Zum zweiten gilt:

Als Christen haben wir die Pflicht, die Hand zu Versöhnung und Dialog auszustrekken in eben diesem Respekt vor allem Wahren, Guten und Bewundernswertem, das viele gläubige Muslime auszeichnet. Eine Pauschalverurteilung des Islam ist unchristlich. Aber der Dialog sollte nicht in naiver Gutgläubigkeit das für Christen Angsterregende, ja auch Böse einfach unter den Teppich kehren, wie es in falscher political correctness nur zu häufig geschieht, sondern es beim Namen nennen in der Hoffnung, dass die Kraft der Wahrheit auch überzeugen kann.

Ich möchte schließen, indem ich wiederhole, was ich erst kürzlich von dieser Stelle aus gesagt habe: Die profilierteste Gestalt unter uns Christen, die es vermag, die Wahrheit des eigenen christlichen Glaubens ohne Relativierung zu vertreten und zu bezeugen, zugleich aber die Hand stets ausgestreckt zu halten zum Dialog und zu Gesten der Versöhnung, des Respekts und der Verständigung, ist wohl unser derzeitiger Papst Johannes Paul. Wer sich darin übt, wandelt in den Fußspuren Jesu, der als Gottes Sohn die Wahrheit und der Friede für unsere Welt ist.    

Pfarrer Bodo Windolf

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